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Energiewende

Streit über die Zukunft des Erdgasnetzes droht

2040 will Baden-Württemberg die Klimaneutralität erreichen, spätestens dann fällt die Nutzung von Erdgas zum Heizen oder für Prozesswärme weg. Das Bundeswirtschaftsministerium hat jetzt die Debatte angestoßen, was das für die Gasnetze in Deutschland bedeutet. Jürgen Schmidt

Bei der Wasserstoffversorgung über das Kernnetz müssen wir beachten, dass der Wasserstoff zunächst vor allem im Norden eingespeist werden wird.

IMAGO/Hans-Jürgen Serwe)

Stuttgart. 46 500 Kilometer Leitungen liegen in Baden-Württemberg im Boden, um Haushalte, Wirtschaft und öffentliche Gebäude mit Erdgas zu versorgen. Was mit diesem Netz passiert, wenn Erdgas als Energieträger aus Klimaschutzgründen nicht mehr eingesetzt werden darf, ist derzeit noch völlig offen. Prinzipiell gibt es drei Optionen: Die Nutzung des Leitungsnetzes ganz oder teilweise für den Transport von Wasserstoff, Biomethan als Ersatz von fossilem Erdgas oder die Stilllegung des Gasnetzes, zumindest in Teilen.

Regionale Wirtschaftsstruktur erschwert Netzumbau

Egal welche Option in welchen Umfang künftig zum Tragen kommt: Für die Betreiber der Gasverteilnetze wird die Transformation eine gewaltige Herausforderung. Denn sie müssen sicherstellen, dass in der Übergangsphase die Versorgung sichergestellt ist, die Umstellungen vorankommen und die Kosten nicht ausufern.

Im Südwesten stehen die Gasnetzbetreiber noch vor einigen speziellen Herausforderungen, wie Torsten Höck, Geschäftsführer des Verbandes für Energie- und Wasserwirtschaft Baden-Württemberg (VfEW), erklärt. „Die regionalen Besonderheiten erhöhen den Druck auf die Gasnetzbetreiber an vielen Stellen“, betont er. Zu den Besonderheiten zählt zum Einen, dass die Netzbetreiber wegen des Klimaziels des Landes fünf Jahre weniger Zeit für die Umstellung haben. Zum Zweiten ist die geografische Lage eher ungünstig. „Bei der Wasserstoffversorgung über das Kernnetz müssen wir beachten, dass der zunächst vor allem im Norden eingespeist werden wird, sagt Höck.

Gasmarkt im Südwesten anders strukturiert als in anderen Bundesländern

Und auch die Wirtschaftsstruktur stellt die Gasnetzbetreiber vor Probleme. Weil fast in jedem Winkel des Landes ein größerer Industriebetrieb sitzt, muss dieser auch künftig mit einer Art von Energie versorgt werden, die er für seine Produktionsprozesse braucht. Denn eine Elektrifizierung ist nicht in allen Fällen möglich. Und vom Wasserstoff-Kernnetz sind diese Betriebe oft weit entfernt.

Der Gasmarkt in Baden-Württemberg unterscheidet sich laut Höck zudem von dem in vielen anderen Bundesländern. Hierzulande spiele die Industrie eine viel größere Rolle als Abnehmer. Im privaten Bereich werde dagegen noch sehr viel mit Öl geheizt. Auch das habe Auswirkungen auf die Zukunft des Gasnetzes.

Regulatorischer Rahmen muss aus Sicht der Wirtschaft bald stehen

Um die Debatte, wie es mit dem Gasnetz weitergehen soll, in Gang zu bringen, hat das Bundeswirtschaftsministerium Mitte März das „ Green-Paper Transformation Gas-/Wasserstoff-Verteilernetze “ veröffentlicht und darin wesentliche Fragen zur möglichen künftigen Ausgestaltung und Nutzung des Gasnetzes, zum künftigen regulatorischen Rahmen, zur Finanzierung der Transformation, der erforderlichen Förderung und der Preisgestaltung für Gas in der Umstellungszeit zusammengetragen. Bis Ende vergangener Woche konnten die Verbände aus der Energiebranche Stellung beziehen.

Auch wenn der Prozess noch ganz am Anfang steht, werden die ersten Konfliktlinien zwischen dem Ministerium des Grünen-Wirtschaftsministers und der Energiewirtschaft sichtbar. So will die Politik den Einsatz von Wasserstoff auf die Bereiche beschränken, in denen andere Energieträger nicht infrage kommen. Die Verbände lehnen diese Einschränkung ab, wollen gewissermaßen Technologieoffenheit. Dazu gehört auch der Einsatz von Biomethan, das Erdgas direkt ersetzen könnte. Und Streit dürfte es auch um die Frage geben, was mit stillgelegten Leitungen geschehen soll. Die Verbände sprechen sich gegen einen Rückbau ohne einen weiteren Anlass aus.

Um Planungssicherheit zu bekommen, sollte der Prozess nun schnell weitergehen, fordert Höck. „Der regulatorische Rahmen sollte bis zum Jahresende stehen.“

97 Prozent des Gasnetzes für Wasserstoff geeignet

Während das Bundeswirtschaftsministerium dem Gasverteilnetz im Zuge der Energiewende eine schwindende Bedeutung attestiert, hält der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches dieses für den Wasserstoff-Hochlauf für unverzichtbar. Technisch hält der Fachverband das Gasnetz für gut geeignet, um darin künftig Wasserstoff zu transportieren. 97 Prozent der Rohre sind in Deutschland aus Stahl oder Kunststoff und damit für Wasserstoff grundsätzlich geeignet.

Jürgen Schmidt

Redakteur Wirtschaft und Vergabe

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