„Eine Meldepflicht aller Krätze-Fälle wäre sinnvoll“

Das Gesundheitsamt Biberach ruft zu einem offenen Umgang mit der hoch ansteckenden Hautkrankheit Krätze auf. Da eine Meldepflicht nur für Gemeinschaftseinrichtungen besteht, ist die Dunkelziffer hoch. Doch tendenziell breitet sich die Krankheit aus.

Knapp 50 Fälle von Scabies (Krätze) hatte das Gesundheitsamt Biberach Anfang Juni verzeichnet.

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Wie ist die aktuelle Situation im Landkreis Biberach?

Knapp 50 Fälle von Scabies (Krätze) hatte das Gesundheitsamt Biberach Anfang Juni verzeichnet. „Wir gehen davon aus, dass wir aktuell nur die Spitze des Eisbergs sehen“, sagte damals Amtsleiter Claus Unger. Denn nur Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten und Pflegeheime, Schulen, Asyl- und Obdachlosenunterkünfte seien meldepflichtig. „Wir sehen in der Regel nur dort, was sich in der Bevölkerung des Landkreises abspielt.“ Er rief betroffene Personen und Einrichtungen auf, offen mit der Erkrankung umzugehen und Kontaktpersonen zu informieren. Mitte August gab es im Landkreis Biberach offiziell 67 Krätze-Fälle.

Wie sieht es im Land aus?

Aufgrund der eingeschränkten Meldepflicht gibt es kein Gesamtbild. Fallzahlen müssen bei den einzelnen Gesundheitsämtern angefragt werden. Die dem Landesgesundheitsamt vorliegenden Daten seien unvollständig, Vergleiche mit Vorjahresdaten seien nicht aussagekräftig, heißt es aus dem Sozialministerium.

Braucht es eine Meldepflicht für die hochansteckende Hautkrankheit Krätze?
  • Ja 80%, 35 Stimmen
    35 Stimmen 80%
    35 Stimmen - 80% aller Stimmen
  • Nein 20%, 9 Stimmen
    9 Stimmen 20%
    9 Stimmen - 20% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 44
31. August 2023 - 7. September 2023
Die Umfrage ist beendet.

Welche Reaktionen gab es zum Aufruf, offen mit Krätze umzugehen?

„Wir erhalten ausnahmslos positives Feedback“, sagt Konstanze Nickolaus, Mitarbeiterin im Kreisgesundheitsamt. Zunehmend würden Angebote angenommen, Informationsveranstaltungen in Gemeinschaftseinrichtungen für Mitarbeitende, aber auch Angehörige der Bewohner und Betreuten zu veranstalten.

Hat sich die Zahl der Meldungen mit der Kampagne verändert?

„Tendenziell werden nach wie vor deutlich mehr Krätze-Fälle gemeldet als vor der Corona-Pandemie“, sagt Nickolaus. „Ob dies eine Folge unserer Informationskampagne in Gemeinschaftseinrichtungen oder dem generell vermehrten Auftreten von Krätze geschuldet ist, ist schwer zu beantworten.“  Man sehe nur die aus Gemeinschaftseinrichtungen gemeldeten Fälle. Fehle einer Einrichtung trotz breiter Information des Gesundheitsamts das Bewusstsein zur Meldepflicht, erfahre das Kreisgesundheitsamt nichts von einem Infektionsgeschehen. „Aus der Ärzteschaft in Biberach ist aber zu hören, dass die Zahl von Krätze-Fällen in den Praxen stark zugenommen hat“, erklärt Nickolaus. „Ohne Meldepflicht der niedergelassenen Ärzte kennen wir die genauen Zahlen jedoch nicht.“

Wie ist der Umgang mit Krätze auf Landesebene geregelt?

Für die Erkrankung gibt es in Deutschland keine krankheits- oder erregerspezifische Meldepflicht, das heißt Arzt- oder Labormeldung, so das Sozialministerium. Es bestehe jedoch eine Benachrichtigungspflicht nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG). Dabei müssen die Leitungen von Kindergärten und Schulen (Gemeinschaftseinrichtungen gemäß Paragraf 33 IfSG) und von Pflegeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften (entsprechend der Paragrafen 35 bis 36 IfSG) es melden, wenn in ihrer Einrichtung betreute oder betreuende Personen an Krätze erkrankt sind oder der Verdacht besteht. Diese Benachrichtigungen sind nicht übermittlungspflichtig, müssen also vom Gesundheitsamt nicht an das Landesgesundheitsamt übermittelt werden. Generell werden die Melde- und Übermittlungspflichten nach dem Infektionsschutzgesetz auf Bundesebene festgelegt.

Reichen die bisherigen Maßnahmen der Krätze-Bekämpfung aus?

„Die bisherigen Maßnahmen reichen aus unserer Sicht bei Weitem nicht aus, die Krätze-Problematik in den Griff zu bekommen“, sagt Gesundheitsamtsmitarbeiterin Nickolaus. „Eine generelle Meldepflicht aller diagnostizierten Krätze-Fälle wäre sicher hilfreich, das wahre Ausmaß des Problems zu erkennen.“ In jedem Fall müssten die Behandlungsmöglichkeiten deutlich vereinfacht werden. Aktuell könne das Gesundheitsamt nur durch breite Informationsangebote an die Gemeinschaftseinrichtungen und in sehr begrenztem Maße auch bei der Suche nach behandelnden Ärztinnen und Ärzte für betroffene Einrichtungen unterstützen. „Letzteres ist aber nicht Aufgabe des Gesundheitsamts“, erklärt Nickolaus. „Vielmehr müsste auch beim Thema Krätze eine auskömmliche ärztliche Versorgung durch die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg sichergestellt werden“, meint die Expertin.

Milben in der Haut sorgen für den Juckreiz

Krätzmilben sind auf den Menschen spezialisierte Hautparasiten. Weibliche Krätzmilben graben sich in die Hautoberfläche des Menschen, hinterlassen in den Grabgängen Kot oder legen ihre Eier ab. Es dauert zwei bis fünf Wochen, bis Juckreiz oder Hautausschlag signalisieren, dass etwas nicht stimmt. Durch engen (Haut-)Kontakt wird die Milbe auf andere Menschen (rück-)übertragen und ist deshalb sehr ansteckend. Die Krankheit kann mit Salben oder Medikamenten behandelt werden, es besteht die Gefahr einer Wiederansteckung.

Beate Mehlin

Korrektorat und freie Mitarbeiterin beim Staatsanzeiger

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