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Kolumne: Christoph Sonntag

Vom Holen der Dinge

Früher war alles besser? Nein, aber vieles anders, meint unser Kolumnist Christoph Sonntag. Und erzählt, wie bei ihm in seiner Jugend leisten, kaufen und holen zusammengehörte.

Christoph Sonntag, Jahrgang 1962, ist Buchautor, Moderator, diplomierter Landschaftsarchitekt und Kabarettist. Mit seiner „Stiphtung Christoph Sonntag“ stemmt er vor allem in Baden-Württemberg zahlreiche soziale und ökologische Hilfsprojekte. Er trägt den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg. Foto: imago images/STAR-MEDIA

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Kürzlich in der Straßenbahn fragt ein Jungspund den anderen: „Ah, hast du dir auch die Nike Air Max 270 geholt?“ Ich lasse der nachwachsenden Generation ihre Sprache, die ich oft amüsiert beobachte. Aber das ist ein Moment, in dem ich stets interveniere: „Nein!“, sagte ich, „falsch, er hat sich die Treter nicht geholt, er hat sie sich gekauft!“ Dann habe ich beiden folgende Geschichte erzählt.

Der heiß ersehnte Kassettenrekorder scheint zunächst unerschwinglich

Ich hatte mir in der fünften Klasse sehnlichst einen Kassettenrekorder gewünscht. Mein Onkel Oskar arbeitete bei Bosch, das Blaupunkt-Modell, im Laden 250 Mark teuer, bekam er für 169 Mark. Das habe ich meinem Vater mitgeteilt. Dazu musste ich warten, bis die Situation günstig war. Wenn ich meinen Erzeuger damals im ungünstigen Moment erwischte, neigte er zur spontanen Ablehnung, die er danach aus Prinzip nicht mehr rückgängig machen konnte. Das war dann endgültig.

Ein väterliches „..so einen Mist braucht Du nicht!“ hat später dafür gesorgt, dass ich nie ein Mofa hatte. Und es hätte mir den Kassettenrekorder verhagelt. Eines Tages passte es aber; Papa sah den Rekorder im Katalog, während ich ihm erzählte, dass wir ihn 81 Mark billiger kriegen und dass ich damit viel besser Englisch lernen könnte. „Was kostet der? „169 Mark! Statt 250!“ „Also“, sagte mein Vater, „wenn du 69 Mark zusammen gespart hast, lege ich den Rest drauf!“

Pfennig um Pfennig ist mühsam gesammelt worden

Dann habe ich gespart. Jedes 50- Pfennig-Stück, das mir Oma in die Hand gedrückt hatte. In der Waiblinger „Querspange“ am Eingang der Tiefgarage saß ein Mann, teilte Tickets aus und kassierte bei der Ausfahrt. Ihm besorgte ich täglich etwas, meist Zigarren, manchmal eine Brezel. Für diesen Dienst erhielt ich jedes Mal ein paar Pfennige Lohn. Eines Tages hatte ich endlich die 69 Mark zusammen, mein Papa hat Wort gehalten, der Kassettenrekorder war im Haus. Ich hab ihn mir nicht „geholt“, ich habe ihn gekauft. Ich hoffe, die zwei komplett überraschten Jungs in der Straßenbahn haben den Zusammenhang zwischen leisten, kaufen und holen begriffen!

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