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Bejagung vom Wolf: Naturschützer und Landwirte gegensätzlicher Meinung

Derzeit gibt es drei Wolfsrüden im Südwesten. Die einen, darunter Naturschützer, feiern die Wiederansiedlung sesshafter Wölfe als einen Erfolg im Kampf gegen das Aussterben von Tierarten. Die anderen, etwa Landwirte, betrachten die Entwicklung dagegen mit großer Sorge. Immerhin wurden im Vorjahr bei 13 Übergriffen 42 Nutztiere gerissen.

Wolfsrudel gibt es bislang im Südwesten keine, drei Wolfsrüden gelten aber als sesshaft.

DPA/imageBROKER/David & Micha Sheldon)

STUTTGART. Der erste Handlungsleitfaden ist inzwischen sechs Jahre alt. Als das Wolfsmanagement konzipiert wurde, war noch gar kein Tier im Land nachgewiesen. Inzwischen sind drei Wölfe als sesshaft bestätigt, einer im Nordschwarzwald, einer im Südschwarzwald und ein weiterer im Odenwald. Während der Reise des Agrarausschusses im Landtag nach Südfrankreich war auch Thema, wie die Ansiedlung von Rudeln verhindert werden kann. Gesprächspartner in der Region Auvergne-Rhône-Alpes machten deutlich, dass sich die Gefahr für Nutztiere dann potenzieren, wie ein Landwirt sagte.

Im Gespräch ist, dass Baden-Württemberg gemeinsam mit den anderen Partnern der „Vier Motoren“ – Auvergne-Rhône-Alpes, Katalonien und der Lombardei – in Brüssel vorstellig wird, um auf eine Neubewertung der Problematik zu drängen. Denn bisher sind Ausnahmen vom umfassenden Schutz nur in Einzelfällen möglich.

Wolf ist streng geschützt

Der Wolf unterliegt verschiedenen europäischen Rechtsvorschriften und ist nach der Fauna-Flora-Habitat-(FFH)-Richtlinie EU-weit streng geschützt. Für Deutschland leitet sich daraus das Bundesnaturschutzgesetz ab, nach dem es strafrechtlich verboten ist, Tiere zu fangen, zu verletzen oder zu töten. Geregelt ist auch, dass die Bundesländer keine eigenen, den internationalen Rahmen nicht erfüllenden Vorgaben machen dürfen. Der Druck steigt dennoch oder gerade deshalb. Der Deutsche Bauernverband geht von einem Wolfsbestand von bis zu 2300 Tieren republikweit aus. „Der immer geforderte Erhaltungszustand des Wolfes ist längst erreicht“, heißt es in einer Stellungnahme, „deshalb dürfen Politik in Bund und Ländern eine Regulierung nicht länger aussitzen.“

Mit jedem Jahr ohne aktives Wolfsmanagement nähmen „die Risse von Schafen, Ziegen, Rindern, Pferden und landwirtschaftlichen Wildtieren exponenziell zu“. Wenn es so weitergehe, „wird es keine weiteren zehn Jahre dauern, bis die Mehrheit der Weidetierhalter das Handtuch geworfen hat und es wird den Weidegang von Schafen, Ziegen, Rindern und Pferden nur noch in aufwendigen Hochsicherheitstrakten geben“.

Laut Naturschützer hohe Akzeptanz in der Bevölkerung

Naturschützer halten dagegen und argumentieren nicht nur mit der Notwendigkeit, Wölfe auch im Südwesten wieder anzusiedeln, sondern auch mit der Akzeptanz in der Bevölkerung. Nach einer bundesweiten Erhebung aus dem Vorjahr finden es 77 Prozent der Befragten „erfreulich“, dass Wölfe wieder hier leben, weil sie „genauso wie auch Füchse, Rehe oder Biber in unsere Landschaft gehören“.
Das Umweltministerium verweist darauf, wie die Nachweismöglichkeiten verfeinert seien. Durch genetische Untersuchungen von Losungen oder Rissabstrichen sei es zum Teil möglich, verschiedene Wölfe zu unterscheiden. Dokumentiert sind seit 2015 mehrere Hundert Vorkommnisse, gut zwei Dutzend davon genetisch zugeordnet.

Auch die Herkunft der Wölfe ist bekannt, unter anderem aus Österreich, Italien und Niedersachsen. Einzelne Tiere können so ausgenommen werden. „Der am 18. Februar 2019 auf der A 6 bei Neuenstein im Hohenlohekreis überfahrene Wolf wird nicht in der Tabelle geführt“, heißt es etwa, „weil er aus einem Tierpark in Hessen entlaufen und somit kein Wildtier war.

Unter welchen Voraussetzungen soll der Wolf bejagt werden können?

Bei diesem Thema sind sich die Koalitionäre nicht einig: Die Grünen halten den Status quo für ausreichend – wie im Übrigen auch die SPD -, die CDU sieht gesetzlichen Handlungsbedarf. Ähnlich wie die CDU positionieren sich FDP und AfD.

Markus Rösler, Grüne

„Es ist nicht nötig, den Wolf ins Jagd- und Wildtiermanagementgesetz und damit ins Jagdrecht aufzunehmen, auch weil dies zu Verzögerungen bei Abschüssen führen würde. Wölfe mit auffälligem Verhalten können bereits mithilfe des Bundesnaturschutzgesetzes entnommen werden. Wir haben mit Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland eine Vereinbarung, dies bei Bedarf schnell umzusetzen. Zudem haben wir eine weitgehende und effektive Herdenschutzförderung. Der Südwesten ist gut aufgestellt.“

Sarah Schweizer, CDU

„Deutschland verfügt über die weltweit höchste Wolfsdichte. Der Bestand wächst um etwa ein Drittel jährlich. In Baden-Württemberg haben wir aktuell nur drei residente Einzeltiere. Die Schäden durch Nutztierrisse und die Auswirkungen auf die Weidetierhaltung sind aber heute schon enorm. Wir werden sehr bald ein europarechtskonformes Wolfsmanagement brauchen, das die Entnahme von Problemwölfen beinhaltet. Entscheidend ist dann eine Zielgröße für eine an unsere heimische Natur und Landwirtschaft angepasste Wolfspopulation.“

Gabi Rolland, SPD

„Es ist zu begrüßen, wenn ein zuvor ausgerottetes Wildtier wieder heimisch wird im Land. Wölfe sind keine nennenswerte Gefahr für Menschen. Nutztiere können durch Wolfszäune und Hunde gut geschützt werden. Es bleibt deshalb richtig, was das Naturschutzgesetz vorsieht: Wölfe dürfen nur dann gezielt geschossen werden, wenn sie verhaltensauffällig und gefährlich werden und zum Beispiel gelernt haben, Wolfszäune zu überwinden. Wolfsrisse gab es im Land bisher nur dort, wo diese Schutzvorrichtungen fehlten.“

Klaus Hoher, FDP

„Sobald sich der Wolf als Problemtier erweist, wie durch Überfälle aufs Schafsgehege, müssen Jäger das Recht haben, ihn zu erlegen. Der Wolf muss mit ganzjähriger Schonzeit ins Jagd- und Wildtiermanagementgesetz überführt werden. Das Gesetz schafft einen verlässlichen Rechtsrahmen und macht ein abgestimmtes Handlungsmanagement zwischen Jagd und Naturschutz möglich. Eine Unterstellung unter das Schutzmanagement dient dem Wolf und steht nicht im Widerspruch zur europäischen FFH-Richtlinie.“

Udo Stein, AfD

„Der Wolf muss baldmöglichst ins Jagdrecht überführt werden, wie wir oft und weit vor allen anderen Landtagsparteien forderten. Die seit 2020 im Naturschutzgesetz verankerten erleichterten Managementmaßnahmen haben keinerlei Entlastung gebracht. Da die Wolfspopulation – Experten gehen von circa 2000 Wölfen in bis zu 40 Rudeln aus – und die Weidetierrisse stetig steigen, ist, wie Trochtelfingen aktuell zeigt, die sofortige Festlegung einer Obergrenze wie in den EU-Ländern Schweden und Finnland notwendig!“

Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer

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