Deindustrialisierung

Deutschland befindet sich auf dem absteigenden Ast

Strukturwandel oder bereits Deindustrialisierung? Marktforscher der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) warnen mit Blick auf den Wirtschaftswandel gegenwärtig vor Alarmismus. Doch die  Gefahr sollte nicht  unterschätzt werden.

Deutschland fällt im internationalen Vergleich zurück. Die Probleme sind vielfältig: Fachkräftemangel, drohende Deindustrialisierung und hohe Energiekosten sind nur einige davon.

picture alliance / Werner Kerschbaummayr / fotokerschi / picturedesk.com)

Stuttgart .  „Vor allem der Mittelstand steht mehrheitlich zum bewährten Standort Deutschland“, sagt LBBW-Ökonom Jens- Oliver Niklasch mit Verweis auf eine aktuelle Studie des LBBW-Research.

Im internationalen Vergleich scheint der Standort noch attraktiv zu sein. Darauf dürfe sich die Wirtschaftspolitik jedoch nicht ausruhen, sonst drohe eine gefährliche Deindustrialisierung, warnt Niklasch. Diese finde „noch nicht statt“, die Gefahr werde aber stetig größer. Zahlreiche Indikatoren würden zeigen, dass sich der Standort Deutschland auf einem absteigenden Ast befinde.

Auch ausländische Unternehmen meiden den Standort zunehmend. Laut LBBW seien die Direktinvestitionen aus dem Ausland in Deutschland in den vergangenen beiden Jahren deutlich gesunken. Dagegen hätten die Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland kaum nachgelassen haben. „Die Gefahr einer Deindustrialisierung sollte nicht unterschätzt werden, auch wenn sich der Prozess über viele Jahre und in Etappen vollzieht“, sagt Niklasch.

Eines der Zukunftsszenarien wäre aus sich der Forscher, dass sich die Produktion besonders energieintensiver Erzeugnisse in Regionen verlagern könnte, die Zugang zu günstigen Energiequellen haben, wie das wind- und wasserreiche Skandinavien. Dieser Wandel würde sich eher geräuschlos vollziehen und sei lediglich der Versuch von Unternehmen, die Produktion und ihre Kosten zu optimieren. Bliebe der Wirtschaftswandel ein Strukturwandel, seien zugleich große Produktivitätsfortschritte in bestimmen Dienstleistungsbereichen zu erwarten (z.B. durch die Digitalisierung). „Unter dem Strich bedeutet somit weniger Industrie nicht unbedingt weniger Produktivität oder weniger Wirtschaftsleistung“, erklärt Niklasch. Die deutsche Wirtschaft hatte in den vergangenen Jahren Niklasch zufolge zwar auch mit schweren Sonderfaktoren wie der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg zu kämpfen. Deutschland leide jedoch vor allem unter hausgemachten Schwächen. Dazu rechnet er die hohen Energiekosten der Unternehmen etwa durch die Dekarbonisierung ebenso, wie den Zustand von Infrastruktur und öffentlicher Verwaltung und die unternehmerischen Spielräume durch Fachkräftemangel oder Regierungshandeln. In allen wesentlichen Rankings falle Deutschland zurück. Höchste Zeit also, die wachsenden Rückstände zu anderen Ländern zu begrenzen.

Wolfgang Leja

Redakteur Wirtschaft und Vergabe

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