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Interview: Peter Schneider

Peter Schneider: „Keiner ahnte, dass wir auf solchen Risiken sitzen“

Peter Schneider ist durch raue See gefahren: Der Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg musste in der Finanzkrise 2009 nicht nur die eigene Landesbank wegen Milliardenverlusten retten. Nach 18 Jahren an der Spitze der Finanzgruppe übergibt er am Montag an seinen Nachfolger Matthias Neth ein Haus, das mächtiger dasteht denn je.

„Ich habe alles erreicht, was man so erreichen kann für einen Juristen und Staatsbeamten“, sagt der scheidende Verbandspräsident, Peter Schneider.

Achim Zweygarth)
Staatsanzeiger: Herr Schneider, im Mai 2006 kamen Sie als Landrat aus Biberach ins Amt. Von heute auf morgen wurden Sie zum Banker. Hätten Sie damals gedacht, dass Sie 18 Jahre im Sattel sitzen würden?

Peter Schneider: Nein, das kann man nicht annehmen. Im Oberland sagt man, auch wenn du reiten kannst, musst du mit dem Gaul rechnen. Und der Gaul ist nicht einfach. Denn es ist bundesweit die größte Finanzgruppe: sehr vielfältig, mit vielen Herausforderungen. Und in der Tat haben die 18 Jahre enorme Herausforderung gebracht.

Kaum im Amt, platzte 2007 in den USA eine Immobilienblase, dann die Pleite der US-amerikanischen Großbank Lehman Brothers. Es kam zur Bankenkrise, Staaten wackelten. Sie waren plötzlich mitten im Feuer. Was verbinden Sie mit dieser Zeit?

Es ist so ein Gefühl, wie wenn du auf einen hohen Turm musst, auf dem du noch nie warst, und dann musst du runterspringen und weißt nicht, wie tief das Wasser da unten ist. Also unglaublich. Es war sicher meine schwierigste Zeit. Wir mussten erkennen, dass die Finanzkrise auch uns erwischt hatte. Nicht die Sparkassen, aber auf der Ebene der Landesbank.

Die musste im Jahr 2009 mit fünf Milliarden Euro gerettet werden. Welche Erinnerungen haben Sie daran?

Zunächst hatte keiner geahnt, dass wir auf solchen Risiken sitzen. Unser Wirtschaftsprüfer sagte, da können Sie ganz ruhig schlafen. Die Aufsicht hatte keinen Laut gegeben. Der Vorstand nicht alarmiert. Und dann nahm das Unglück seinen Lauf. Innerhalb weniger Monate waren wir in einer geradezu existenzbedrohenden Lage. Im Raum stand die Abwicklung der LBBW. Der Bund bot einen Rettungsfond. Ich habe damals gesagt: das ist kein Weg für uns. Der lässt uns im Risiko stehen, aber nimmt uns die Selbstgestaltung und die Möglichkeiten, da wieder rauszukommen. Und dann kam die Erkenntnis, von allen Wegen ist die Kapitalerhöhung und die Garantieabschirmung über 13 Milliarden der beste Weg.

Wo groß war das Risiko?

Wir hatten damals mit dem Kapital, das wir der Landesbank bereitstellten, 80 Prozent des Eigenkapitals der Sparkassen gebunden. Viele haben gesagt, das ist zu riskant. Aber wir haben daran geglaubt, dass die Landesbank sehr gut aufgestellt war: In der der Firmenfinanzierung, dem Kundengeschäft in der Breite, der BW Bank, ihrer Sparkassen-Zentralbankfunktion und der Immobilienfinanzierung. Was uns die Probleme bereitete, war das Kreditersatzgeschäft.

…dabei wurden sehr komplizierte Forderungskonstrukte verbrieft.

Das war ein Volumen von in der Spitze 100 Milliarden Euro. Und diese Papiere sind in der Bonität abgestiegen. Und damit mussten wir dies mit mehr Eigenkapital unterlegen. Sich dann für einen dieser Lösungswege zu entscheiden und den durchzusetzen, war hoch umstritten.

Lässt sich im Rückblick sagen, die Rettung ist gelungen?

Es ist fast alles gelungen. Wir haben das Kreditersatzgeschäft und alles, was dazugehört, komplett abgebaut. Wir haben die Bank redimensioniert und das Haus wieder auf Kurs gebracht. Heute ist die LBBW die größte Landesbank. Sie ist nachhaltig profitabel und sie hat wieder die Kraft und die Kapitalausstattung, strategische Schritte zu machen.

Und wieso ist das nicht ganz gelungen?

Weil wir von Seiten der Sparkassen mit einem Teil dieser Kapitalmaßnahmen noch immer in der Kreide stehen. Ein Drittel wurde abbezahlt, zwei Drittel sind noch offen. Das schmerzt mich. Ich hätte diese Beteiligung gerne abbezahlt übergeben.

Mit unverkennbar oberschwäbischem Zungenschlag haben Sie die Regulierung aus Brüssel gescholten. Was läuft da aus Ihrer Sicht schief?

Es war klar, dass man nach der Finanzkrise mehr regulieren musste. Es war richtig etwa die Eigenkapitalanforderungen zu verschärfen. Aber dass dies so ungebremst in eine Wahnsinnsbürokratie läuft, die enorm viel kostet, dann operative Freiheiten einschränkt und Menschen in Entscheidungsebenen erzeugt, die sich fragen, soll ich noch das Risiko eingehen? Zum wirtschaftlichen Erfolg gehört immer auch das Risiko. Und wer glaubt, Risiken mit mehr Bürokratie besser zu beherrschen oder gar auszublenden, der minimiert operative Freiheiten und Gestaltungsmöglichkeiten so stark, dass er zum Schluss nicht mehr wirtschaftlich richtig erfolgreich ist.

Ein Punkt, den Sie in Brüssel stets sehr verteidigten, ist die Institutssicherung, ihr Sparkassen-eigenes System zum Schutz der Einlagen ihrer Sparer. Die EUKommission will die Einlagensicherung auf eine gemeinsame europäische Ebene stellen. Dagegen haben Sie sich in Brüssel stets gewehrt. Warum?

Wir bieten als Finanzgruppe die höchste Sicherheit überhaupt im Finanzbereich für Sparerinnen und Sparer. Und das ist für die Menschen wichtig. Wir haben eine eigene Sicherung, wo alles ohne Begrenzung gesichert ist. Offensichtlich ist aber auch, dass die EU an unsere Sicherungstöpfe ran will. Das haben letztlich aber die Sparerinnen und Sparer bezahlt. Ich bin daher völlig dagegen, zu sagen, das geht in den europäischen Topf.

Sie haben die Sparkassen stets als bodenständig bezeichnet. Ist die Finanzgruppe für die neuen Herausforderungen ausreichend gut aufgestellt?

Nachhaltigkeit ist unser Megathema. Deutschland als Volkswirtschaft braucht viel Geld für die Energiewende. Um die Produktion weg von fossilen Energieträgern umzustellen und um neue Netze zu bauen. Die Stromautobahnen kosten enorm viel Geld. Wir stehen vor Investitionen, wo Fachleute sagen, das hat eine Dimension vergleichbar mit der einstmaligen Industrialisierung Deutschlands. Der Staat allein kann das nicht finanzieren. Wir brauchen viel privates Kapital. Und neue Finanzierungsformen, an denen wir intensiv arbeiten.

Nächste Woche übergeben Sie den Staffelstab an Ihren Nachfolger Matthias Neth . Mit welchem Gefühl gehen Sie diesem Tag entgegen?

Ich komme aus kleinen Verhältnissen, ich war in meiner ganzen Ahnenreihe, soweit ich sie verfolgen kann, der Erste, der eine akademische Ausbildung machen durfte. Ich habe alles erreicht, was man so erreichen kann für einen jungen Juristen und Staatsbeamten. Ich bin mit 33 Jahren Landrat geworden, Abgeordneter im Landtag, ich war OEW-Vorsitzender , Aufsichtsratsvorsitzender der EnBW. Und jetzt am längsten 18 Jahre im Amt des Sparkassenpräsidenten. Ich bin dankbar für solch ein großes Lebensglück, das ich gehabt habe.

Das Gespräch führte Wolfgang Leja

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Wolfgang Leja

Redakteur Wirtschaft und Vergabe

0711 66601-131

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