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Hochschule für Polizei

So werden Polizeianwärter auf das Berufsleben vorbereitet

An der Hochschule für Polizei werden die Anwärter für den gehobenen Dienst auf das Berufsleben vorbereitet. Im Einsatztraining wird vermittelt, wie man schießt, wie man mit dem Schlagstock umgeht und wie man sich und die Kollegen schützt. Das A und O ist üben, üben, üben.

Trainer Enno (links) beaufsichtigt das Schlagstocktraining an der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen.

Jennifer Reich)

Villingen-Schwenningen. „Wann entsichere ich meine Waffe?“, fragt Einsatztrainer Kai in die kleine Runde von fünf Polizeianwärtern. Sie haben Schießtraining, eine Trockenübung. Die Studierenden machen sich gerade mit der Maschinenpistole (MP) vertraut. „Bevor ich sie hochnehme“, antwortet einer der Anwärter. Das richtige Halten der Waffe spielt genauso eine Rolle wie die Körperhaltung und der Stand. Auf alles wird penibel geachtet.

„Da sind wir pingelig“, sagt Bernd Grünbaum und grinst. Er leitet die Fachgruppe Einsatztraining an der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen . Er zeigt auch gleich warum. Er nimmt eine der Maschinenpistolen und führt vor, was passiert, wenn etwa die Füße nicht mit aufs Ziel ausgerichtet sind. Man zielt automatisch vorbei. „Hat man die richtige Fußstellung, trifft man blind.“

Oft sind es die kleinen Dinge, auf die es ankommt. Und die müssen sitzen, das weiß Greeni, wie Grünbaum an der Hochschule von seinen Kollegen und unter Studierenden genannt wird. Vor seiner Tätigkeit an der Polizeihochschule war der Erste Polizeihauptkommissar viele Jahre beim Spezialeinsatzkommando (SEK), davor bei der Bundeswehr. Das Wissen, das er sich in zahlreichen Einsätzen angeeignet hat, will er weitergeben. Er brennt geradezu dafür. „Vieles kann man nicht einfach nur erzählen, das muss man zeigen, die Studierenden müssen das ausprobieren.“ Und dabei dürfen sie Fehler machen, denn daraus lernen sie. „Und dann macht man sie im Einsatz, wenn es darauf ankommt, im besten Fall nicht mehr“, sagt Grünbaum.

Im Einsatztraining werden die Anwärter unter Stress gesetzt

„Entschlossene Sicherungshaltung“, sagt Kriminalhauptkommissar Kai gerade. Die fünf Polizeianwärter verändern ihren Stand und führen die MP 7 vor sich an die Brust. Den Daumen auf der Sicherung. Auch so eine Kleinigkeit, auf die Grünbaum hinweist. Sichert man die Waffe nicht, könnte sie sich beim Hochnehmen unbemerkt entsichern, was gefährlich werden kann. Damit im Ernstfall eine schnelle Schussabgabe funktioniert, muss alles stets gleich laufen.

Kai macht die Haltungen vor und erläutert immer wieder, wie was funktioniert. „Weiß jemand wie der Fliegergriff beim Baby geht?“, fragt er gerade und formt die Haltung, die er meint. „Wahrscheinlich noch nicht“, fügt er hinzu und schmunzelt. Die Stimmung ist locker, immer wieder gibt es ein Späßchen zwischenrein. Und doch geht die Ernsthaftigkeit der Ausbildungsinhalte dabei nie verloren. Es ist eine angenehme Atmosphäre. Auch wenn den Anwärtern ganz schön was abverlangt wird.

Zum Beispiel beim „Abwehr- und Zugriffstraining“. Geübt wird da gerade mit dem Schlagstock. Schon aus einiger Entfernung ist zu hören, dass es gerade zur Sache geht. Immer wieder Rufe, Schuhe quietschen auf dem Hallenboden, das Aufprallen der Schlagstöcke. „Die Studierenden werden auch mal unter Stress gesetzt“, erklärt Trainer Polizeihauptkommissar Enno. Gerade werden sie sogar ein wenig aufgestachelt. Sie sollen lernen, mit dem Schlagstock richtig zuzuschlagen. Damit es für das Gegenüber, einen Mitstudenten, nicht schmerzhaft wird, ist ein Reifen im Einsatz. Der hält die Schläge ab.

Die Studierenden, die den Reifen halten, weichen automatisch zurück. Enno schiebt immer mal wieder einen in die andere Richtung, sie sollen gegenhalten. „Polizei, treten Sie zurück“, ruft einer der Anwärter. Dass ein Trainer verletzt wird, kommt immer mal wieder vor. Kein Wunder, so eng wie die Reihe der Anwärter steht, die den Schlagstock führen.

Zwischendurch werden Liegestütze gemacht. Die Anstrengung steht allen ins Gesicht geschrieben. Doch die körperliche Fitness ist bei der Polizei das A und O. Da müssen sie durch. Grünbaum sagt, dass es wichtig ist, dass die angehenden Polizisten lernen, richtig zuzuschlagen. Im Ernstfall ist das ihre Lebensversicherung. Eigenschutz steht bei der Polizei ganz oben auf der Agenda.

Auch die einfachsten Handgriffe müssen sitzen, weil: „Stress macht blöd“

So auch bei der „Taktischen Verwundeten-Versorgung“. Da geht es etwas ruhiger zu. In Zweierteams wird gelernt, wie man einen verletzten Kollegen versorgt. Zunächst einmal muss der Täter – sollte er noch nicht gefasst sein – unschädlich gemacht werden. Erst dann wird der Verwundete versorgt. Der muss zunächst entwaffnet werden, die Schutzkleidung ausgezogen. Auch da muss man wissen, wie man wo hin greift. Die Polizisten gehen dabei immer nach demselben Schema vor. Die Dinge zu wiederholen, auch die einfachsten Handgriffe, das ist Grünbaum immens wichtig. Weil: „Stress macht blöd.“

Damit das Erlernte in unübersichtlichen, dynamischen, vielleicht gar lebensgefährlichen Einsätzen abgerufen werden kann, müssen die Polizisten sie quasi im Schlaf beherrschen. „Die Grundlagen müssen sitzen“, sagt Grünbaum. „Üben, üben, üben – ohne geht es nicht.“ Und zwar so, wie es später im Dienst ist. Die Studierenden tragen die Uniform, die sie später auch tragen, arbeiten mit der Ausrüstung – Waffen, Bodycam, Funkgerät – die sie draußen einsetzen werden. All dies wird ins Training eingebunden.

Alles miteinander wird dann im Integrationstraining (IGT) geübt. Da wird das Erlernte in einem größeren Einsatzszenario miteinander kombiniert. Da sind dann auch Psychologen dabei, es geht darum, wie man aufgeheizte Situationen deeskaliert.

Wichtig ist Grünbaum dabei, die Anwärter auf Dinge vorzubereiten, die viele schon erlebt haben. Zum Beispiel, dass man nach einer Schuss abgabe zittert. Das sei völlig normal, da brauche sich keiner dafür schämen. Oder dass man, wenn man in voller Montur in den sechsten Stock gerannt ist, außer Atem ist. Grünbaum gibt den Studierenden mit, was man in solchen Situationen machen kann.

Etwas weiter gibt es einen Raum, in dem eine Wohnung nachgestellt ist. „Achtung Schießbetrieb“ steht auf einem Schild, das leuchtet, wenn das Training stattfindet. An diesem Vormittag ist das Licht aus. Grünbaum erklärt, dass es wichtig ist, dass man die Treffer sieht. Es wird mit Farbmunition geschossen. „Es geht um mehr als Peng-Peng, ich habe getroffen. Das Ganze soll nicht spielerisch werden.“ Wird man getroffen, tut das zum einen weh und man weiß auch, dass man einen Fehler gemacht hat.

Wird im Einsatz geschossen, bewegt sich der Polizist, der Täter, Personen im Umfeld

So bekommen die Polizeianwärter ein Gespür dafür, wie sie sich schützen können. Und auch, wie schwer es ist, eine Person zu treffen, die sich bewegt. Und wie schwer es ist, auf einen Menschen zu schießen. „So eine Situation wird nie statisch sein“, erklärt Kai. Wird im Einsatz geschossen, bewegt sich der Polizist, der Täter, Personen im Umfeld. „Ich muss trotzdem entscheiden, kann ich schießen, kann ich nicht schießen? Gefährde ich eine Person im Hintergrund?“ All das wird geschult.

Im Einsatz gilt es viele Entscheidungen in kürzester Zeit zu treffen, deshalb müssen die Grundlagen einfach sitzen.

Die Rolle des Täters übernimmt im IGT immer ein Einsatztrainer. Der entscheidet, je nach Situation, wie er vorgeht. Machen die Anwärter gravierende Fehler, geht der Trainer dann auch so weit, dass er angreift. Wenn sie alles richtig machen, dann kommt es nicht zum Angriff. „Wir legen sehr großen Wert drauf, dass die Übungsszenarien der Realität entsprechen“, so Grünbaum. Dass beim Farbmarkierungstraining in der Übungswohnung geschossen wird, ist daher nicht die Regel, sondern die Ausnahme.

Grünbaum und seine Kollegen, darunter eine Kollegin, machen ihren Job gerne. „Die Studierenden, die hier sind, die wollen was lernen“, sagt Grünbaum. „Man hat es mit motivierten jungen Leuten zu tun, das macht Spaß.“ Viele der Trainer waren vorher beim SEK, oder beim MEK – die Abkürzung steht für Mobiles Einsatzkommando. „Mit dem Wissen, das wir mitbringen, können wir in kürzester Zeit viel erreichen“ (siehe Kasten).

In der Vollschutz-Ausrüstung schießt es sich anders

Grünbaum kommt noch einmal auf die Pingeligkeit zu sprechen: „Im Handling sind wir sehr genau, da lassen wir keine Fehler durch.“ Weil es im Einsatz funktionieren muss. Gegenseitiges ehrliches Feedback ist für ihn daher unerlässlich. Auch was die Ausrüstung angeht, sind die Trainer pingelig: „Da muss alles immer am selben Fleck sein.“ Das Magazin zum Beispiel. Damit man im Einsatzgeschehen das Richtige erwischt.

Und: „Einsatztraining übt man nicht im Stuhlkreis“, sagt Grünbaum. Auch in der Vollschutz-Ausrüstung wird immer wieder geübt, die hat rund 24 Kilo. Dann ist eine Reanimation, dann ist Schießen etwas anderes als in der normalen Alltagsuniform. Auch daran müssen sich die Polizeianwärter gewöhnen.

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Das Einsatztraining

Gut 1500 Studierende werden derzeit auf dem Campus der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg in Villingen-Schwenningen für den Polizeidienst vorbereitet. Für den Einsatz werden sie von der Fachgruppe Einsatztraining ausgebildet: Zwangsmittel- und Schießtraining, Abwehr- und Zugriffstraining, Taktische Verwundetenversorgung, Erste Hilfe Training und Integrationstraining stehen auf dem Stundenplan. Die Fachgruppe Einsatztraining gehört zur Fakultät I. In der Fachgruppe lehren erfahrene Einsatzbeamte, darunter Beamte vom Sondereinsatzkommando (SEK), Mobilem Einsatzkommando (MEK), von Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE) sowie Personenschützer.

Der Leiter der Fachgruppe Einsatztraining, Bernd Grünbaum, gibt Tipps zum richtigen Stand beim Schießen. Foto: Jennifer Reich

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