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Grüne: Arroganz der Bahn bei Stuttgart 21

Winfried Kretschmann und Winfried Hermann rechnen bei Stuttgart 21 mit den damaligen Bahn-Verantwortlichen ab.
dpa/Bernd Weißbrod)Stuttgart. Zugegeben, die Frage des dpa-Journalisten David Nau in der Landespressekonferenz war ein wenig provokativ: „Wir traurig sind sie eigentlich, dass Sie nicht mehr als amtierender Ministerpräsident diesen Tiefbahnhof eröffnen dürfen?“
Die beiden Winfrieds, Urgesteine der Südwest-Grünen und seit 2011 in der Regierung, antworten zunächst unisono: „Dazu sage ich besser nichts.“ Dann aber sagen beide nacheinander: „Eins will ich an der Stelle doch sagen“, und die Szene erinnert ein wenig an die Krimiserie Columbo, wo der Kommissar immer „Nur eine Frage noch“ hat. Und wie im Film kommt dann noch ziemlich viel.
Stuttgart 21 begleitet Kretschmann seit Beginn seiner Amtszeit
Denn Stuttgart 21 hat die beiden seit Beginn ihrer Amtszeit begleitet. „Ich habe nicht vergessen, mit welcher Arroganz wir da als Gegner abgebürstet worden sind“, erinnert sich der 77-jährige Kretschmann. Und weiter: „Und heute tritt all das ein, was wir damals gesagt haben, von A bis Z.“ Etwa die Frage, ob der Tiefbahnhof sich durch den Verkauf der Grundstücke selbst finanziere. Oder, und daran erinnert Winfried Hermann deutlich, dass die Baustelle weitgehend unterirdisch stattfinde und die Stuttgarter nichts davon bemerken würden. „Ich habe noch von niemandem gehört: Tut mit leid, wir haben uns geirrt, das habe ich falsch eingeschätzt.“ Dass die Kosten explodieren und die Zeitpläne um Jahre, verschleppt werden.
In dem Thema steckt auch nach vielen Jahrzehnten noch viel Emotion drin. Zumal Stuttgart 21 für die Südwest-Grünen so etwas wie ein Schicksalsthema ist. „Es hat ja auch etwas Gutes, es hat dazu geführt, dass ich Ministerpräsident wurde“, räumt Kretschmann ein. Die Kritik an dem Großprojekt war ein Faktor, der neben Fukushima die Grünen 2011 auf Platz 1 brachte. Und, Ironie der Geschichte: Kretschmann setzte einen landesweiten Bürgerentscheid an, den er verlor, das Thema war entschieden und befriedet. „Wenn das Volk so gesprochen hat, dass wird es so gemacht“, sagt der Regierungschef. Und dann mussten die Kritiker mitwirken, das Projekt umzusetzen, dass sie ablehnten. Hermann wandelte sich vom Fundamentalgegner zum Mitgestalter, brachte Änderungen am Filderbahnhof beim Flughafen mit ein. Auch hier wollen beide nur noch eine Sache sagen „So gut wie alle Verbesserungsvorschläge kamen von uns“, sagt Kretschmann, „es hieß immer, das sei das bestgeplante Projekt.“ Da musste etwas raus, was in 14 Jahren diplomatisch verpackt wurde, all der Ärger von damals.
Bahnhoferöffnung unter neuer Regierung
Inzwischen sind längst andere Bahnmanager im Amt, die das Projekt nicht zu verantworten haben, und einen anderen Ton anschlagen. Auch das räumt Kretschmann ein: „auf dem hohen Ross sitzen sie längst nicht mehr.“ Doch die Frage, ob und wie die beiden Winfrieds bei der Eröffnung des Tiefbahnhofs auftreten, umgingen beide stets mit ausweichender Ironie. Nun stellt sich die Frage nicht mehr durch die erneute Bauverzögerung sollen die Züge erst im Dezember 2026 rollen, dann wird bereits die neue Landesregierung im Amt sein. Das nimmt Emotionen raus, und Kretschmann betont dann auch: „Wir gehen mit großer Nüchternheit an die Sache heran.“ Auch an das eigentliche Thema, die bessere Koordination der Bahnbaustellen, dazu soll es einen Bahngipfel geben.
Wie reagiert die Bahn selbst auf diese Kritik der beiden grünen Spitzenpolitiker? Zu den Äußerungen könne man keine Stellung nehmen, sagt ein Bahnsprecher, man verweist aber auf die Leistungsfähigkeit des Bahnknotens, die mit Stresstests nachgewiesen sei. „Die nie da gewesene Komplexität an Herausforderungen bis zur Inbetriebnahme von Stuttgart 21 macht leider kurzfristige Sperrungen erforderlich“, heißt es weiter.
So ist die Vergangenheit an diesem Tag ein klein wenig wieder aufgeblitzt, wie eine Reminiszenz.
Stuttgart 21: Neue Entwicklungen auf der Baustelle und beim Bauprojekt S 21 | Staatsanzeiger BW
Bahngipfel am 1. Juli
Am 1. Juli lädt Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu einem Bahngipfel Baden-Württemberg mit Verkehrsminister Winfried Hermann und Bahnchef Richard Lutz, um den Bahnverkehr im Land weiterzuentwickeln. Es geht um eine frühzeitige und verlässliche Baustellenplanung, abgestimmte Ersatzverkehre und Informationsketten, die Modernisierung von Bahnhöfen, Aus- und Neubau sowie Elektrifizierung und Digitalisierung von Leit- und Sicherungstechnik.