Am Stammtisch mit Hubert Aiwanger

Wie der stellvertretende Ministerpräsident und Wirtschaftsminister von Bayern für die Freien Wähler Baden-Württemberg in einer Ellwanger Maschinenhalle Wahlkampf macht.

Hubert Aiwanger, Freie-Wähler-Chef, stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister in Bayern, bei einem Wahlkampfauftritt im baden-württembergischen Ellwangen.

Tobias Dambacher)

Ellwangen . Nach einer rund einstündigen kämpferischen Rede wird der Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger ganz kurz selbstkritisch. Ihm werde ja vorgeworfen, sagt er den rund 800 bis eintausend Zuhörern in der Maschinenhalle in Ellwangen-Neunheim, „Aiwanger, du machst Stammtisch-Politik“. Um gleich danach klarzustellen: „Jawoll, dazu stehe ich!“ Schließlich säßen am Stammtisch seine „Berater“, Leute, die es im Leben zu etwas gebracht hätten, aus dem richtigen Leben, „mit gesundem Menschenverstand“, Familienväter, Lehrer, Ärzte, Gastronomen.

Was Aiwanger sagt, kommt an

Stammtischpolitik am Samstagnachmittag also. Was Aiwanger sagt, kommt an. Es gibt bestätigende Zwischenrufe, viel Applaus, sogar im Stehen. „ FW-Bundestagskandidatin Gabriele Regele aus Abtsgmünd will Aiwanger am Ende seiner Rede „am liebsten hierbehalten“. Friedrich Ludwig, FW-Vorsitzender der Kreisvereinigung Schwäbisch Hall ruft ihm zu: „Wenn ich den Brautstrauß des Kanzlers hätte, dann würde ich ihn dir zuwerfen.“

Was ist passiert? Aiwanger sagt, was sein Stammtisch hören will, gibt den Kümmerer für die Landwirtschaft. Bäuerliche Kleinstrukturen müssten gegen Großinvestoren verteidigt werden. Es könne nicht sein, dass man heute mit staatlicher Beratung einen Schweinestall baue, der zwei Jahre später verboten werde. Offene Märkte ja, aber fair – und nicht heimische Ware künstlich durch Auflagen verteuern, die durch billige Konkurrenz aus dem Ausland ohne strenge Gesetze nicht mehr marktfähig sei. Man dürfe bei Lebensmitteln nicht auf Importe und Abhängigkeiten vom Ausland setzen, dieser Fehler habe sich während der Coronakrise mit Masken und Handschuhen gerächt. „In China bauen sie schon 20-stöckige Schweineställe, über die wir keine Kontrolle haben“, sagt Aiwanger. Komme das Schweinefleisch in Zukunft aus China, müsse man schon froh sein, wenn Schwein drinsteckt, wenn es draufsteht. Applaus.

Aiwanger spart nicht mit Kritik an Ampel-Regierung

Aiwanger schießt sich auf die Ampel-Regierung ein. Kliniken schließen und auf Gewinn trimmen, „aber Lauterbach legalisiert Cannabis“. Und überhaupt die Ideologien, die eine rationale Politik verdrängten: Fleisch soll ungesund sein, aber Cannabis gesund? Aiwanger redet sich in Rage, ballt die Faust, fuchtelt mit der Hand. Spricht vom geplanten Bundeswaldgesetz, mit dem man bald ohne Antrag keinen einzigen Baum mehr fällen dürfe. Wem falle so etwas ein? „Leute, die hinter dem Gummibaum im Büro aufgewachsen sind.“

Klare Botschaften auch in Sachen Migrationspolitik: „Einwanderer über sichere Drittländer lassen wir nicht mehr rein.“ Werde die „Masseneinwanderung“ nicht begrenzt, „fliegt uns das Land um die Ohren“. Auch das Bürgergeld sei ihn dieser Form ruinös. Damit würde sich Arbeit für viele nicht mehr lohnen. „Dann ist unser Staat kaputt.“ Die Erbschaftssteuer müsse weg und dürfe nicht mehr dazu verwendet werden, „noch mehr Fehlentwicklungen zu bezahlen“. Auch die Rentenbesteuerung sei falsch. „Die halbe Welt will nach Deutschland einwandern, aber unsere Leistungsträger wollen weg“, konstatiert Aiwanger und bilanziert wiederholt: „Es stimmt etwas nicht.“

Aiwanger setzt im Wahlkampf auf Traditionen und Werte

Am Schluss noch ein Bekenntnis zur Jagd als Jahrtausende alte Tradition und „normale Form der Naturnutzung“. Wer heute ein Fell trage sei „mindestens böse“, aber Hormonkleidung aus Erdöl sei in Ordnung. Wölfe, die Weidetiere angreifen, müsse man bejagen dürfen. Doch Deutschland bekomme nicht einmal den Wolfabschuss geregelt – wolle aber Terroristen bekämpfen.

Traditionen,  Werte, Wahlkampf – Aiwanger kommt an. Zufrieden fahren die meisten – knapp hundert Landwirte sind mit ihren großen Traktoren gekommen – nach Hause.

Rund 800 bis eintausend Zuhörer sind in die Maschinenhalle gekommen.

Tobias Dambacher

Tobias Dambacher (Jahrgang 1982) ist seit 2023 als Digitalchef der Redaktion beim Staatsanzeiger. Er volontierte 2003 bei der Schwäbischen Post in Aalen und studierte danach Politikwissenschaft in Eichstätt. 2009 kehrte er zur Schwäbischen Post zurück, wo er vor allem den digitalen Ausbau der redaktionellen Kanäle vorantrieb und als Chef vom Dienst für die Blattplanung mit zuständig war. Dort übernahm er ab 2019 als Online-Chef die Verantwortung für die Webseiten und sozialen Kanäle der Schwäbischen Post und Gmünder Tagespost. Für eine Glosse wurde er mit dem Erich-Schairer-Preis ausgezeichnet.

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