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Mobilitätsgarantie: Noch fehlt es an der Finanzierung

Die Mobilitätsgarantie ist ein Baustein der Verkehrswende. Sie soll dazu beitragen, dass sich die Fahrgastzahlen bis 2030 - verglichen mit 2010 - verdoppeln. Grundlage dafür ist eine garantierte Erreichbarkeit aller Ortschaften von früh bis spät mit Bus und Bahn. Nicht geklärt ist jedoch die Finanzierung. Die SPD fordert nun, 100 Millionen Euro dafür im Landeshaushalt einzustellen.

Mit einer Mobilitätsgarantie sollen alle Orte im Land von früh bis spät mit Bus und Bahn gut erreichbar sein.

DPA/photothek/FlorianGaertner)

STUTTGART. Ganz gleich, ob man morgens um 5 Uhr zur Arbeit fahren muss, tagsüber schnell was erledigen will oder spät abends von einer Feier zurückkommt: All dies soll mit guten Verbindungen und guter Taktung mit dem öffentlichen Nahverkehr möglich sein. Das Zauberwort lautet Mobilitätsgarantie.

Die Idee dahinter: Alle Städte und Gemeinden sollen von fünf Uhr früh bis Mitternacht mit Bus und Bahn erreichbar sein. Im Ballungsraum soll in einer ersten Stufe bis 2026 zu den gängigen Verkehrszeiten mindestens ein 15-Minuten-Takt, im ländlichen Raum ein 30-Minuten-Takt erreicht werden. In den Randzeiten sollen Bus und Bahn mindestens alle 30 beziehungsweise 60 Minuten fahren, wobei gerade auch im ländlichen Raum auf On-Demand-Angebote mit Kleinbussen oder Sammeltaxis gesetzt wird. So haben Grüne und CDU es zumindest vor eineinhalb Jahren in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt.
Doch ein solcher Ausbau kostet Geld. Und das ist im Haushalt bislang nicht vorgesehen. Denn dort muss bereits der Landesanteil für das 49-Euro-Ticket gestemmt werden. Und auch die nun vom Bund erhöhten Regionalisierungsmittel werden wohl derzeit in erster Linie für die gestiegenen Energiekosten draufgehen, um den Status Quo zu halten.

Vorgesehen ist für die Mobilitätsgarantie eigentlich eine Drittelfinanzierung: Ein Drittel soll vom Land kommen, ein Drittel aus den Regionalisierungsmittel und ein Drittel zweckgebunden aus den Zuweisungen des Landes an die Kommunen.

Auch Fahrzeuge und Busfahrer fehlen

Die Kommunalverbände begrüßen grundsätzlich das Ziel, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen und zu verbessern. „Gerade im ländlichen Raum wird es dafür jedoch spezifische Lösungsansätze brauchen“, so ein Sprecher des Gemeindetags. Dort brauche man angesichts geringerer Fahrgastzahlen individuelle Angebote, etwa attraktive On-Demand-Angebote. Doch beim Gemeindetag weist man auch darauf hin, „dass ein Mehr an ÖPNV ein dauerhaftes Mehr an staatlicher Finanzierung erforderlich macht“.
Susanne Nusser, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Städtetags, erklärt, dass gerade in den Städten die geplanten Taktzeiten häufig bereits erfüllt oder übererfüllt würden. Hier gebe es andere Probleme, wie etwa mehr und längere Fahrzeuge. Auch sei unklar, woher etwa die zusätzlichen Busfahrer für die Erfüllung einer Mobilitätsgarantie im Land kommen sollten.

Flächendeckende Taktung notwendig

Der Landkreistag sieht die Mobilitätsgarantie als wichtigen Baustein für eine gelingende Mobilitätswende. Eine echte Stärkung des ÖPNV dürfte nur mit einer flächendeckend attraktiven Taktung gelingen. Allerdings könne nur realisiert werden, was auch finanzierbar sei, so Hauptgeschäftsführer Alexis von Komorowski.

Die Landkreise hätten die Prioritäten angesichts begrenzter Mittel anders gesetzt, als dies nun durch die Bund-Länder-Beschlüsse zum 49-Euro-Ticket geschehen ist. Sie wollten zunächst die Bestandsverkehre sichern, dann ÖPNV ausbauen und zuletzt – wenn noch Geld da ist – auch ein Nachfolgeprodukt für das 9-Euro-Ticket. „Denn es ist nun einmal so: Wo nichts fährt, hilft auch kein noch so günstiges All-inclusive-Ticket“, sagt Hauptgeschäftsführer von Komorowski.

Muss im Landeshaushalt entsprechend Geld für die Mobilitätsgarantie bereitgestellt werden?

Grüne und CDU verweisen auf die Bedeutung der Mobilitätsgarantie, die von FDP und AfD nicht gesehen wird. Die SPD hingegen fordert eine Anschubfinanzierung von 100 Millionen Euro im Landtag.

Silke Gericke, Grüne

Die Mobilitätsgarantie ist unser Leitbild. Unsere Vision ist es, dass sich bis 2030 doppelt so viele Menschen für Bus und Bahn entscheiden. Das ist nur mit unseren Stadt- und Landkreisen erreichbar und bedarf einer gemeinsamen Finanzierung durch Bund, Land und Kommunen. Das 49-Euro-Ticket, das durch viel Geld aus dem Landeshaushalt mitfinanziert wurde, ist bereits ein wichtiges Signal Richtung günstigeren ÖPNV. Der nächste große Schritt ist nun der Ausbau des ÖPNV-Angebots im ganzen Land.

Thomas Dörflinger, CDU

Die Mobilitätsgarantie ist eine große Chance für den ÖPNV, vor allem für den ländlichen Raum. Sie ist eines der wichtigsten Verkehrsprojekte des Koalitionsvertrags – zugleich aber auch mit Abstand das teuerste. Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Die (Mit-)Finanzierung des 365-Euro-Jugendtickets sowie des Deutschlandtickets wird das Land ab 2023 fast 300 Millionen Euro jährlich kosten. Dennoch wird es notwendig sein, auch weiterhin Mittel für den Ausbau des Angebots in die Hand zu nehmen.

Hans-Peter Storz, SPD

Es kann nicht sein, dass die Mobilitätsgarantie des Landes kaum eineinhalb Jahre nach der Unterzeichnung des grün-schwarzen Koalitionsvertrags nur noch ein unverbindlicher Wunsch sein soll. Für die SPD bleibt sie ein festes und wichtiges Ziel, weshalb wir im Landtag eine Anschubfinanzierung in Höhe von 100 Millionen Euro beantragen werden. Dieses Geld ist gut angelegt, und wenn die Verkehrswende nicht nur beschworen, sondern befördert werden soll, braucht es mehr als heiße Luft in Grün.

Dieter Scheerer, FDP

Würde es sich bei der sogenannten Mobilitätsgarantie um einen sinnvollen Vorschlag handeln, müsste auch Geld im Haushalt veranschlagt werden. Ich erachte es jedoch als völlig sinnfrei, noch in das entlegenste Dorf von 5:00 Uhr bis 24:00 Uhr im Halbstundentakt einen Bus fahren zu lassen. Grün-Schwarz verfährt nach dem bekannten Muster: Große Versprechungen und andere sollen zahlen. Das verbirgt sich hinter dem sogenannten Mobiltätspass. Abkassieren von Bürgerinnen und Bürgern.

Miguel Klauß, AfD

Die Mobilitätsgarantie ist ein Bürokratiemonster, die – wie die ganze sogenannte „Verkehrswende“ – Steuergeld verschlingt und deshalb abzulehnen ist. Die Probleme des ÖPNV sind mangelnde Zuverlässigkeit, mangelnde Sauberkeit, mangelnde Sicherheit. Daran ändert auch eine kostspielige Mobilitätsgarantie nichts, die dann dafür sorgt, dass im ländlichen Raum leere Busse umherfahren. In den letzten zehn Jahren stieg die Zahl der Fahrzeuge um eine Million, deshalb sind Investitionen in Straßen vorrangig.

Stefanie Schlüter

stellvertretende Redaktionsleitung und Redakteurin Politik und Verwaltung

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