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Politik und Literatur

Wenn Politiker zur Feder greifen

Über Politik wird viel geschrieben. Aber was schreiben Politiker, außer Thesenbüchern und Memoiren? Einige prominente Beispiele dafür, mit Bezug zu Baden-Württemberg.

Theodor Heuss war Mitglied der FDP und wurde 1949 zum ersten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt.

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Stuttgart. Politik ist meistens eine prosaische Angelegenheit. Gleichwohl haben sich auch einige Dichter und Schriftsteller in der Politik versucht und umgekehrt Politiker sich schriftstellerisch betätigt. Winston Churchill, Staatsmann weltgeschichtlichen Formats, erhielt 1953 sogar den Literaturnobelpreis. Allerdings für Prosa und historische Werke.

Aktuell prominentester Schriftsteller unter deutschen Politikern ist Robert Habeck, der in Freiburg einst Germanistik und Philosophie studierte und als Endzwanziger freier Schriftsteller wurde – Jahre, bevor er seine steile politischer Karriere startete. Als Autor, meist zusammen mit seiner Frau Andrea Paluch, hat er mehrere Romane für Kinder und Jugendliche verfasst. Eines davon, eine Fortschreibung von Theodor Storms Schimmelreiter, ist verfilmt worden. Es wurde ausgestrahlt, während er im Bundestagswahlkampf als grüner Kanzlerkandidat um Stimmen warb – und von Kontrahent Friedrich Merz abfällig als „Kinderbuchautor“ tituliert wurde.

Guido Wolf hat auch im Wahlkampf Gedichte vorgetragen

Apropos Wahlkampf: Schon im Landtagswahlkampf 2006 trug Guido Wolf , damals allerdings nicht wie 2016 als CDU- Spitzenkandidat, sondern noch Landrat von Tuttlingen, selbst geschriebene Mundartgedichte vor. Eine  Kostprobe, mit klar politischem Einschlag, aus späterer Zeit und auf Hochdeutsch:

„Sagt ein Schwarzer mal zu dir/ „Zwei und nochmal zwei gibt vier“,/ musst als Roter du verneinen,/ dir zuliebe und den deinen./ Stellt dann aber tags darauf/ Rot die Gegenthese auf,/ die alleine richtig sei:/ „Vier besteht aus eins und drei“/ protestiert aus reinem Sport/ Schwarz und widerspricht sofort.

Meldet sich auf off’ner Bühne/ jetzt auch schließlich noch der Grüne,/ komplettiert das ganze Spiel:/ „Vier mal eins gibt grad so viel“,/ kontert Gelb vom Zorn getrieben:/ „Unsinn, vier ist elf weg sieben“./ Dies erklärt zu jeder Frist, was politisch logisch ist.“

Beim Erarbeiten des Grundgesetzes fanden Heuss und Schmid noch Zeit zum Dichten

Theodor Heuss , Mitbegründer der FDP und nach dem Zweiten Weltkrieg erster Bundespräsident, war ein wahrer Homme de lettre. In jungen Jahren liebäugelte er damit Schriftsteller zu werden. Das ihm gewidmete Museum seiner Heimatstadt Brackenheim wirbt damit, es zeige „Heuss mit allen Facetten seiner vielfältigen Begabungen: als Politiker und Staatsmann, Journalist und Literat“. Ja mehr noch, „auch für viele Besucherinnen und Besucher überraschend, als Zeichner und Dichter“.

Bei der Arbeit am Grundgesetz hatte er einen kongenialen Partner im Parlamentarischen Rat: Carlo Schmid (SPD), ebenfalls den schönen Künsten zugetan. Seine Übersetzung von Charles Baudelaires Gedichtband „Les Fleurs du Mal“ gilt bis heute als bahnbrechend. Und er übertrug auch Italiens Nationalepos, Dantes „Göttliche Komödie“, ins Deutsche.

Heuss und Schmid fanden die Zeit, einander mit in antiken oder klassischen Versmaß verfassten Gedichten zu necken. „Der Carlo zelebriert wie ein Gedicht / die hohen Worte seines Staatsfragments / auf jedem Comma wuchtet sein Gewicht /jetzt die Cäsur, dann wuchtig die Cadenz.“

Ein SPD-Minister hat im Ruhestand Krimis verfasst

In der Politik geht es um Macht und Geld – der Stoff, aus dem auch Kriminalromane sind. So liegt es nahe, dass Politiker dieses literarische Genre durch eigene Beiträge bereichern. Horst Ehmke war in den 1960er-Jahren Juraprofessor in Freiburg, eher es ihn in die Nähe Willy Brandts und die Politik zog. Er bekleidete mehrfach Ministerposten und startete nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag Ende der 1990er-Jahre eine späte Karriere als Krimiautor – ein echtes Multitalent. Immerhin fünf Romane veröffentlichte der „intellektuelle Hans Dampf in allen Gassen der SPD“, wie eine Zeitung ihn einmal nannte. Diese spielten im politischen Milieu, es geht etwa um einen ermordeten Bundestagsabgeordneten oder internationale Währungsspekulation. Er sei ein Autor „von dem man gern mehr lesen möchte“, schrieb ein Literaturkritiker über seinen Erstling.

Manfred Rommel hat sich auch durch seine Aphorismen hervorgetan

Manfred Rommel (CDU), 1975 bis 1996 Oberbürgermeister von Stuttgart, hat neben und nach seinem politischen Amt 15 Bücher verfasst. „Manches ist so ernst“, sagt er in seiner Vorbemerkung zu einem davon, „dass es sich nur im Spaß sagen lässt.“

Wie später Wolf hat auch er Gedichte geschrieben und veröffentlicht, sich vor allem aber in einer literarischen Kurzform als Meister hervorgetan: dem Aphorismus. Viele davon kreisen um das Wesen der Politik und das Dasein als Politiker und vermitteln, mitunter boshaft, Einsichten. „Es gibt Politiker, die das, was sie sagen, glauben. Und es gibt solche, die das, was sie sagen, nicht glauben. Erstere sind gefährlich.“ Oder noch ein Bonmot, das sich auch als Ratschlag lesen lässt: „Die Kunst der Politik besteht häufig darin, heiße Eisen mit fremden Fingern anzufassen.“

Guido Wolf ist ein deutscher Jurist und Politiker der CDU.
Robert Habeck ist Mitglied der Grünen und Mitglied des Bundestags.
Carlo Schmid gehörte zur SPD und gehörte zu den zentralen Figuren des demokratischen Wiederaufbaus nach 1945.

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