Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Interview: Iris Rauskala, Rektorin der Hochschule Ludwigsburg

Iris Rauskala: „Der öffentliche Dienst ist jetzt wieder einmal sehr attraktiv“

Was sich seit Amtsantritt an der Hochschule Ludwigsburg geändert hat, welche Studiengänge besonders gefragt sind und warum sie die Kapazitäten ausbauen möchte, erläutert Rektorin Iris Rauskala im Interview. Und sie zeigt, welche Chancen das Bürgermeisteramt bietet – und wie das Amt für Frauen attraktiver werden könnte.

Iris Rauskala im Rektorat mit Rafael Binkowski (l.) und Christoph Müller. Foto: Achim Zweygarth

Achim Zweygarth)

Staatsanzeiger: Sie sind drei Jahre im Amt. Was sind Ihre größten Erfolge?

Iris Rauskala: Erfolg, das ist so ein starkes Wort. Wir haben den Struktur- und Entwicklungsplan verabschiedet, der uns hilft, uns zumindest in eingeleiteten Entwicklungsbahnen zu bewegen. Das ist nach dem, was die Hochschule hinter sich hat, ganz wohltuend. Wir sehen, wo wir gezielter in der nächsten Zeit an Entwicklungsschritten zu arbeiten haben. Und wir können das durchaus mit Rückenwind in Angriff nehmen.

Inwiefern?

Die Hochschule gestaltet sich aus meiner Sicht moderner, offener nach außen, sowohl die Inhalte als auch den Außenauftritt betreffend. Die Kollegenschaft hat verschiedene Gesprächsformate unter dem Dach der Ludwigsburger Gespräche entwickelt, die in der Außenwelt sehr guten Anklang finden. Und wir haben unser Corporate Design und den Internet- und Social-Media-Auftritt verändert.

Es gab vor ein paar Jahren Schwierigkeiten, alle Studienplätze zu belegen. Wie sehen aktuell die Zahlen aus?

Die Anmeldezahlen sind sehr gut, sowohl beim Public Management als auch beim DVM, also dem Digitalen Verwaltungsmanagement . Wir werden demnach in Ludwigsburg zum jetzigen Zeitpunkt mehr als voll. Es ist üblicherweise für die Qualität des Studiums auch ganz gut, wenn man nicht unbedingt jeden oder jede nehmen muss.

Also gibt es tatsächlich wieder mehr Interesse am öffentlichen Dienst?

Meistens ist ja dann das Interesse größer, wenn allgemein eher Unsicherheit herrscht. Und die Privatwirtschaft schwächelt zurzeit. Deswegen ist der öffentliche Dienst jetzt wieder einmal sehr attraktiv. Das kann sich aber relativ zügig wieder ändern. So gesehen wissen wir, dass wir weiterhin Hausaufgaben zu erledigen haben.

Welche Studienangebote sind gerade besonders im Trend?

Erfreulicherweise ist im DVM, dem Digitalen Verwaltungsmanagement, ein starker Anstieg der Bewerbendenzahlen festzustellen. Da bilden wir in Kehl und in Ludwigsburg pro Jahr zusammen 50 Personen aus. Die Zahl könnten wir leicht verdreifachen. Dieser Studiengang ist ja während Corona eingeführt worden und hatte ein bisschen Schwierigkeiten mit der Bekanntheit, zieht mittlerweile aber völlig davon.

Wie steht es mit anderen Studienangeboten?

Auch bei den anderen Bachelorprogrammen sieht es recht gut aus, dies e werden von den Ausbildungsstellen beschickt. Darüber hinaus bieten wir zwei Masterprogramme an, den konsekutiven Masterstudiengang European Public Management, und den berufsbegleitenden Master Public Management, der auf die Führungslaufbahn vorbereitet. Diesen Studiengang könnten wir sofort doppeln. Wir hätten also Potenzial, in Zukunftsfeldern noch mehr Studienplätze anzubieten. Aber da brauchen wir unsere Umsetzungspartner, also das Lan d und die Kommunen.

Welche Dimensionen schweben Ihnen denn konkret vor?

Wir haben erfreulicherweise jetzt einen Aufwuchs von 800 auf 900 Studienplätze im aktuellen Aufnahme verfahren in Public Management. Dann steht die Frage eines weiteren Aufwuchses im Raum, von 900 auf 1000 im nächsten Jahr. Da werden wir sehen, ob das politisch durchzusetzen ist. Besonders beim Digitalen Verwaltungsmanagement würden wir gerne die Kapazitäten erweitern. Mit 50 Absolventen pro Jahr ist der Bedarf an digital kompetenten Mitarbeitenden nicht einmal annähernd gedeckt .

Wollen Ihre Studierenden nach wie vor auch Bürgermeister werden? Die Hochschulen für Verwaltung gelten ja als Bürgermeisterschmieden.

Na ja, das ist jetzt schon sehr unterschiedlich. Es gibt die Personen, die das unbedingt wollen, von Anfang an, und es gibt solche, die es sich gar nicht vorstellen können. Und es gibt ein Potenzial an Personen, die man stärker – ich möchte einmal sagen – bearbeiten muss. Wenn sie dann hören, was dieses Amt so zu bieten hat, wenn man auch Problemlösungen oder Zugänge für wahrgenommene Schwierigkeiten aufzeigt, etwa für die Herausforderungen, die es durch Anfechtungen oder gar Beleidigungen über Social Media gibt, oder eben bei der Zeitgestaltung, dann sind einige durchaus davon zu überzeugen, dass das Bürgermeisteramt eine schöne Sache ist.

Das ist doch ein attraktiver Job …

Bürgermeisterin, Bürgermeister oder auch Hauptamtsleitung und Kämmerei, das sind absolut tolle Jobs, in denen man sehr hohe Gestaltungsmöglichkeit hat. Heute mehr denn je. Denn wenn die Zeiten schwieriger werden, gibt es vieles zu entscheiden und zu gestalten.

Sie haben einen sehr hohen Frauenanteil an der Hochschule. Doch in Führungspositionen, gerade auch ins Bürgermeisterinnen-Amt, streben am Ende noch recht wenige. Woran liegt das?

Es gibt immer noch eine gläserne Decke. Die ist vom Studium in die Führungstätigkeiten hin durchaus feststellbar. Das liegt an bekannten Themen, wie tradierten Familienbildern oder Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Selbst wenn man die Bürgermeister-Kaderschmiede ist, muss man berücksichtigen, dass viele zu dem Zeitpunkt, wenn sie sich für ein Studium bei uns entscheiden, gerade die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im öffentlichen Dienst reizt.

Lässt sich das ändern?

Es gibt sehr, sehr viele junge, talentierte Frauen, die das Zeug zur Bürgermeisterin haben. Doch viele trauen sich vielleicht noch nicht. Letztens haben mich weibliche Studierende in einem Interview gefragt: Wie geht es Ihnen als weibliche Führungskraft denn mit Emotionen? Da kommt ja zum Ausdruck, dass man bei den Frauen Emotionalität immer noch negativ bewertet. Das sind klischeehafte Zuschreibungen, die in anderen Staaten so gar nicht bestehen. In Finnland beispielsweise würde eine Bürgermeisterin sagen, was gut für das Gemeinwohl ist, ist immer rational und emotional. Anders kommt man gar nicht zu einer sinnvollen Entscheidungsfindung. Das wird in Deutschland und auch in Österreich oft noch anders bewertet.

Work-Life-Balance ist ja nicht nur für Frauen wichtig, sondern mittlerweile generell für die neue Generation. Was sagen Sie denn jungen Menschen, die keine 80-Stunden-Woche oder am Wochenende arbeiten wollen?

Dass das ja nicht unbedingt erforderlich ist (lacht). Dafür braucht es eine vernünftige Aufteilung in der Partnerschaft. Das ist jetzt allerdings nicht der Auftrag der Hochschule. Da ist ein Schritt in der gesellschaftlichen Entwicklung zur Gleichberechtigung notwendig, dass ein Paar, egal wie das jetzt gestaltet ist, gemeinschaftlich für die Kindererziehung zuständig ist und ebenfalls gemeinschaftlich für die Karriereentwicklung.

Was kann die Hochschule da tun?

Immer wieder junge Bürgermeister an die Hochschule holen und vorstellen, wie zum Beispiel Christoph Herre aus Walheim, der mit 24 Jahren aktuell der jüngste Bürgermeister ist. Da gibt es aber noch eine ganze Reihe weiterer junger Amtsinhaber:innen. Wenn man unseren Studierenden Vorbilder vor Augen führt, sehen sie, dass und wie sich Beruf und Privatleben vereinbaren lassen.

Relativ neu bieten Sie in Ludwigsburg die Möglichkeit zur Promotion, auch in Kooperation mit anderen Hochschulen. Wie läuft das an?

Das läuft bestens. Unser Promotionskolleg mit Tübingen und Hohenheim ist in voller Fahrt, da werden insgesamt elf Doktoratsstudierende auch von Professorinnen und Professoren unseres Hauses betreut. Und im Promotionsverband der Hochschulen für angewandte Wissenschaften wurde jüngst die juristische Forschungseinheit ausgegründet, welche demnächst die erste Promotion aus unserem Haus hervorbringen wird.

Das ist ja auch ein Signal, man kann an der Hochschule Ludwigsburg alles erreichen …

So ist es, wenn auch vielleicht über Umwege. Gerade im Promotionsverband sind die Hürden hoch, weil man bei der juristischen Promotion im direkten Wettbewerb mit Universitäten steht. Da kann man sich keinen Qualitätsverlust erlauben.

Iris Rauskala ist seit Mai 2022 Rektorin der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg. Foto: Achim Zweygarth

Zur Person

Die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin Iris Eliisa Rauskala ist gebürtige Finnin. Zur Schule gegangen und studiert hat sie in Österreich. Dort war sie auch als Hochschuldozentin und Spitzenbeamtin tätig – und ab Juni 2019 rund ein halbes Jahr als Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung in einer Übergangsregierung aus Experten.

Die Wahl der Digital- und Bildungsexpertin zur Rektorin der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg Ende 2021 galt damals als „Sensation“; für sechs Jahre gewählt, übt Rauskala dieses Amt seit Mai 2022 aus.

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 199 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesen Sie auch