Kommentar zum Machtwechsel

Wohin geht die CDU mit Hagel?

Der neue CDU-Vorsitzende Manuel Hagel hat sich von den Grünen distanziert, ohne es auszusprechen. Und will dennoch bis 2026 mit ihnen regieren. Kann diese Gratwanderung gelingen?

Manuel Hagel ist der neue starke Mann der CDU im Südwesten.

dpa/Bernd Weißbrod)

Reutlingen /Stuttgart. Es war eine gelungene rhetorische Figur des neuen starken Mannes der CDU: Auf die Frage, wie er mit den Grünen umgeht, antwortete Manuel Hagel in seiner Rede so: „Das Erbe von Winfried Kretschmann ist bei der CDU in besten Händen.“ Das war insofern clever, als Manuel Hagel damit das konservative Wählerpotenzial, das der grüne Ministerpräsident seit zwölf Jahren aus dem CDU-Lager gelockt hat, wieder für sich reklamiert. Anders als der Bundesparteichef Friedrich Merz erklärt er die Grünen nicht zum „Hauptgegner“, sondern erwähnt sie gar nicht.

Und das deutet schon darauf hin, wie der Partei- und Fraktionschef der Union die nächsten drei Jahre agieren wird. Die konservativen Inhalte der Partei werden ins Schaufenster gestellt, ansonsten wird pragmatisch bis 2026 durchregiert – mit Winfried Kretschmann, das hat Hagel ausdrücklich betont.

Schwarz-Grün könnte die Perspektive sein

Denn der 35-jährige Ehinger ist vorausschauend genug zu wissen, dass er auf die Grünen nach der Landtagswahl angewiesen sein könnte. Ob eine „Deutschlandkoalition“ mit SPD und FDP rechnerisch möglich und dauerhaft stabil wäre, ist fraglich. Allein mit der SPD wird es nicht reichen. Das verlässlichste Bündnis wäre, wenn die CDU stärkste Partei würde, zweifellos Schwarz-Grün.

Da die baden-württembergischen Grünen mehrheitlich pragmatisch und reichlich bürgerlich sind, ist das auch kein Problem. In Hessen hat sich Boris Rhein nur deswegen von der Ökopartei verabschiedet, weil es auch mit der SPD reicht und die der bequemere Partner ist.

So könnte der Spagat gelingen, sich von den Grünen inhaltlich in Sonntagsreden abzugrenzen, und dann am Montag wieder im Koalitionsausschuss sachlich miteinander zusammenzuarbeiten. Allerdings sollte der neue Hoffnungsträger der Konservativen seine „Agenda der Zuversicht“ noch mit Inhalten unterfüttern. Auf dem Parteitag in Reutlingen hat er weitgehend nur Überschriften vorgelesen. Aber wie soll eine neue Flüchtlingspolitik aussehen? Wie kann Integration gelingen? Wie soll der Fleißige belohnt werden, und trotzdem jedermann die selben Startchancen gekommen?

Die CDU und Hagel müssen Ideen liefern

Diese Fragen treiben schließlich gerade alle Parteien um. Aber wo sind die originären Ideen der CDU? Die bleibt übrigens auch der Oppositionsführer im Bundestag schuldig. Ganz ohne eigene Inhalte und Ideen fehlt schlicht Substanz.

Auch in der Frage, ob die Brandmauer zur AfD steht, wandte Hagel einen rhetorischen Kniff an. „Wir tragen die Brandmauer in uns und müssen uns darüber nicht belehren lassen.“ Angriff ist die beste Verteidigung, so das Motto. Das grenzt ab, ohne die Stimmen in der Partei auszugrenzen, die sich soziokulturell der Rechtspartei nahe fühlen. Die Partei hat Hagel für sich gewonnen, nun muss er die Bürger überzeugen.

Rafael Binkowski

Chefredakteur des Staatsanzeigers

0711 66601 - 293

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