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Museum im Prediger: Lokale Sichtbarkeit durch weltweite Vorbilder

Die Ausstellung "Wish you were quuer" im Museum Prediger in Schwäbisch Gmünd setzt ein Zeichen für Toleranz und Vielfalt. Foto: Museum im Prediger
Beate Mehlin)Schwäbisch Gmünd. „Wish you were queer“: Der Titel der Schau im Museum im Prediger in Schwäbisch Gmünd klingt fast selbstverständlich. Doch das ist und war es eben nicht. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Intersexuelle (LSBTI*) waren lange Zeit in der Öffentlichkeit unsichtbar. Anderssein bedeutete oft gesellschaftliche Ächtung, juristische Verfolgung oder Schlimmeres.
„Diese Unsichtbarkeit“, sagt der stellvertretende Museumsleiter Martin Weinzettl, „ist über die Jahrhunderte ein charakteristischer Aspekt queerer Kunst und Geschichte.“ Und führt dazu, dass Zeugnisse und Objekte aufgespürt werden müssen. „Alles, was einen verraten konnte, musste vernichtet werden. Die Herausforderung ist, die Menschen trotzdem sichtbar zu machen.“
In Schwäbisch Gmünd hat man sich auf Spurensuche gemacht, um die queere Geschichte der Stadt und Region zu erforschen. Die Ausstellung ist Ergebnis eines dreijährigen Projekts, das in einer Kooperation von Museum im Prediger, Stadtarchiv, Stabsstelle für Chancengleichheit und Volkshochschule getragen wurde, ergänzt um eine Geschichtswerkstatt mit engagierten Bürgern.
Die Ausstellung zeigt Kunstwerke und Fotografien
Dass sich die Kommune für die Biografien von queeren Menschen öffnet, setzt in einer Zeit Zeichen, in der – in den USA, hierzulande von einzelnen Parteien und Gruppierungen – Queerfeindlichkeit hoffähig gemacht wird (siehe Kasten). Entstanden ist eine Kombination aus Kunst- und Geschichtsausstellung.
„Wir zeigen in der Kunstausstellung, wie sich die LSBTI*-Welten entwickelt haben“, so Weinzettl. „Die lokale Sichtbarkeit wird erst möglich durch die weltweiten Vorbilder.“
Die werden in der Ausstellung mit Kunstwerken und Fotografien gezeigt. In Gang gesetzt wurde die queere Emanzipationsbewegung 1969 mit den Aufständen rund um die Christopher Street in New York. Seither ist queeres Leben auch hierzulande immer sichtbarer geworden, queere Kultur im öffentlichen Raum erlebbar. Pride-Paraden am Christopher Street Day gibt es etwa in Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe. In Heidelberg stand der Mai unter dem Motto des Queer Festivals mit Konzerten, Performances, Filmvorführungen und Workshops. In Freiburg fand kürzlich die 41. Schwule Filmwoche statt, am 18. Juni starten im Kommunalen Kino die Freiburger Lesbenfilmtage.
Ein breites Programm trägt das Thema in die Stadtgesellschaft
In Schwäbisch Gmünd tragen die Kooperationspartner mit einem breiten Rahmenprogramm die Auseinandersetzung mit dem Thema in die Gesellschaft. „Wir wollten diesen breiten Ansatz, weil es viele kulturelle Bereiche betrifft und es steht ja auch ein Bildungsauftrag dahinter, um das in die Zukunft zu tragen“, so Weinzettl. In der 2022 gegründete Geschichtswerkstatt „Einhorn sucht Regenbogen“ – finanziell unterstützt von der Partnerschaft für Demokratie Ostalbkreis und dem Land – haben Bürger Archive durchforstet und Zeitzeugen gesucht, queere Biografien und Erinnerungsorte recherchiert. Sie entdeckten eine Stadtgeschichte, „abseits der heterosexuellen Norm oder dem traditionellen ‚Mann/Frau‘-Leitmuster“, so Arnd Kolb, Projektleiter der Geschichtswerkstatt. Präsentiert werden die Geschichten mit Fotos, Dokumenten und persönlichen Erinnerungen. Eine Vitrine wurde bewusst leer gelassen: zu lesbischem Leben wurden kaum Quellen gefunden, während die männliche Homosexualität über Polizei- und Prozessakten dokumentiert ist. „Lesben sind paradoxerweise gleichzeitig sichtbar und unsichtbar – wie ihre Kunst, ihre Geschichte, ihre Literatur. Es ist alles da, manches mag noch verborgen sein und bleiben“, so Elke Heer, Beauftragte für Chancengleichheit bei der Stadt Schwäbisch Gmünd.
Zahlreiche Kultureinrichtungen bieten Veranstaltungen
Bis in den Herbst bleibt das Thema aktuell: Studierende der HfG gestalten Exponate für eine queere Aktionswoche, die Stadtbibliothek präsentiert Medien zum Pride Month Juni. Ein Stadtrundgang der Gmünder Geschichtswerkstatt erläutert Spuren lokaler LSBTI*-Geschichte, das Brazil-Kino zeigt queere Filme. „Wir wollen mit diesem Blick auf queere Kunst und Geschichte Selbstbewusstsein vermitteln“, so Weinzettl, „und den Blick öffnen: Wir brauchen die Toleranz, jeden sein zu lassen. Queersein ist Teil der menschlichen Vielfalt.“
Zahl queerfeindlicher Straftaten steigt rasant
Das Bundesinnenministerium veröffentlichte Ende 2024 gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt einen Lagebericht zur kriminalitätsbezogenen Sicherheit von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen sowie queeren Menschen (LSBTIQ*): Die Fallzahlen, heißt es „zeigen einen besorgniserregenden Anstieg queerfeindlicher Straftaten über die vergangenen Jahre“. Die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung“ und „Geschlechtsbezogene Diversität“ hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht.