Lohnuntergrenze

„Mindestlohn darf nicht zum Spielball der Politik werden“

Seit Anfang des Jahres ist der Mindestlohn auf 12,41 Euro gestiegen. Doch bereits jetzt werden Rufe laut, die staatlich festgesetzte Lohnuntergrenze kräftig zu erhöhen. Die Arbeitgeber warnen davor, dass die Politik die Lohnfindung immer mehr bestimmen könnte.

"Die Lohnfindung ist Sache der Sozialpartner und der Tarifpolitik, nicht der Parteien“, kritisiert Oliver Barta, Hauptgeschäftsführer der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW).

dpa/Christoph Schmidt)

Stuttgart . Im vergangenen Jahr hatten die Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der Mindestlohnkommission die Erhöhungsschritte bis 2025 beschlossen. Der nächste soll im Januar 2025 erfolgen. Dann wird die staatlich festgesetzte Lohnuntergrenze weiter auf 12,82 Euro steigen. Orientiert hatten sich die Kommissionäre an der allgemeinen Lohnentwicklung. Doch die Entscheidung sorgte für Streit. Die Arbeitnehmervertreter hatten mindestens 13,50 Euro gefordert. Die Gewerkschaftsseite war von der unabhängigen Kommissionsvorsitzenden Christiane Schönefeld überstimmt worden.

Unabhängige Kommission entscheidet über Lohnhöhe

Der gesetzliche Mindestlohn war einst auf Betreiben der SPD eingeführt und von der damalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ausgestaltet worden. Dazu gehörte auch die Zusage, dass künftige Erhöhungen durch die Sozialpartner – in einer unabhängigen Kommission mit Vertretern der Gewerkschaften und der Arbeitgeber – vorgenommen werden sollten, ohne Einmischung der Politik.

Gegen dieses Versprechen hatte die Ampelregierung auf Betreiben von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) allerdings 2022 verstoßen, als der Mindestlohn außerplanmäßig auf zwölf Euro erhöht wurde. Jetzt, eineinhalb Jahre später, rüttelt die SPD erneut daran. Mittlerweile sprechen einzelne Spitzenfunktionäre von 15 Euro die Stunde. „Das ist keine verlässliche Politik, die Vertrauen schafft. Die Lohnfindung ist Sache der Sozialpartner und der Tarifpolitik, nicht der Parteien“, kritisiert Oliver Barta, Hauptgeschäftsführer der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW).

Jüngst haben sich die Gewerkschaft Verdi und die Grünen im Bundestag unter Verweis auf eine EU-Richtlinie für eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde ausgesprochen. Die EU-Vorgabe soll im November schon gelten. Die Mitgliedsstaaten seien aufgefordert, einen Mindestlohn einzuführen, der sich an 60 Prozent des mittleren Einkommens der Länder orientiert. „Das ist lediglich eine Empfehlung und nicht als verbindliche Umsetzung zu verstehen“, sagt Volker Steinmaier, Sprecher des UBW. „Die deutsche Regelung, bei der die Mindestlohnkommission den Mindestlohn festlegt – auch in seiner Höhe – ist rechtskonform zur EU-Mindestlohnrichtlinie.“

Gegenwärtig bekommen immer noch 6,4 Millionen Beschäftigte in Deutschland weniger als 13 Euro pro Stunde. Dennoch ist der Niedriglohnsektor laut dem Statistischen Bundesamt binnen zehn Jahren deutlich geschrumpft. Laut Untersuchungen der Mindestlohnkommission wirke sich der Mindestlohn insbesondere auf Kleinbetriebe aus. Ihre Anzahl habe sich dadurch leicht verringert.

Gute Konjunkturentwicklung bremst negative Folgen ab

Diese Beobachtung teilen auch die Arbeitgeber. „Befürchtungen, dass ein zu hoher Mindestlohn Beschäftigung kosten könne, sind nicht in dem Maße eingetreten wie befürchtet“, sagt Volker Steinmaier vom UBW. Man müsse dabei allerdings berücksichtigen, dass es parallel zu seiner Einführung eine gute Konjunkturentwicklung gegeben habe. „Wir hatten eine sehr gute Beschäftigungsentwicklung und einen zunehmenden Fachkräftemangel bis hin zu einem Arbeitskräftemangel, der etwaige Negativeffekte des Mindestlohns kaschiert hat.“

Seit seiner Einführung im Jahr 2015 ist der Mindestlohn um mehr als 45 Prozent erhöht worden. „Wenn ich das extrapoliere, dann haben wir irgendwann den Mindestlohn auf dem Niveau von Einstiegslöhnen der Metall- und Elektrobranche, wo wirklich sehr gut bezahlt wird“, warnt Steinmaier. Und das würde in anderen Branchen zu einer Überforderung führen.“ Daher sei die Grundidee zu sagen, der Mindestlohn orientiere sich an der Tarifentwicklung, die richtige Idee.

Der gesetzliche Mindestlohn greift dort, wo keine allgemeinverbindlichen, tariflichen Mindestlöhne gelten, wie etwa in der Gebäudereinigung. Foto: IMAGO/Frank Hoermann / SVEN SIMON

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