Stuttgart 21: Eröffnungstermin wackelt

Das Gerücht ist schon länger in der Welt. Nun scheint es sich zu bestätigen: Der Starttermin im Dezember 2025 ist laut Medienberichten voraussichtlich nicht einzuhalten. Jedenfalls nicht für einen Vollbetrieb. Die Rede ist davon, mit einer paar Zügen zu beginnen und den Rest des Verkehrs am Kopfbahnhof abzuwickeln. Oder aber die Eröffnung zu verschieben.

Der Rohbau des Tiefbahnhofs mit seinen markanten Lichtaugen weitgehend fertiggestellt. Was fehlt, sind die Gleise und - viel wichtiger - die Digitalisierung.

dpa/Bernd Weißbrod)

Stuttgart. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) warnt seit Wochen vor einem „Holperstart“ des Stuttgarter Tiefbahnhofs am von der Deutschen Bahn verkündeten Termin zum Fahrplanwechsel im Dezember 2025. Jetzt werden Stimmen laut, die Eröffnung erneut verschieben wollen. Ein Vierteljahr nach dem bisher verkündeten Termin wird der Landtag neu gewählt.

Thomas Dörflinger, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, ist offen für beide Varianten. „Wir wollen, dass der neue Tiefbahnhof in Stuttgart so schnell wie möglich in Betrieb genommen wird“, sagt er auf Staatsanzeiger-Anfrage und verwendet in seltener Einigkeit mit Minister Hermann ebenfalls die Vokabel „Holperstart“. Denn der müsse „unbedingt“ vermieden werden: „Wir erwarten von der Deutschen Bahn eine Inbetriebnahme mit dem vollen vereinbarten Leistungsumfang und keine Teillösungen.“ Falls notwendig, „wäre eine Verschiebung der Inbetriebnahme insgesamt die sinnvollere Lösung“.

Die Pläne für eine Teillösung sehen vor, dass der Kopfbahnhof weiterbenutzt wird, dass aber im Tiefbahnhof nach und nach neue Züge zusätzlich verkehren. Eventuell auftretende Schwierigkeiten könnten aufgefangen werden. Zugleich hätten die Bahn-Aufsichtsräte in der nächsten Sitzung am 20. März aber auch darüber zu entscheiden, ob dann nicht Geld noch in besonders abgenutzte Teile des Kopfbahnhofs gesteckt werden muss.

Probleme könnten CDU im Wahlkampf sehr ungelegen kommen

Diskutiert wird nicht bei der DB in Berlin, bei der Stuttgart–Ulm GmbH oder unter den Projektpartnern Land, Stadt und Region, sondern auch in der CDU-Landtagsfraktion. Ein kurz vor Weihnachten 2025 groß gefeierter Start mit erheblichen Problemen in den ersten Tagen und Wochen käme, wie ein Abgeordneter sagt, „äußerst ungelegen“. Auch bei der Schnellbahnstrecke von München nach Berlin musste 2017 ob der vielen Zugausfälle nachjustiert werden. Dies könnte jedoch mitten in die Hochphase des nächsten Landtagswahlkampfs sein.

Offiziell will sich gegenwärtig niemand zur Gefahr der Verschiebung äußern. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte immer wieder mehr Transparenz und rechtzeitig Informationen durch die Bahn „dringend verlangt“. Sein Staatsministerium reicht heikle Fragen zum Stand der Dinge dennoch an Hermanns Verkehrsministerium weiter. Bekannt ist immerhin, dass der Grüne einen Brief an seinen Kollegen im Bund, Volker Wissing (FDP), geschrieben hat, in dem es um den dritten und wichtigsten Baustein der Digitalisierung des Bahnknotens Stuttgart geht. Fragen zur Finanzierung sind ungeklärt, Fachleute aber einig, dass ohne den vollständigen Ausbau bis zu den Endstationen aller S-Bahnen in der Region die Kapazitätsversprechungen nicht einzuhalten sind. Ohnehin müssen Züge bis zur Fertigstellung mit zwei Systemen ausgestattet sein, um sowohl digitalisiert als auch nach herkömmlicher Technik betrieben werden zu können.

S21-Gegner sehen sich in ihren Bedenken bestätigt

Zu Wort gemeldet haben sich die Gegner, die sich wieder einmal in ihren Bedenken bestätigt sehen. „Wer mit Stuttgart 21 vertraut ist, konnte kaum überrascht sein, dass der immer wieder steif und fest behauptete Eröffnungstermin niemals zu halten sein würde“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des „Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21“. Denn ein derart hochkomplexes elektronisches Zugsteuerungssystem zu installieren, sei nicht in wenigen Jahren zu leisten – „und das auch noch in einem der komplexesten Bahnknoten Deutschlands“.

Für die FDP-Landtagsfraktion rief ÖPNV-Experte Hans Dieter Scheerer zur „konstruktiven Zusammenarbeit aller Beteiligten auf“. Gemeinsames Ziel müsse sein, „dieses anspruchsvolle Bahnprojekt endlich fertigzustellen“. Schuldzuweisungen oder politische Ränkespiele brächten niemandem etwas.

Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer

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