Nachhaltige Finanzanlagen

Wer auf Kohle setzt, kriegt vom Land kein Geld mehr

Wie legt man 17 Milliarden Euro nicht nur gewinnbringend, sondern auch ethisch korrekt an? Finanzminister Bayaz stellt bei seinen Finanzanlagen künftig Nachhaltigkeit auf die gleiche Stufe mit Rendite, Risiko und Liquidität. Ein magisches Viereck, bei dem die Balance zwischen guter Absicht und hoher Rendite zum Drahtseilakt werden kann.

Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) will das Geld des Landes jetzt nachhaltiger anlegen. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

dpa/Bernd Weißbrod)

Stuttgart . „Vielleicht holen wir nicht die größtmögliche Rendite, aber zumindest eine, die unseren Werten und Ansprüchen entspricht.“ Das sagte Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne), als er Anfang März seine Pläne für eine neue Strategie für die Finanzanlagen im Landtag vorstellte. Wirtschaftlichkeit auf Kosten der Nachhaltigkeit sei nicht die Maxime dieser Landesregierung, so Bayaz. Nachhaltigkeit sei ein gleichberechtigtes Ziel bei der Finanzanlage.

Ministerium will 20 Prozent der bestehenden Anlagen umschichten

Nun will Bayaz seine Pläne in die Realität umsetzen. Es geht immerhin um 17 Milliarden Euro, die seine Experten mithilfe einer externen Agentur an den Finanzmärkten anlegen. Der größte Teil davon, elf Milliarden Euro, der später einmal für die Pensionen der Beamten genutzt werden soll, wurde bereits angepackt. Laut Finanzministerium sollen weitere 20 Prozent der Anlagen umgeschichtet werden. „Wir orientieren uns dabei an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, der EU-Taxonomie und am 1,5-Grad-Ziel“, so Bayaz.

Künftig ist danach etwa ein Unternehmen, das mit dem Abbau von Kohle mehr als ein Prozent seiner Umsätze erzielt, nicht mehr investierbar. Gleiches gilt, wenn Unternehmen mit Atomenergie produzieren.

Aber bedeuten die neuen Kriterien auch, dass man in die eigene Autoindustrie, Zementwerke und Stahlproduzenten nicht mehr investieren wird? „Nein“, so das Finanzministerium. „Das Gesetz sieht vor, in treibhausgasintensive Branchen, die nicht generell vom Ausschluss betroffen sind, investiert zu bleiben.“ Man wolle etwa über seine Stimmrechte die grüne Transition dieser Unternehmen vorantreiben.

Die Opposition fürchtet, dass die Rendite aus dem Blick geraten könnte. Stephen Brauer, finanzpolitischer Sprecher der FDP im Landtag, hat beim Finanzminister „immer wieder nachgehakt“, inwieweit sie sich angesichts der „starken Verengung der Anlagemöglichkeiten“ verschlechtern könnte. „Dazu wollte das Ministerium nie antworten“, kritisiert er. Dabei arbeite man hier mit dem Geld der Steuerzahler und der Beamten. „Diese können ideologiefreie Anlageoptionen erwarten.“

Inwieweit sich die Rendite von grünen und konventionellen Anlagen unterscheidet, ist gar nicht so eindeutig, sagt Karolin Kirschenmann, Finanzmarktexperten am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Wenn man sich Nachhaltigkeitsfonds anschaue, die vor allem in Aktien, Anleihen und Immobilien investieren, die sich auf bestimmte Themen wie Klimawandel, erneuerbare Energien oder soziale Gerechtigkeit konzentrieren, dann hätten die zumindest oft sogar eine höhere Rendite erwirtschaftet als konventionelle Fonds.

„Grüne Anleihen dagegen, also festverzinsliche Wertpapiere, die sich auf Umwelt- oder Klimaprojekte konzentrieren, haben dagegen über große Stecken eine geringere Rendite als konventionelle Bonds“, sagt sie. Kirschenmann hält es allerdings für konsequent, dass das Land das Viereck jetzt gezogen habe: „Man verlangt ja auch von allen anderen Investoren, dass sie sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen.“

Beamtenbund sieht Chancen nachhaltiger Anlagen

Erheblich betroffen von der Entscheidung sind die Beamten im Land. Immerhin werden für sie rund elf Milliarden Euro angelegt, die dazu dienen, später einmal ihre Pensionen abzusichern. Kai Rosenberger, Landesvorsitzender des Beamtenbunds, hat sich dazu intensiv mit dem Finanzministerium beraten. „Der zuständige Beirat hat den Plänen einstimmig zugestimmt“, berichtet er.

Auch die Rendite sei ein Thema gewesen. „Aber keiner kann uns sagen, wie sich diese entwickeln wird“, so Rosenberger. Es sei möglich, wenn man auf Rüstungsaktien verzichte, die zuletzt deutlich nach oben gegangen seien, „dass wir ein Stück weit mit Einbußen rechnen müssen“. Sein Fazit: „Genauso haben wir die Chance, dass wenn wir auf Photovoltaik und Batterietechnik umschichten, davon langfristig profitieren.“

Land holt sich Hilfe bei der Anlageentscheidung

Das Finanzministerium hat die Münchner Agentur ISS ESG ausgewählt, um Nachhaltigkeitsbewertungen einzuholen. „Wir können bei unseren Finanzanlagen nicht selbst ermitteln, ob ein Unternehmen klimaschädlich investiert oder bei den Lieferanten auf Kinderarbeit setzt. Dazu brauchen wir spezialisierte Agenturen, die uns solche Daten liefern“, sagt Finanzminister Bayaz. ISS ESG ist eine Tochter der US-Beratungsfirma Institutional Shareholder Services.

Wolfgang Leja

Redakteur Wirtschaft und Vergabe

0711 66601-131

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