Erste Hilfe

Unternehmen sollten für den Notfall gerüstet sein

Jahrelang kann alles ohne Zwischenfälle laufen im Betrieb, doch dann kann ohne Vorwarnung plötzlich unmittelbare medizinische Hilfe erforderlich sein - wegen eines Unfalls, eines Herzstillstands oder aus anderen Gründen. Arbeitgeber sind verpflichtet, für den Ernstfall vorzusorgen und Ersthelfer zu schulen.

Erste-Hilfe-Kurs

dpa/Jochen Tack)

REUTLINGEN . Manchmal können Minuten oder Sekunden entscheiden, ob ein Mensch überlebt oder einen medizinischen Notfall ohne Folgeschäden übersteht. Auch deshalb gehört erste Hilfe zu den Pflichtaufgaben für alle Arbeitgeber. Doch nicht nur aus rechtlicher Sicht sind Unternehmen gefordert, für eine effektive Notfallversorgung zu sorgen. Die Investition in erste Hilfe kann auch handfeste betriebswirtschaftliche Vorteile bringen.

Aber auch rechtlich gesehen kommen Betriebe um das Thema nicht herum. „Unternehmerinnen und Unternehmer müssen in ihrem Betrieb die organisatorischen, sachlichen und personellen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Beschäftigten bei einem Arbeitsunfall schnell erste Hilfe erhalten und entsprechend dem Prinzip der Rettungskette versorgt werden können“, erläutert Jennifer Jakob, Personal-Expertin von der Industrie- und Handelskammer Reutlingen.

Arbeitgeber haben gesetzliche Pflichten, für erste Hilfe zu sorgen

Laut Arbeitsstättenverordnung und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) sind Arbeitgeber in Deutschland verpflichtet, für die erste Hilfe in ihrem Betrieb zu sorgen. Das bedeutet: In Abhängigkeit von der Betriebsgröße und dem jeweiligen Gefährdungspotenzial müssen Unternehmen Verbandskästen bereitstellen. Wichtig: Einmal anschaffen und dann vergessen ist die falsche Strategie. Das Material muss regelmäßig auf Vollständigkeit und Ablauf von Verfallsdaten überprüft werden.

Im Notfall entscheidend ist allerdings die menschliche Komponente, das Wissen und die innere Bereitschaft der Mitarbeiter, medizinische Soforthilfe zu leisten. Je nach Betriebsgröße und Branche müssen Arbeitgeber sicherstellen, dass ausreichend ausgebildete Ersthelfer vor Ort sind. Diese sollten regelmäßig Schulungen durchlaufen, damit sie im Ernstfall handlungsfähig sind.

„Bei zwei bis 20 anwesenden Beschäftigten muss in einem Verwaltungs- oder Handelsbetrieb mindestens ein Ersthelfer während der Arbeitszeit vor Ort sein“, erläutert Jakob. In Unternehmen mit betrieblichen Gefahren seien mehr Ersthelfer vorgeschrieben. „In Verwaltungs- und Handelsbetrieben mit mehr als 20 Beschäftigten müssen mindestens fünf Prozent der anwesenden Beschäftigten als Ersthelfer geschult sein, in sonstigen Betrieben mindestens zehn Prozent“, so die Expertin.

Ein eigener Erste-Hilfe-Raum oder eine vergleichbare Einrichtung ist erst bei größeren Arbeitgebern rechtlich erforderlich, nämlich in Betrieben mit mehr als 1000 Beschäftigten. Wenn besondere Unfall- oder Gesundheitsgefahren bestehen, liegt die Grenze bei 100 Beschäftigten.

Vielfältige Unterstützung für Arbeitgeber gibt es bei dem Thema seitens der jeweils zuständigen Berufsgenossenschaften. Das betrifft auch die Kosten. „Für betriebliche Ersthelfer übernehmen in den meisten Fällen die gesetzlichen Unfallversicherungen die Kosten“, erklärt dazu Lars-Ejnar Sterley, Geschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bunds Baden-Württemberg, der zu den Anbietern entsprechender Kurse gehört. Dabei sollte man allerdings unbedingt die einschlägigen Regelungen der DGUV und der Berufsgenossenschaften vorab konsultieren, rät Sterley. So würden zum Beispiel einzelne Berufe per se als betriebliche Ersthelfer anerkannt.

Arbeitgeber kann Mitarbeiter als Ersthelfer verpflichten

Wer als Arbeitgeber erste Hilfe nicht nur als lästige Pflicht sieht, macht sich in der Regel das Leben leichter und schafft zudem mehr Sicherheit im Unternehmen. „Wer Mitarbeiter für das Thema motiviert und die Bedeutung mit Begeisterung vermittelt, stellt das Thema auf eine breite Basis“, sagt Sterley.

Arbeitgeber können grundsätzlich Mitarbeiter verpflichten, eine Ersthelferausbildung zu durchlaufen. Doch freiwillige Ersthelfer gelten als wesentlich wirkungsvoller – und sind auch für die später notwendigen Auffrischungsschulungen eher zu gewinnen. Abgerundet wird eine gelungene Erste-Hilfe-Organisation in der Firma durch ein auffälliges Hinweissystem und gelegentliche Übungen.

Für Arbeitgeber ergeben sich etliche Vorteile, wenn sie das Thema ernst nehmen: Schnelle und wirksame erste Hilfe kann dazu beitragen, die Dauer von Arbeitsunfähigkeiten zu reduzieren. Wenn Mitarbeiter wissen, dass ihr Arbeitgeber sich um ihre Sicherheit sorgt, kann dies motivierend wirken und das Wir-Gefühl steigern. Dem Image nach außen dient es ebenfalls. Schließlich gilt: Wer die gesetzlichen Vorgaben befolgt oder gar übertrifft, kann, etwa im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen, juristischen Auseinandersetzungen vorbeugen.

Mitarbeiter auf den Ernstfall vorbereiten

Einmal im Jahr müssen gemäß DGUV-Vorschriften alle Beschäftigten über das richtige Verhalten bei Unfällen und bei akuten Erkrankungen unterwiesen werden. Das ist keine Ersthelferausbildung, kann aber die Versorgung im Notfall verbessern. Folgende Themen sollten dabei behandelt werden: Wer im Betrieb ist ausgebildeter Ersthelfer? Wie kann ein Notruf abgesetzt werden? Was ist dabei zu beachten? Wo befinden sich die Erste-Hilfe-Materialien?

Holger Schindler

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