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Verteilungskämpfe und Fragen der Demokratie
Stuttgart/Mannheim. Unlängst hat die Arbeitsgemeinschaft (AG) Kulturämter des Städtetags Baden-Württemberg (siehe Kasten) in Mannheim getagt. Auf der Tagesordnung standen Themen wie die Kooperation zwischen Ganztagsschulen mit Kunst und Kultur, welche anlässlich des Rechtsanspruchs auf Ganztagesbetreuung ab dem Schuljahr 2026/27 zum Einsatz kommen soll, die „Herausforderungen von Kunst und Kultur in Zeiten multipler Kulturkämpfe“ sowie die Vorstellung der Kampagne „Kultur wählt Demokratie“.
„Zugegeben, die ‚multiplen Kulturkämpfe‘ hören sich sehr martialisch an“, sagt Thorsten Riehle. Einst langjähriger Leiter des Veranstaltungshaus Capitol in Mannheim, ist er seit März Kulturbürgermeister der Quadratestadt. „Aber die Kulturschaffenden erleben das tatsächlich so.“
Das Referat ist Schnittstelle zu Land, Bund und EU
Rund 40 Vertreterinnen und Vertreter von Kulturämtern aus dem Land waren der Einladung aus Mannheim gefolgt. Bei Franziska Freihart, beim Städtetag Referentin für Kultur, bürgerschaftliches Engagement, Bürgerbeteiligung, Entwicklungspolitik und Tourismus, laufen die Fäden zusammen. Das Referat begreift sich als Schnittstelle zur Landesregierung, zum Bund und nicht zuletzt zur Europäischen Union. „Kultur zählt zu den freiwilligen Aufgaben einer Stadt, einer Gemeinde, das macht es uns nicht leichter“, sagt Freihart. Nichtsdestotrotz sei durch die AG ein Netzwerk entstanden und man habe durchaus schon einige Forderungspapiere, etwa zur Nachhaltigkeit, erstellt. „Da sind wir auch mit dem Kunstministerium in engem Austausch. Wir versuchen, gemeinsam Themen voranzubringen und unsere Sichtweise mit einzubringen.“
Auch das Treffen in Mannheim hat einige Ergebnisse gezeitigt: Zur Frage der Kooperation mit Ganztagsschulen wurden die Teilnehmenden auf den aktuellen Stand gebracht, die Einführung von Pilotprojekten wurde beschlossen. Und auch die gemeinsame Kampagne des Kunstministeriums und Städtetags „Kultur wählt Demokratie“ stieß auf breite Zustimmung. Mit einem Logo, das beim Städtetag zu erhalten ist, kann die Kulturszene im Land nun Flagge zeigen und sich positionieren.
Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus – die Themen treiben die Kulturschaffenden um. „Die großen Protestwellen für mehr Demokratie, die es derzeit gibt, sind meistens von Kulturschaffenden initiiert und werden von diesen auch angeführt.“ Viele machten sich Gedanken darüber, wie es in Zeiten einer erstarkenden AfD und eines deutlichen Rechtsrucks weitergeht, so Riehle. „Das macht ja was mit dem System, das merken wir in Mannheim auch. Dinge, die jahrzehntelang unsagbar waren, sind jetzt völlig normal im politischen Alltag.“
Umso mehr brauche man die Kultur, deren Finanzierung in Zeiten wirtschaftlicher Krisen zunehmend infrage gestellt wird. „Das sind Verteilungsfragen“, sagt Riehle. „Natürlich ist Kunst und Kultur eine freiwillige Aufgabe – per se so deklariert. Aber für mich als Kulturbürgermeister ist das eine Pflichtaufgabe, weil es immer darum geht, wie wir als Gesellschaft zusammenhalten.“
Die Pro-Palästina-Demos in Mannheim, wo es auch eine große Jüdische Gemeinde gibt, hätten gezeigt, wie wichtig die Kultur ist, um zu vermitteln, aufeinander zuzugehen, miteinander in Kontakt zu treten. „Aber man muss auch die Mittel dafür zur Verfügung stellen“, so Riehle, nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch Räume, Möglichkeiten, Ausstellungsflächen. „Das wird immer schwieriger“, sagt er.
Nationaltheater ist Arbeitgeber von rund 800 Menschen
Riehle plädiert für mehr Transparenz, dafür, zu zeigen, warum Kultur wichtig ist. „Wenn ich erzähle, dass rund 800 Menschen im Nationaltheater arbeiten, dass es Auftraggeber für zahlreiche Gewerke ist, dass bei bestimmten Festivals die Hotels und Gastronomie voll sind und wir dadurch in der Schweiz und sogar in New York in der Presse vorkommen und das auch Teil von Stadtmarketing ist, dann ändern sich die Diskussionen“, so Riehle, der nicht allein Bürgermeister für Kultur, sondern auch für Arbeit, Soziales und Wirtschaft ist. „Wenn ich diese Netzwerke und Verbindungen deutlich mache, bekommt die Kultur einen völlig anderen Stellenwert.“
Ziel ist der Austausch und das Netzwerken
Die Arbeitsgemeinschaft Kulturämter trifft sich zweimal im Jahr an wechselnden Orten. Offen sind die Treffen für Fachpersonal aus den Kulturverwaltungen der rund 200 Mitgliedsstädte. Aber auch Vertreter des Museumsverbands, von Kunstschulen und anderen Kulturverbänden und -einrichtungen sind willkommen. Im Vorstand sind zwölf Kulturamtsleiter, die die Themen setzen. Die Geschäftsstelle beim Städtetag kümmert sich um das Organisatorische. Ziel ist der Austausch zu aktuellen Themen und Herausforderungen sowie das Netzwerken.