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Rekord-Tarifabschluss nun auch bei den Ländern?

Wer setzt sich im Tarifstreit in Potsdam durch? Die Gewerkschaften oder die Länder? Und klappt es mit der Stuttgart-Zulage und der Altersteilzeit? Für den öffentlichen Dienst sind dies spannende Zeiten.

Volker Geyer, Tarifchef des Deutschen Beamtenbunds, warnte in Stuttgart die Arbeitgeber: „Wer meint, beim öffentlichen Dienst sparen zu müssen, darf sich nicht wundern, wenn er bald nicht mehr funktioniert.“

Friedhelm Windmueller)

Stuttgart/Potsdam. Die Kitas sind geschlossen, die Uni-Mensen ebenfalls und erstmals wird die Landesanstalt für Schweinezucht bestreikt. Die Auswirkungen mehrerer Arbeitskämpfe haben das Land erreicht. Und es könnte noch schlimmer kommen, falls sich die Tarifgemeinschaft der Länder und die Gewerkschaften an diesem Freitag in Potsdam nicht auf einen neuen Tarifvertrag einigen.

Die Landesbeschäftigten seien so entschlossen wie selten, heißt es. 6000 haben am vergangenen Donnerstag vor dem Landtag mit dem Beamtenbund demonstriert. 2000 legten an diesem Mittwoch die Arbeit nieder, so Verdi. Kai Rosenberger, Landeschef des Beamtenbunds, forderte Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) auf, seinen Einfluss geltend zu machen, damit die Verhandlungen nicht scheitern. Auch der DGB hat sich deswegen an Bayaz gewandt.

Beamtenbund fordert seit 2010 ein Lebensarbeitszeitkonto

Rosenberger möchte nicht nur einen unbefristeten Streik, sondern auch eine Verlängerung der Verhandlungen über den Jahreswechsel hinweg vermeiden. Dann müssten seine Mitglieder noch länger auf das Lebensarbeitszeitkonto warten, das alle Landesregierungen seit 2010 auf die lange Bank geschoben haben.

Bayaz will zuerst wissen, was ihn der Tarifabschluss kostet, schließlich machen die Personalkosten rund 40 Prozent seines Haushalts aus. Auch die Frage, welche Auswirkungen die Einführung des Bürgergelds auf die Besoldung habe, könne erst geklärt werden, wenn die Tarifverhandlungen beendet sind. 100 000 Arbeiter und Angestellte im Land sind von den Tarifverhandlungen direkt betroffen, dazu kommen 190 000 Beamte, auf die das Tarifergebnis übertragen wird.

Die Gewerkschaften wiederum fordern einen großen Schluck aus der Pulle, datiert doch der letzte Tarifabschluss noch aus einer Zeit, als es so gut wie keine Inflation gab. Vor zwei Jahren wurde eine 2,8-prozentige Tariferhöhung vereinbart, dazu eine Corona-Prämie in Höhe von 1300 Euro.

Doch dann kam der Ukraine-Krieg und mit ihm der Gasmangel und die Inflation. Und im Frühjahr dieses Jahres ein Abschluss im öffentlichen Dienst, wie ihn die Republik seit den 1970er-Jahren nicht mehr gesehen hat. Die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst stiegen um rund 11,5 Prozent. Allerdings nur für Bund und Kommunen. Die Länder verhandeln seit 2006 getrennt.

Seither währt auch der Streit, mit welchem öffentlichen Arbeitgeber man als Gewerkschaft besser fährt. Bisweilen haben sich die Länder als konzilianter gezeigt als die Kommunen. Noch kommoder ist jedoch der Bund, bei dem der Personalkostenanteil nicht so ins Gewicht fällt. In den Kommunen wiederum können die Gewerkschaften leichter Druck ausüben: Wenn die Kitas geschlossen sind und die Müllabfuhr streikt, wächst die Wut der Bürger auf den öffentlichen Arbeitgeber.

Dagegen können Landeseinrichtungen wie besagte Anstalt für Schweinezucht lange streiken, ohne dass dies wahrgenommen wird. Anders sähe es aus, wenn Lehrer und Polizisten streiken dürften, was jedoch ihr Beamtenstatus verhindert.

Letztlich gehen die Gewerkschafter aber davon aus, dass auch die Finanzminister der Länder wissen, dass ihr Personalproblem ohne konkurrenzfähige Gehälter nicht zu lösen ist. Und dass sie diesmal mehr als eine Schippe drauflegen müssen angesichts der Tatsache, dass die Preise seit dem letzten Tarifabschluss um 13 Prozent gestiegen sind. Die Frage ist nur, welche Rolle das Verfassungsgerichtsurteil spielt. Schließlich haben einige Länder deswegen ähnliche Finanzprobleme wie der Bund.

Mit der Stadt Stuttgart ist sich Verdi in vielen Punkten einig

Leichter fallen da Einigungen, wenn die Interessenlagen nah beieinander liegen. Das zeigt das Beispiel Stuttgart, wo in dieser Woche die Kitas bestreikt wurden. Allerdings nicht, um die Stadt unter Druck zu setzen, sondern den kommunalen Arbeitgeberverband. Er soll sich dazu bereit erklären, Verhandlungen über Altersteilzeit aufzunehmen, nachdem die Gespräche auf Bundesebene im Frühjahr ergebnislos vertagt wurden. Stuttgart bietet Altersteilzeit an, allerdings ist sie für die Beschäftigten deutlich attraktiver, wenn sie auf Basis eines Tarifvertrags erfolgt.

Zum anderen machte Verdi Druck auf die Stadträte – mit Erfolg. Am Dienstag gab der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats grünes Licht für eine Stuttgart-Zulage von 150 Euro, die alle Beschäftigten erhalten sollen, damit sie sich die Lebenshaltungskosten in der Landeshauptstadt leisten können. Nun muss nur noch der Gemeinderat zustimmen: am 15. Dezember, wenn der Doppelhaushalt verabschiedet wird.

Verdi und Kommunen verhandeln über Nahverkehr

Eine Tarifrunde im öffentlichen Dienst jagt die nächste. Am Dienstag hat Verdi den Startschuss für die Verhandlungen über den kommunalen Nahverkehr gegeben. Gefordert werden kürzere Schichtlängen, Schichtzulagen für alle und eine Nahverkehrszulage. Der kommunale Arbeitgeberverband stellte klar, dass mit ihm eine Senkung der Arbeitszeit nichtzu machen ist. In den Verhandlungen geht es um die Arbeitsbedingungen, nicht um die Gehälter.

Michael Schwarz

Redakteur Politik und Verwaltung

0711 66601-599

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