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IHK-Experte: Neuorientierung im Export kann vor der eigenen Haustüre starten

Weil der Handel mit den USA schwieriger wird, müssen sich heimische Exporteure nach neuen Märkten umschauen.
IMAGO/imageBROKER/Lilly)Stuttgart. „Die Anfragen haben zugenommen“, bestätigt Marc Bauer von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart und ergänzt: „Das Exportgeschäft wird vermutlich kleinteiliger, weil der Zugang zu den großen Märkten China und USA schwieriger geworden ist.“ Das dürfte nach seiner Einschätzung in vielen Unternehmen den Bedarf nach Außenhandelsspezialisten im Vertrieb erhöhen. Denn Chancen bieten viele Märkte. Doch um sie zu erschließen gilt es manche Hürde zu nehmen.
Nach Alternativen gefragt nennt Bauer einen Markt, der keine Zollschranken kennt: „Wie wäre es mit dem Binnenmarkt? Oft haben Unternehmen diese Möglichkeiten noch gar nicht ganz ausgeschöpft.“ Der gemeinsame Euro in vielen Staaten verhindert, dass die Kalkulation durch Währungsschwankungen belastet wird. Die meisten EU-Mitgliedsländer – anders als Deutschland – entwickeln sich positiv. Zudem will Brüssel angesichts der globalen Konflikte mehr in die EU-Infrastruktur investieren.
Geschäfte mit den EU-Nachbarn kennen zwar keine Zölle, doch manches ist anders. Das gilt es bei der Vertragsgestaltung zu beachten. Hier helfen die örtlichen Kammern, die auch mit den 140 Außenhandelskammern weltweit vernetzt sind.
Ex-Außenminister kann sich Kanada in der EU vorstellen
Donald Trumps globaler Zollkrieg hat vor allem im Nachbarland Kanada einen Schock ausgelöst. Dort erinnert man sich jetzt an die europäischen Wurzeln. Französisch ist immer noch zweite Landessprache. Inzwischen hat die Regierung in Ottawa „auf breitem Feld“ Gespräche mit der EU aufgenommen. Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) kann sich sogar eine Art „EU-Mitgliedschaft“ für Kanada vorstellen. Zu bieten haben die Kanadier Stahl, Aluminium, Dünger, Holz, Öl und Gas. Gesucht werden neben Industriegütern und landwirtschaftlichen Erzeugnissen eine Vielzahl von Gütern, die Produkte aus den USA ersetzen können. Denn die verärgerten Kanadier boykottieren derzeit konsequent Waren aus den Vereinigten Staaten.
Außerhalb der EU stellen Mittelständler oft fest, dass die Zollhürden hoch und die bürokratischen Prozeduren komplex sind. „Neue Freihandelsabkommen fördern die Unabhängigkeit von den USA. Deutschland und die EU müssen hier jetzt schnell bereits anverhandelte Abkommen abschließen“, betont deshalb Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). Im Blick hat er vor allem das Abkommen mit dem südamerikanischen Wirtschaftsraum Mercosur. Die Freihandelsvereinbarung ist grundsätzlich nach Verhandlungen über 25 Jahre Anfang Dezember 2024 unterzeichnet worden. Durch das Abkommen soll eine der weltweit größten Freihandelszonen mit mehr als 750 Millionen Einwohnern entstehen. Zuletzt hat die EU in die Mercosur-Staaten Waren und Dienstleistungen im Umfang von 110 Milliarden Euro verkauft.
Handel mit Indien hält sich noch in Grenzen
Ende Februar war das gesamte EU-Spitzengremium in Indien. Das riesige Land mit fast 1,5 Milliarden Menschen dürfte seinerseits jetzt mehr Interesse an einer Kooperation zeigen, nachdem Trump auch Neu-Delhi mit horrenden Zöllen bedroht. Die EU und Indien wollen bis Ende des Jahres zu einem Handelsabkommen finden. Schon heute sind viele Unternehmen auf dem Subkontinent aktiv, aber gemessen an der Größe des Marktes hält sich das Handelsvolumen mit 124 Milliarden Euro in Grenzen.
Am Marktzugang für Rind- und Schaffleisch ist bisher ein Abkommen mit Australien gescheitert. Der fünfte Kontinent sucht nach alternativen Absatzmärkten insbesondere für die Agrarwirtschaft, di unter einem Handelskonflikt mit China leidet. Brüssel wiederum hat einen besseren Zugang zu kritischen Mineralien, wie zum Beispiel seltene Erden im Blick. Darüber verfügt Australien reichlich. Angesichts der drängenden Probleme dürfte die Steak-Frage jetzt schnell gegessen sein. Den Gesprächsfaden hat die EU-Kommission bereits mit Mexiko wieder aufgenommen. Im Januar gelang es bereits ein altes Handelsabkommen aufzufrischen. In Malaysia und hat die Kommission wieder Gespräche über ein Freihandelsabkommen aufgenommen. Auch das Nachbarland Indonesien mit 290 Millionen Einwohnern gilt als hochinteressanter Partner. Brüssel verstärkt nun auch die Gespräche mit den Philippinen und Thailand.
Elf afrikanische Staaten gehören zu den am schnellesten wachsenden Volkswirtschaften
Als große Unbekannte, der enormes Potenzial zugesprochen wird, gilt aber Afrika. „In einem Vierteljahrhundert dürfte jeder vierte Mensch Afrikaner sein. Der Bedarf reicht von Lebensmitteln und Infrastruktur zu Energie- und Medizintechnik, über Konsumgüter bis hin zur Digitalisierung“, teilt die bundeseigene Germany Trade and Invest – Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mit. „Elf der 20 am schnellsten wachsenden Märkten liegen in Afrika. Das bietet deutschen Unternehmen große Chancen“, erklärt Jana Unger vom Wirtschaftsnetzwerk Afrika.
Auch IHK-Experte Bauer sieht in einigen afrikanischen Ländern gute Absatzmöglichkeiten. Allerdings seien die Alltagsbedingungen oft nicht einfach. Zudem werde man oft feststellen: „Die Chinesen sind häufig schon da.“