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Wohnungsbaukrise

Aktionstag der Baubranche: Kaum Pfiffe für Politiker in Stuttgart

Mehr als 1200 Beschäftigte aus der Baubranche haben am Freitag auf einer Kundgebung auf die Krise im Wohnungsbau aufmerksam gemacht. Sie forderten mehr Landesmittel für den sozialen Wohnungsbau sowie eine Senkung oder Aussetzung der Grunderwerbssteuer. Vertreter von drei Landtagsfraktionen sicherten den Demonstranten zu, ihre Forderungen zu unterstützen.

Rund 1200 Beschäftigte und Unternehmer aus der Baubranche machen in Stuttgart auf die schwierige Lage im Wohnungsbau aufmerksam.

Jürgen Schmidt)

Stuttgart. Der Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg , Thomas Möller, hatte schon vor dem Aktionstag seiner Branche – dem ersten in Deutschland – eine klare Trennlinie zu den Bauernprotesten gezogen. Es solle eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den eingeladenen Landespolitikern geben, aber kein Politiker-Bashing.

Mehr als 200 Fahrzeuge beteiligen sich an der Sternfahrt in die Stuttgarter Innenstadt. Fotos: Jürgen Schmidt

Und bis auf eine kurze Ausnahme hielten sich die Mitarbeiter und Chefs von Bauunternehmen und Betrieben aus Nebengewerken aber auch aus Planungsbüros und der Steine-Erden-Industrie an die Maßgabe. Nur die wohnungspolitische Sprecherin der Landtagsgrünen Cindy Holmberg wurde mit einem Pfeifkonzert begrüßt, als sie von Möller als Rednerin angekündigt wurde. Doch nach einer Intervention des Bauverbandschefs blieb es danach verhältnismäßig ruhig.

Unterschiedliche Positionen in  der grün-schwarzen Koalition

Dabei war die Grünen-Politikerin die einzige der vier eingeladenen wohnungspolitischen Fraktionssprecher, die Forderungen der Baubranche in Sachen Wohnungsbau nicht vorbehaltlos unterstützte. Sie sprach sich zwar für zusätzliche Förderprogramme auch für den Wohnungsbau aus, beim Thema Grunderwerbssteuersenkung bremste sie aber. Darüber könne man diskutieren, aber dann gingen dem Land Steuereinnahmen verloren, die man an anderer Stelle brauche, etwa für die Kindergärten.

Sehr viel eindeutiger zugunsten der Bauwirtschaft hatte Natalie Pfau-Weller vom Koalitionspartner der Grünen Stellung bezogen. Die CDU setze sich für eine rasche Absenkung der Grunderwerbssteuer von derzeit fünf auf 3,5 Prozent ein. Zudem wolle sie sich bei ihren Parteikollegen in Berlin für eine rasche Einigung über das Wachstumschancengesetz einsetzen, damit die degressive Abschreibung für Investitionen in Bauprojekte in Kraft treten könne. Möller hatte dieses steuerliche Instrument als einen wesentlichen Hebel für eine Wiederbelebung des Geschosswohnungsbaus genannt.

Neben zahlreichen Lkw sind Bauunternehmen aus dem ganzen Land auch mit einzelnen Baggern zur Demonstration gekommen.

Bauministerium will mehr für frei finanzierten Wohnungsmarkt tun

Auch Friedrich Haag (FDP) und Klaus Ranger von der SPD unterstützten die Forderungen der Bauwirtschaft uneingeschränkt. Die Oppositionspolitiker warfen der Regierung vor, schon seit Jahren zu wenig gegen den Wohnungsmangel zu tun. Einigkeit herrscht zwischen den vier Parteien aber darüber, dass Bauen einfacher werden und die Zahl der Vorschriften sinken muss. Doch dass, auch darüber gab es keinen Dissens, wirke erst mittelfristig und helfe der Bauwirtschaft in der momentanen Krise nicht. Diese erwartet sofort Unterstützung. “ Die Bauwirtschaft hat immer zuverlässig geliefert. Doch heute brauchen wir selbst Hilfe“, betonte Möller.

Auch der Amtschef des baden-württembergischen Bauministeriums, Christian Schneider, räumte ein, dass es zusätzliche Mittel zur Ankurbelung des Wohnungsbaus brauche. Doch der Spitzenbeamte mit CDU-Parteibuch riet dazu, sich nicht nur auf den sozialen Wohnungsbau zu fokussieren. Dieser mache nur zwei Prozent des Wohnungsbestandes im Land aus. „Wir müssen uns mehr um den frei finanzierten Wohnungsmarkt kümmern“, postulierte Schneider.

150.000 bis 200.000 zusätzliche Sozialwohnungen nötig

Mit dieser Sicht stieß er nicht bei allen Gruppen, die den Aktionstag organisiert hatten, auf Verständnis. „Der Markt kann nicht alles regeln“, betonte der Bezirksvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umelt (BAU) , Andreas  Harnack. Denn vor allem im Niedrigpreissegment fehlten Wohnungen. Baden-Württemberg brauche 150.000 bis 200.000 zusätzliche Sozialwohnungen, hatte der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther, unter Berufung auf eine kürzlich vorgestellte Studie erklärt.

Vor der Kundgebung hatte die Baubranche mit einer Sternfahrt auf ihr Anliegen aufmerksam gemacht. Beteiligt waren zahlreiche Lkw aller Größenordnungen, vereinzelt auch Bagger. Die Veranstalter sprachen von mehr als 200 Fahrzeugen. Zu einem Verkehrschaos in der Stuttgarter City kam es nicht, weil die Baufahrzeuge nur am Karlsplatz, dem Ort der Kundgebung vorbeifuhren und dann am Wasen abgestellt wurden.

Auf den Plakaten und Bannern dominieren inhaltliche Forderungen. Allgemeine Kritik an der Politik gibt es nur vereinzelt.

Jürgen Schmidt

Redakteur Wirtschaft und Vergabe

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