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Interview: Albert Dürr, Wolff & Müller

„Beim Baupreis könnte man bis zu 30 Prozent sparen“

Albert Dürr führt in dritter Generation das Stuttgarter Bauunternehmen Wolff & Müller. Mit dem Ausstieg aus der IBA hat er Ende 2023 Schlagzeilen gemacht. Seine These: Nachhaltiges Bauen muss nicht teurer sein, sondern ist günstiger.

Dr. Albert Dürr, Jahrgang 1975, ist Geschäftsführender Gesellschafter der Wolff & Müller Gruppe. Foto: Achim Zweygarth

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Staatsanzeiger: Herr Dürr, Sie haben im Dezember Ihren Vertrag als Hauptsponsor an der Internationalen Bauausstellung in Stuttgart gekündigt. Gab es seither Gespräche?

Albert Dürr: Der Dialog hat sich verändert. Ich hatte erst kürzlich einen Gesprächstermin im Stuttgarter Rathaus, wo ich eine Offenheit für weitere Partizipation wahrgenommen habe. Die Sensibilisierung, dass wir es mit einer historischen Chance 2027 für die Metropolregion haben, ist größer geworden.

Was fehlt Ihnen? Mehr Leuchtturmprojekte? Ein umfassendes Konzept?

Für uns waren zwei Dinge ausschlaggebend: Wir wollten ein Zeichen setzen, und wir wollten wachrütteln. Es fehlt an öffentlichem Commitment aller relevanten Akteure. Und wir müssen am Ende des Tages die Menschen mitnehmen. Es braucht ein Alleinstellungsmerkmal: Wofür steht die IBA 2027 ? Was wird als Story die Zeit überdauern, so wie bei der IBA 1927 die Weissenhofsiedlung? Wie kann man zum Beispiel den Fluss in der Stadt erlebbar machen?

Ist denn eine Rückkehr Ihrer Firma zur IBA denkbar?

Ja, das haben wir von Anfang an gesagt. Eigentlich sind wir gegangen, um wiederzukommen.

Ihr Unternehmen hat im Jahr 2022 rund 1,074 Milliarden Euro umgesetzt. Wie lief das vergangene Jahr mit Baukrise?

Wir haben es geschafft, trotz aller Widrigkeiten weiter zu wachsen. Trotz Fachkräftemangel ist es uns mit viel Arbeit und Aufwand gelungen, weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für uns zu gewinnen. Das war nicht immer klar, die Widrigkeiten von Ukraine-Krieg bis zum Heizungsgesetz und wechselnde Vorschriften sorgen nicht gerade dafür, dass die Baubranche rundläuft.

Wie sehen Sie die Perspektiven im Jahr 2024 für Wolff & Müller?

Das sage ich Ihnen am 1. Januar 2025 (lacht). Das Schöne ist: Ich darf das so einfach sagen, als Familienunternehmen unterliege ich keiner Berichtspflicht und keinem externen Board. Unser Marktsegment liegt in Deutschland bei 80 bis 120 Milliarden, mit gut einer Milliarde sind wir ein sehr kleiner Player in einem großen Polypolmarkt. Wenn dieser absolut zurückgeht, ist der verbleibende Anteil hart umkämpft.

Ist der Kampf um den günstigsten Preis noch zielführend, oder müssten Bieter und Anbieter mehr kooperieren?

Dafür stehen wir bei Wolff & Müller , das passt ideal zu unserem Familienunternehmen. Die Überschrift heißt Empathie, wir wollen partnerschaftlich mit unseren Kunden und Baupartnern umgehen. Ich bin kein Freund davon, dass der Preiskampf immer weiter angeheizt wird. Dann wird wieder nur auf die Vergabeentscheidung geschaut, nicht auf technische Lösungen.

Sie errichten viele öffentliche Bauten, von Brücken und Straßen bis hin zu Schulen und Feuerwehrhäusern. Macht Sie die Debatte um die Schuldenbremse nervös?

Wir müssen beobachten, wie die Politik mit dieser Diskussion umgeht. Momentan ist die Unsicherheit alles andere als hilfreich. Investoren benötigen verlässliche Aussagen. Für mich ist nicht Karlsruhe mit dem Urteil zu Corona-Krediten schuld, es ist die Fehlplanung der Bundesregierung.

Sie haben für das Jahr 2023 Nachhaltigkeit als Großthema aufgerufen. Was wird es dieses Jahr sein?

Dasselbe Thema. Wir handeln nach den Leitwerten EPI – effektiv, partnerschaftlich, innovativ – und haben auf dieser Basis einen Zehn-Punkte-Plan für Wolff & Müller definiert. Ein Punkt lautet: Wir wollen nachhaltiges Denken und Handeln weiter im Unternehmen verankern, immer unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit. Das nennen wir Gottlob-Müller-Prinzip …

… nach dem Firmengründer Gottlob Müller, Ihrem Großvater …

Ja, der Begriff ist allerdings erst in diesem Jahrtausend entstanden. Aber er bezieht sich auf meinen Großvater, der persönlich über die Baustellen gelaufen ist und nach jeder Kiste Nägel geschaut hat. Denn er wollte nichts verschwenden. Er hatte damals nicht CO 2 -Emissionen im Kopf, aber wenn wir heute Nachhaltigkeit definieren, kommen wir schnell zu dem Gedanken, weder Ressourcen noch Zeit oder Geld zu verschwenden. Das tun wir, indem wir besser planen und besser ausführen.

Wie würde Ihr Großvater dieses Gottlob-Müller-Prinzip heute beurteilen?

Wenn das Ganze Marketing wäre oder nur oberflächlich, zum Beispiel wie viele Elektroladestellen wir vor die Tür stellen, würde er aus dem Grab aufstehen und mir die Ohren langziehen (lacht) . Aber wenn wir Nachhaltigkeit so definieren, dass es etwas mit Wirtschaftlichkeit zu tun hat, fände er das Gottlob-Müller-Prinzip gut.

Treffen sich da das traditionelle konservativ-schwäbische Denken und die neue grüne Nachhaltigkeit?

Ich darf im Rahmen des Strategiedialogs Bezahlbares Wohnen mit der Landesregierung als Co-Vorsitzender einer Themensäule mitwirken. Ich werbe immer darum: Man kann sehr wohl nachhaltig und wirtschaftlich sein. Wird das nur als Mehrkosten definiert, ist das nicht hilfreich.

Die Baupreise sind aktuell extrem hoch. Was kann die Bauwirtschaft selbst tun, um Bauen bezahlbar zu machen?

Jeder Akteur kann dazu etwas beitragen, und muss auch etwas beitragen. Natürlich bringt mehr ausgewiesene Fläche, mehr Angebot auch sinkende Preise. Und wenn man wirtschaftlicher plant, bekommt man auch wirtschaftliche Ergebnisse. Da gäbe es erhebliche Einsparpotenziale.

Zum Beispiel?

Wir müssen weg von der produktionsbegleitenden Planung, die auf vielen Baustellen noch gang und gäbe ist. Andere Branchen kennen den Begriff in der Regel nicht. Es ist für mich nicht gottgegeben, dass die Farbe oder der Beschlag einer Türe am Tag vor der Abnahme entschieden werden muss. Das kann man früher angehen, und jeder Tag, den wir gewinnen, hat eine hohe Wahrscheinlichkeit, kostenminimierend zu sein. Das könnte eine Größenordnung von bis zu 30 Prozent ausmachen.

Was müssen Politik und Verwaltung tun, um Bauen zu vereinfachen?

Ich bringe in dem Strategiedialog immer ein Bild mit den Wahlprognosen der AfD mit, die in schwindelerregenden Höhen sind. Ich bin Demokrat durch und durch, wir müssen auch im demokratischen Verfassungsbogen bleiben. Politik und Verwaltung müssen wirksame Lösungen für bezahlbares Bauen anbieten.

Geht das schnell genug voran?

Nein, geht es nicht. Das andere Bild, das ich immer mitbringe, ist das einer Familie mit zwei Kindern, die fragen: Hast du meine Wohnung bezahlbarer gemacht? Das kann ich nicht nach jeder Sitzung mit Ja beantworten. Wir haben es mit einem gesellschaftlich wichtigen Thema zu tun. Wenn wir dem Bedarf von 70 000 Wohnungen in Baden-Württemberg hinterherhinken, können wir nicht sagen: Die Geschwindigkeit reicht aus.

Was wäre Ihr Ansatz?

Es gibt eine große Differenz zwischen dem geforderten Qualitätsstandard und dem, was tatsächlich auch gebaut werden müsste.

Das Gespräch führten Rafael Binkowski und Jürgen Schmidt

Albert Dürr: Unternehmer und Netzwerker

Albert Dürr ist Geschäftsführender Gesellschafter der Wolff & Müller-Gruppe mit 2100 Mitarbeitern in Stuttgart. Er studierte Betriebswirtschaft an den Universitäten Tübingen, Berlin und Wien. Im Jahr 2004 promovierte der Diplomkaufmann. Dürr verantwortet die Bereiche Bau- und Rohstoffe und Dienstleistungen. Zudem ist er Mitglied des Aufsichtsrats der Warschauer Erbud-Gruppe. Von 2015 bis 2021 war Albert Dürr Präsident der Normungsorganisation DIN. Zudem engagiert er sich im Bundesvorstand des CDU-Wirtschaftsrats und im Strategiedialog „Bezahlbares Wohnen und innovatives Bauen“ des Landes.

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