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Großveranstaltungen: Nachhaltigkeit als Chance, sich neu zu erfinden

Gerade haben die Veranstalter der Freilichtspiele und Festivals eine positive Saisonbilanz gezogen. Trotz Corona und Hitzewelle besuchten Zehntausende die Veranstaltungen. Die Nachhaltigkeit bleibt dabei mitunter auf der Strecke. Die Stadt Karlsruhe hat das Thema seit 2014 auf der Agenda. Nun wurde die Dauer der Schlosslichtspiele, die derzeit stattfinden, reduziert.

Kunstprojektionen an der Schlossfassade in Karlsruhe. Die Schlosslichtspiele orientieren sich seit Jahren an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen.

Artis/Uli Deck )

KARLSRUHE. Anstatt sechs Wochen sind die Schlosslichtspiele, die Lichtkunst an die sich über 170 Meter erstreckende Fassade des Karlsruher Schlosses zaubern, in diesem Jahr lediglich für vier Wochen, noch bis zum 18. September, geplant. „Die Entscheidung ist schon vor der Energiekrise gefallen“, sagt Martin Wacker, Geschäftsführer der Karlsruhe Marketing und Event GmbH, welche die Großveranstaltungen verantwortet. „Wir haben eine Krise der Kultur, auch der Großveranstaltungen. Die Gewerkepreise gehen durch die Decke, jedes Event kostet aktuell 40 Prozent mehr.“

Auch beim zu den Schlosslichtspielen gehörigen Lightfestival werden weniger Gebäude als in den Jahren zuvor beleuchtet. „Das ist zum Teil reine Gebäudeillumination und energieaufwendiger als ein Laserbeamer, den wir für die Kunstprojektionen einsetzen.“ Aber, so betonen Wacker und der stellvertretende Geschäftsführer Markus Wiersch, das Thema Nachhaltigkeit habe man in Karlsruhe sowieso schon lange auf dem Schirm.

Musik-Open-Air in Karlsruhe erhielt mehrfach Nachhaltigkeitspreis

Die größte Veranstaltung in Karlsruhe ist „Das Fest“ im Juli. Das Musik-Open-Air, das in diesem Jahr rund 260 000 Besucher zählte, erhielt bereits mehrfach – seit 2014 – den Greener Festival Award, eine Auszeichnung für nachhaltige Großveranstaltungen.

Seit 2014 haben sich die Karlsruher eine Nachhaltigkeitsagenda gegeben, seither wird mit einem CO2-Rechner der eigene CO2-Ausstoß ermittelt. „Und seit 2015 orientieren wir uns an den 17 Zielen der Nachhaltigkeit und überprüfen vor diesem Hintergrund alle externen und internen Prozesse“, so Wacker. Die 17 Nachhaltigkeitsziele wurden von den Vereinten Nationen 2015 formuliert und gelten für alle Staaten als Leitbild.

17 Ziele für eine nachhaltige Zukunft

Im Herbst 2015 wurde beim UN-Gipfel in New York die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ mit ihren 17 globalen Nachhaltigkeitszielen – englisch: Sustainable Development Goals (SDG) – verabschiedet. Die Agenda stellt einen Weltzukunftsvertrag dar, der den Menschen ein Leben in Würde ermöglichen soll. Mit deren Anerkennung bekräftigen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer ihre gemeinsame Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft.

Die 17 SDG richten sich an alle Staaten gleichermaßen und sollen Leitbild ihres Handelns werden. https://unric.org/de/17ziele

„Wir haben Teller aus Palmblättern, unsere Getränkebecher sind aus einem biologisch wiederverwertbaren Zuckerstoff“, sagt Wacker. „Alles, was auf dem Festival ausgegeben wird, kann in den Kreislauf wieder einfließen. So haben wir die Müllmenge um mehr als die Hälfte reduziert.“ Der Strom wird gänzlich mit Wasserkraft erzeugt. Es gebe fairen Kaffee, kein Mineralwasser von jenseits der Alpen und viel vegane und vegetarische Kost. Und auch die Partner und Sponsoren wurden in das Nachhaltigkeitskonzept mit eingebunden. In den Ausschreibungen für die Lieferanten, bei der Anreise der Besucher sowie der Künstler spiele Nachhaltigkeit ebenfalls eine große Rolle.

Außerdem haben die Veranstalter einen eigenen Umweltbeauftragten engagiert und seit 2019 eine Klima-Akademie, um die Klimaaktivitäten in der Stadt zu vernetzen. „Mittlerweile sehen wir Nachhaltigkeit nicht als eine Pflicht, sondern als eine Chance“, sagt Wiersch, „eine Chance sich zu verbessern, auf die Abläufe neu drauf zu schauen und so neue Lösungen zu finden, die umweltgerechter sind.“ Seit man die Nachhaltigkeit mehrgleisig fahre, ergänzt Wacker, gewinne die Karlsruhe Marketing und Event GmbH auch neue Partner und – für Veranstalter nicht unerheblich – viele neue Sponsoren.

Dass trotz der zahlreichen Maßnahmen Festivals und Großveranstaltungen generell nicht nachhaltig sein können, weil sie eben Strom verbrauchen, Müll verursachen und zahlreiche Menschen in Bewegung setzen, lassen die Veranstalter nicht gelten. „Wir sprechen hier von Kunst und nicht von Larifari“, so Wacker. „Zwei Jahre waren Kunst und Kultur eingeschränkt. Die Menschen konnten sich nicht treffen.“

Für die große Eislauffläche im Winter soll es eine Alternative geben

Wer die Schlosslichtspiele einmal erlebt habe, wisse, dass Menschen aller sozialen Gruppen zusammenkämen, um gemeinsam etwas zu erleben, so Wacker. „Das ist unbezahlbar. Die Energie, die das braucht, ist gut angelegt, denn Kunst ist Energie für das Leben.“

Die große Eislauffläche vor dem Schloss im Rahmen der jährlichen „Stadtwerke Eiszeit“, die ab Ende November bis Ende Januar Menschen allen Alters lockt, steht dennoch zur Diskussion. „Wir gehen davon aus, dass wir eine Alternative anbieten“, sagt Wacker. Man denke daran, anstatt Wasser mit hohem Energieaufwand runterzukühlen, eine Rollschuhbahn umzusetzen.

Quelle/Autor: Eva Maria Schlosser

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