Essay

Traum oder Alptraum? Die unsichere Zukunft der Rente

Die Baby-Boomer drohen, das Umlagesystem zu sprengen, aber die nötigen Reformen bleiben aus. Und ohne Rente mit 67 sähe es noch düsterer aus.

Von einem sorgenfreien Leben können viele Rentner nur träumen - zumindest jene, die keine andere Einkünfte haben als die staatliche Rente.

dpa/picture alliance/KEYSTONECHRISTOF SCHUERPF)

Drei Millionen Menschen in Baden-Württemberg beziehen aktuell eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Bedenklich ist: 41 Prozent unter ihnen verfügen daraus über ein Nettoeinkommen von weniger 1250 Euro pro Monat. Auf weniger als 1000 Euro kommen sogar rund 27 aller Rentnerinnen und Rentner, wie die Experten vom Statistischen Landesamt aus dem Mikrozensus 2022 berechnet haben.

Der fidele Lebensabend scheint für viele Menschen im Südwesten demnach nur ein Traum zu sein. Für so machen wird er sogar zum Alptraum. Werden wir in unseren Städten immer mehr Flaschensammler sehen, die sich so ihre Rente aufbessern müssen?

Wir fragen Andreas Schwarz, den Direktor der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg. „Ich bin auch so ein Mensch, der eine fürchterlich kleine Rente bekommen wird“, sagt Schwarz. Denn als Geschäftsführer der Rentenversicherung ist er Beamter. Das war er aber nicht immer. „Nach der Studienzeit habe ich an der Hochschule als wissenschaftlicher Assistent versicherungspflichtig gearbeitet. Dort habe ich mir mindestens fünf Jahre Beitragszeiten erworben, die man braucht, um später eine Altersrente zu erhalten“, sagt Schwarz. Doch wer nur fünf oder zehn Jahre in die Versicherung eingezahlt hat, kann daraus natürlich keine große Rente erwarten.

Wie Schwarz ergeht es vielen Menschen. Sie starten in der gesetzlichen Rentenversicherung und landen als Beamte im Pensionssystem des Staates. Andere wie Rechtsanwälte, Apotheker, Steuerberater und Architekten wechseln in berufsständische Versorgungssysteme. Oder sie sind Freiberufler, die entscheiden, sich privat abzusichern. Und dann gibt es Menschen, hauptsächlich Frauen, die ein zweites Standbein haben, ihren Ehepartner. Allen gemein ist: Sie haben geringe Beitragszeiten, erwerben also oft nur kleine Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Versicherung. Aber die Statistik verzerren sie gewaltig. Alles also in Butter? Mitnichten.

„Die Rente ist sicher“, hat der damalige CDU-Arbeitsminister Norbert Blüm im Wahlkampf 1986 postuliert. Der Satz hat sich in das kollektive Gedächtnis der Nation eingeprägt. Doch Blüm konnte damals nicht ahnen, dass die Baby-Boomer der 50er- und 60er-Jahre das Umlagesystem der Versicherung bald zu sprengen drohen. Sie stehen vor der Tür der Rentenversicherung und erwarten, dass immer wenige Junge, ihnen einen auskömmlichen Lebensabend finanzieren. Klar ist: Diese Rechnung geht nicht auf.

In den 1960er-Jahren noch war alles bestens: Etwa 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter mussten 18 Rentner ernähren. 1980 war das schon anders: 100 mussten schon knapp 27 ernähren. Zuletzt lag dieser Altersquotient bei 34 – und er wird weiter zunehmen. Die Prognose: Im Jahr 2040 wird er voraussichtlich bei 43 liegen. Und dies auch nur dank der mutigen Reformen der Regierung Schröder. Franz Müntefering (SPD) hatte im Jahr 2006 die stufenweise Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 67 Jahre („Rente mit 67“) durchgeboxt. Ohne diesen Schritt wären wir schon im Jahr 2035 bei einem Altersquotient von fast 50.

Es liegt also auf der Hand: Um das System zu retten, sind rasche und kluge Reformen dringend nötig. Zwar kommt aktuell Entspannung vom Arbeitsmarkt. So waren 2023 über das ganze Jahr hinweg fast 46 Millionen Menschen erwerbstätig, so viele wie noch nie, so das Statistische Bundesamt. Von ihren Beiträgen profitieren die Rentenkassen. Allerdings schiebt die Bundesregierung die nötigen Reformen nicht nur von sich. Sie greift sogar tief in die Rentenkassen hinein. Um ihren Haushalt hinzubekommen, kürzt sie ihren Zuschuss zur allgemeinen Rentenversicherung: Bis 2027 um 600 Millionen Euro im Jahr. Das Geld dient der Abgeltung von Leistungen aus der Rentenkasse, für die niemals Beiträge gezahlt wurden wie etwa die Mütterrente und die Grundrente. Damit schiebt die Politik ihre Verantwortung auf andere .

Rentenkassen-Chef Schwarz hält dies für unverschämt. „Schon heute zeigen die Vorausberechnungen, dass die Rücklagen der Rentenversicherung in den nächsten Jahren fallen und sich von 1,67 Monatsausgaben Ende 2023 ab 2028 knapp über der Untergrenze von 0,2 Monatsausgaben einpendeln werden.“ Diese Politik verschiebe die Last auf künftige Beitragszahler und Rentenbezieher und schade dem Vertrauen in die Verlässlichkeit der gesetzlichen Rente.

Wolfgang Leja

Redakteur Wirtschaft und Vergabe

0711 66601-131

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