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Interview: Ulrich Silberbach

Beamtenbund-Chef Silberbach: „Ohne Lebenszeitprinzip finden wir keine Beamten“

Zwei Rekordtarifabschlüsse und ein Urteil zum Streikrecht, das in seinem Sinne ausfiel - Ulrich Silberbach ist mit seiner gegenwärtigen Bilanz zufrieden. Im Interview mit Michael Schwarz äußert sich der Chef des Deutschen Beamtenbunds auch zum Beamtenstatus und zum schwierigen Verhältnis zum Beamtenbund Baden-Württemberg.

Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach forderte die Politik zum Handeln auf: Die 65. Jahrestagung des Deutschen Beamtenbunds in Köln stand unter dem Motto „Starker Staat - wehrhafte Demokratie“.

Marco Urban, dbb)
Staatsanzeiger: Sie stehen seit sechs Jahren an der Spitze des Deutschen Beamtenbunds. Was war Ihr größter Erfolg? Und gab es auch Momente, als Sie an Ihrem Job gezweifelt haben?

Ulrich Silberbach: Letzteres gibt es bei mir nicht, weil ich ein grundoptimistischer Mensch bin. Ich verzweifele nicht an meinem Job, sondern an der politischen Landschaft, weil es Strömungen gibt, die diesem Land nicht guttun, die das politische und gesellschaftliche Leben in diesem Land zerstören könnten. Das ist eine der großen Herausforderungen.

Und das Positive?

Das Positivste in letzter Zeit waren nicht nur die beiden erfolgreichen Einkommensrunden, sondern auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Streikrecht für Lehrer. Ich bin sehr froh, dass die Richterinnen und Richter dies ausgeschlossen haben. Das unterstreicht unsere Rechtsposition eins zu eins. Für uns und unsere Bildungsgewerkschaften kann es kein Streikrecht für Beamte geben, auch nicht für Teilgruppen.

Das müssen Sie mir erklären. Sie sind einerseits dafür, dass Lehrer nicht streiken. Gleichzeitig legt Ihr Vize, GDL-Chef Claus Weselsky, die Republik mit seinen Streiks lahm.

Das ist relativ einfach zu erklären. Bis zur Privatisierung der Bahn waren Lokführer Beamte. Dann wären wir in einem streikfreien Raum gewesen und hätten dafür sorgen können, dass sich die Bahn positiv weiterentwickelt. Das hat die Politik nicht gewollt. Jetzt sind dort Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tätig, die das Recht haben, zu streiken.

Seit gut einem Jahr ist auch noch die Vereinigung Cockpit Mitglied beim Beamtenbund. Nehmen Sie jeden, der ordentlich auf die Pauke haut?

Nein, das ist nicht der Fall. Wenn Sie in die Geschichte schauen, dann waren auch Lufthansa-Piloten einmal Beamte. Privatisierung ist für uns kein Tabuthema. Aber überall, wo die Menschen in diesem Land Sicherheit, Leitplanken und Orientierung brauchen, ist es immer gut, einen leistungsstarken öffentlichen Dienst zu haben. Und der wird in der Regel von Beamtinnen und Beamten getragen.

2027 endet Ihre zweite und voraussichtlich letzte Amtszeit. Wen könnten Sie sich als Ihre Nachfolgerin oder Ihren Nachfolger vorstellen?

Dafür ist es jetzt noch viel zu früh. Ich habe vor ein paar Jahren einmal angedeutet, dass ich mir eine Frau als meine Nachfolgerin vorstellen kann. Aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Das entscheidet ein demokratisches Gremium, unser Gewerkschaftstag, im November 2027.

Sie sind Angestellter, Ihr Vorgänger war es auch. Kann ein Verband, der mehrheitlich Beamte vertritt, dauerhaft von einem Nicht-Beamten geführt werden?

Auch darüber muss der Gewerkschaftstag entscheiden. Und natürlich kann es auch wieder eine Beamtin oder ein Beamter sein. Ich glaube aber, bewiesen zu haben, dass es durchaus auch einem Angestellten möglich ist, diesen Karren erfolgreich zu ziehen.

Das Bundesverfassungsgerichts hat in seinen Urteilen zur Richterbesoldung auf das Abstandsgebot verwiesen, das nicht nur zur Grundsicherung, sondern auch zwischen den Ämtern einzuhalten sei. Wie verträgt sich das mit einem Sockelbetrag von 200 Euro, der auf die Beamten übertragen werden soll?

Den Sockelbetrag haben wir bewusst so gewählt, dass er die Tabelle nicht zerstört. Die Abstände sowohl vertikal wie horizontal sind immer noch gewährleistet. Was uns viel größere Sorgen macht, ist, dass wir auf der Bundesebene immer noch keine verfassungsgemäße Alimentation haben und dass wir nun neuen Druck haben durch die Einführung des Bürgergelds. Da müssen der Bund und die Länder noch einmal massiv nachlegen, um den Mindestabstand zur Grundsicherung wieder herzustellen.

Anders als der Bund haben alle Länder die Rechtsprechung aus Karlsruhe umgesetzt. Ist ihnen dies gelungen?

Die Länder sind auf einem sehr guten Weg. Unsere Landesbünde haben gute Arbeit geleistet. Auch die Übertragung des Tarifergebnisses funktioniert.

Baden-Württemberg plant da einen Sonderweg. Hier soll der Sockelbetrag durch eine prozentuale Anhebung ersetzt werden. Wie schätzen Sie das ein?

Da will ich mich nicht einmischen. Das ist die Aufgabe von Kai Rosenberger, dem Landeschef des Beamtenbunds, der dieses Modell mit der Landesregierung ausgehandelt hat. Wenn die Kolleginnen und Kollegen in Baden-Württemberg das gut finden, dann ist das okay.

Wie stehen Sie zur im Grundgesetz vorgesehenen Fortentwicklung des Beamtenrechts?

Das sehen wir positiv. Das Berufsbeamtentum muss in die Zeit gestellt werden. Fortentwickeln hat für uns einen positiven Touch. Wir haben jedoch Sorge, dass es politische Kräfte gibt, die meinen, fortentwickeln heißt wegentwickeln. Das ist mit uns nicht zu machen.

Ist das Lebenszeitprinzip in Stein gemeißelt?

Aus unserer Sicht ja. Sonst müssten wir mit den Beamtengehältern deutlich nach oben anziehen, um im Wettbewerb mit der freien Wirtschaft noch Nachwuchs zu finden. Beamte, die in ihrer aktiven Phase auf viel Geld verzichten, müssen sich darauf verlassen können, dass der Staat im Alter gut für sie sorgt.

Während der gerade zu Ende gegangenen Tarifauseinandersetzung hat man Sie in der halben Republik gesehen, aber nicht in Baden-Württemberg. Meiden Sie den Südwesten?

Nein, überhaupt nicht. Wenn eine Einladung aus Baden-Württemberg kommt, bin ich immer gerne dort. Mein Stellvertreter Volker Geyer, Fachvorstand Tarifpolitik, war bei der großen Demo in Stuttgart. Wir teilen uns während der Aktionsphasen die Republik immer auf, weil in einer Tarifauseinandersetzung sehr viel in einem sehr engen Zeitkorridor geschieht.

Baden-Württemberg stellt mehr als zehn Prozent der Mitglieder des Deutschen Beamtenbunds, aber seit einiger Zeit keinen Stellvertreter mehr – anders als Nordrhein-Westfalen und Bayern, die in der Bundesleitung bestens vertreten sind. Was ist da schiefgelaufen?

Beim letzten Gewerkschaftstag hat es wieder eine Kandidatur aus Baden-Württemberg gegeben (von Kai Rosenberger, Anm. d. Red.). Der Gewerkschaftstag hat sich anders entschieden. Das ist Demokratie.

Im Sommer wird der wichtige Posten des Fachvorstands Beamtenpolitik neu besetzt. Das wäre doch die Gelegenheit, dem Südwesten wieder mehr Gewicht zu verleihen.

Ich warte auf die Kandidaturen. Wir haben uns darauf geeinigt, das Thema jetzt im Frühjahr anzugehen. Dann ist jeder eingeladen, sich ins Gespräch zu bringen.

Das darf dann auch jemand aus Baden-Württemberg sein?

Ich schließe da nichts aus. Ich habe keine Favoriten.

Michael Schwarz

Redakteur Politik und Verwaltung

0711 66601-599

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