Meinungsforschung

Mit welchen Meinungen gehen die Baden-Württemberger ins Jahr 2024?

Mit welchen Sorgen und Hoffnungen gehen die Menschen im Land in das Jahr 2024? Darüber haben wir mit zwei bekannten Wahlforschern aus dem Südwesten gesprochen: Und zwar mit Michael Sommer vom Allensbacher Institut für Demoskopie, und Matthias Jung, dem Chef der Forschungsgruppe Wahlen in Mannheim.

Wer soll 2026 Winfried Kretschmann nachfolgen? Cem Özdemir, Manuel Hagel oder Danyal Bayaz (2., 3. und 4. von links)? Die Wähler im Südwesten haben dazu klare Präferenzen.

dpa/Bernd Weißbrod und dpa/Flashpic/Jens Krick)

Allensbach/Mannheim. Es sind zwei renommierte Institutionen: Die Forschungsgruppe Wahlen erstellt seit vielen Jahren für das ZDF-Politbarometer und die Wahlsendungen die Prognosen. Und das Allensbacher Institut für Demoskopie gehört zu den großen bundesweiten Forschungsinstituten. Es erstellt für die Tageszeitungen regelmäßig den so genannten BaWü-Check.

Die persönliche Lage wird positiver wahrgenommen als die im Land

Die wichtigste Frage: Wie sehen die Baden-Württemberger die Lage? „Was die ökonomische Lage des Landes angeht, gibt es neue Tiefstwerte“, sagt Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen, „es gibt einen ausgesprochen großen Pessimismus“. Michael Sommer von Allensbach sieht im Jahr 2022 die Talsohle der Krise, immerhin sei die Stimmung „etwas besser als im Vorjahr“. Interessant dabei: Während die allgemeine wirtschaftliche Lage schlecht eingeschätzt wird, sehen die meisten ihre persönliche Situation positiv: Keine Sorge vor Arbeitsplatzverlust oder schwindendem Wohlstand.

Sommer hat auch einen „Gewöhnungseffekt“ wahrgenommen: Die sich überlagernden Krisen führten zu einer gewissen Abstumpfung. Dennoch sieht nur jeder Dritte dem kommenden Jahr positiv entgegen.

In der Landespolitik dominiert allerdings weder die Flüchtlingskrise noch die unsichere Weltlage: Am meisten sorgen sich die Menschen um bezahlbaren Wohnraum. „Das ist das Topthema, mit weitem Abstand“, sagt Michael Sommer. Danach kommen eine gute Gesundheitsversorgung, Schutz vor Verbrechen, Abbau von Bürokratie und eine gute Infrastruktur.

Besonders interessant ist die Frage, ob der Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die volle Legislaturperiode zu Ende machen soll. Eine Mehrheit von 43 Prozent will, dass er im Amt bleibt. Im Herbst 2021 gab es einen Tiefpunkt, nun wünschen sich die Baden-Württemberger zwei weitere Jahre.

Und wer soll danach Nachfolger werden? Hier zeigt sich, dass der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) von den meisten genannt wird, 23 Prozent. „Allerdings ist er auch der bekannteste, das darf man nicht unterschätzen“, sagt Michael Sommer vom Allensbacher Institut.

Danach wird Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU) genannt, der vielen auch durch seine lange Karriere in Bund und Land bekannt sein dürfte. Manuel Hagel, der neue Parteichef und voraussichtliche Spitzenkandidat der Union, wurde nur von drei Prozent benannt. Hier schlägt sich seine fehlende Bekanntheit nieder. „Er leidet auch darunter, dass die Landespolitik im Windschatten stattfinden“, so der Befund der Allensbacher Meinungsforscher.

Und dass sich die mediale Aufmerksamkeit ganz auf das Amt des Regierungschefs konzentriert. Auch bundesweit? Tatsächlich war Winfried Kretschmann schon mal präsenter. „Wir haben ihn als bundesweit bedeutsame Figur nicht mehr auf dem Schirm“, sagt Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen. Auch hier ein Paradigmenwechsel: Als die Grünen noch in der Opposition war, war Kretschmann als einziger grüner Regierungschef in den bundesweiten Medien präsent, oft in Talkshows eingeladen. Seit die Grünen in Berlin regieren, konzentriert sich die Aufmerksamkeit eher auf die Minister Robert Habeck und Annalena Baerbock.

Die Bundespolitik überlagert also die Landespolitik – das gilt auch für die allgemeine Stimmungslage. „Es gibt eine extrem große Unzufriedenheit mit der Ampelkoalition und dem Kanzler“, konstatiert Matthias Jung. Besonders problematisch ist, dass auch die CDU-Opposition nicht als natürliche „Regierung im Wartestand“ und glaubwürdige Alternative wahrgenommen wird.

Davon profitiert bislang vor allem die AfD, die auch in Baden-Württemberg über 20 Prozent der Stimmen erhalten würde. Welches Potenzial die rechtspopulistische Partei hat, darüber sind sich die Wahlforscher uneins. Für die Forschungsgruppe Wahlen sagt Matthias Jung : „Es gibt eine große Volatilität, wir haben seit langer Zeit zurückgehende Bindungen an die Parteien.“ Es könne quasi für alle noch weiter „unbegrenzt nach oben“ gehen.

Welches Potenzial hat die AfD noch nach oben?

Michael Sommer vom Allensbacher Institut hingegen meint: „Die Potenziale der AfD sind weitgehend ausgeschöpft.“ Der Kreis derer, die sich in einer Befragung vorstellen können, die Partei zu wählen, liegt zumindest im Südwesten bei 24 Prozent – also nicht viel über dem, was in den Umfragen real herauskommt. Noch nicht messbar ist die neue Wagenknechtpartei BSW. Zwar kann sich jeder Fünfte vorstellen, sie zu wählen, doch das bleibt noch reichlich vage.

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Rafael Binkowski

Chefredakteur des Staatsanzeigers

0711 66601 - 293

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