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Die Furcht vor dem Holperstart von S 21

Die Zahl „21“ bei Stuttgart 21 stand noch nie für ein Fertigstellungsjahr. Sie steht für das 21. Jahrhundert, betont die Deutsche Bahn. Doch wieder einmal geht es darum, wann das Projekt in Betrieb gehen wird. Die Bahn will es bis Dezember 2025 schaffen. Doch Probleme bei der Digitalisierung von Zug und Schiene verunsichern die Partner.

Bei den Bauarbeiten für Stuttgart 21 verunsichern weite Wege die Fahrgäste und Digitalisierungsprobleme die Partner.

IMAGO/Arnulf Hettrich)

Stuttgart . Während die Tunnel, die Schienen und der Bahnhofsneubau auf gutem Weg sind, hängt es jetzt an der Digitalisierung des Schienenknotenpunkts Stuttgart. Damit will die Bahn die Strecken und Bahnhöfe leistungsfähiger machen, die Zugfolgezeiten verkürzen und die Zahl der Züge je Stunde erhöhen. Klappt alles, wird die Infrastruktur erheblich besser ausgenutzt. „Selbst die Zugzahlen im Knoten Stuttgart können weit über die Erwartungen zum Zeitpunkt des Stresstests 2011 hinaus erhöht werden“, verweist das Verkehrsministerium auf ein Gutachten.

Zumindest am Geld soll es nicht liegen. „Ich kann beim Digitalen Knoten Stuttgart verbindlich erklären, dass die Umsetzung nicht an der Finanzierung scheitert“, sagt Michael Theurer (FDP), der Bahnbeauftragte der Bundesregierung. Dabei geht es beim Kern des Knotens um rund eine halbe Milliarde Euro. Das Umland, der sogenannte Baustein 3, kommt mit über einer Milliarde hinzu.

Intelligente Technik steuert die Geschwindigkeit der Züge

Hunderte Mitarbeiter arbeiten unter „hoher Betriebstemperatur“ am Digitalen Knoten Stuttgart (DKS), so die Bahn. Doch die kämpft mit Rückschlägen. Es seien mehrere Meilensteine nicht erreicht worden, hatte DB-Infrastrukturvorstand Berthold Huber im Dezember eingeräumt.

„Bei der Digitalisierung geht es darum, keine Lichtsignale mehr zu haben“, erklärt Peter Reinhart, der bei der Infrastrukturtochter der Bahn, DB InfraGO Stuttgart, für den Digitalen Knoten zuständig ist. „Anstelle grüner und roter Lichtsignale auf der Strecke hat der Lokführer künftig ein Computerdisplay vor sich, auf dem er sieht, wie weit und wie schnell er fahren darf“, erklärt er. Dabei kommuniziert intelligente Technik auf den Strecken mit der Technik an Bord und optimiert laufend den Betrieb. „Wie auf einer Perlenschnur aufgereiht, sind die Züge auf den Gleisen unterwegs“, sagt Reinhart. „In Kombination mit weiteren Systemen können so mehr Züge fahren, die Infrastruktur wird besser ausgelastet, bei gleichzeitig weniger Verspätungen.“

Damit das funktioniert, läuft im Hintergrund das European Train Control System (ETCS), das Europäische Zugbeeinflussungssystem. Es definiert die streckenseitige sowie die fahrzeugseitige Ausrüstung. Doch gerade hier bereitet der Bahn ihr Partner Thales Sorgen, der die Leit- und Sicherungstechnik für die ETCS-Technik liefern soll. Die Tochter des französischen Bahnkonzerns ist seit rund zweieinhalb Jahren in einem Schwebezustand. Der Mutterkonzern will seine Transportsparte an die japanische Hitachi Rail verkaufen. Doch Bedenken von Wettbewerbshütern haben das Vorhaben gebremst. Der Übernahmeprozess ist noch im Gange, auch wenn Hitachi Rail seit Ende Oktober von der EU-Kommission grünes Licht für die Fusion bekommen hat. Vermutlich liegen darin einige der technischen Schwierigkeiten begründet.

Züge werden digital. Foto: Deutsche Bahn AG/Volker Emersleben

So wurden die ersten geplanten Inbetriebnahmen des neuen Digitalen Stellwerks sowie ETCS verfehlt. Angesichts der Probleme diskutiert die Bahn verschiedene Varianten, um eine Teil-Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs möglich zu machen. Dabei war die Digitalisierung des Bahnknotens Stuttgart schon immer in Stufen geplant. Bis 2025 soll der Kern des Knotens in Betrieb gehen, der neben Stuttgart 21 auch den Kernbereich der S-Bahn umfasst. Bis 2032 soll das Umland folgen samt dem S-Bahn-Netz.

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) will „auf jeden Fall“ einen „Holperstart“ vermeiden. „Angesichts der hohen Komplexität des Projekts braucht es genügend Zeit zum Testen. Denn eine Inbetriebnahme des Bahnknotens, bei der es gleich zu Beginn zu massiven Störungen kommt, würde sich negativ auf das gesamte Netz auswirken.“

Dabei muss auch das Land seinen Teil zum Gelingen beitragen. Es muss sicherstellen, dass die Züge das ETCS-System an Bord haben. Der Bund hat für die Fahrzeugausrüstung Fördermittel in Höhe von 482 Millionen Euro zugesagt. „Wir hoffen, hiermit einen Großteil unserer Kosten für die digitale Ausrüstung unserer Regionalverkehrsfahrzeuge decken zu können“, so das Verkehrsministerium. Auch die Umsetzung der Infrastruktur der Bausteine 1 und 2 des Digitalen Knotens Stuttgart ist seitens des Bundes durchfinanziert. Streit ums Geld gibt es trotzdem.

Bahn soll rund 180 Millionen Euro aus Eigenmitteln beisteuern

„Unser Problem ist die Finanzierung des dritten Bausteins. Nur mit der Digitalisierung des Umlands wird die zugesicherte Leistungssteigerung erreicht“, so das Ministerium. Der Bund habe dafür bereits 471,5 Millionen Euro zugesichert. Die Bahn weigere sich aber, ihren Vorbehalt in den Verträgen wieder aufzuheben. Dieser bezieht sich auf rund 180 Millionen Euro, die die Bahn aus Eigenmitteln beisteuern soll. Sollte der Vorbehalt nicht ausgeräumt werden, verfällt die gesamte Finanzierung des Bausteins 3 einschließlich der Bundesmittel. „Damit würde die Bahn nicht nur ihre Leistungsversprechen für Stuttgart 21 verfehlen, sondern auch Stuttgart 21 als Pilotprojekt für die bundesweite Digitalisierung der Schiene gefährden“, so das Verkehrsministerium.

Wolfgang Leja

Redakteur Wirtschaft und Vergabe

0711 66601-131

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