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Kolumne Social Media in Kommunen

Kanzlerwahlkampf der SPD: Welche Strategien Kommunen daraus mitnehmen sollten – Teil 1

Wie erreichen Kommunen und Bürgermeister ihre Community? In der All-Facebook-Konferenz berichtete Journalistin und Autorin Carline Mohr über die Wahlkampfstrategie von Olaf Scholz in den sozialen Netzwerken. Social-Media-Beraterin Daniela Vey fasst in der Kolumne "Social Media in Kommunen" zusammen, welche Lehren Kommunen anhand dieses Beispiels ziehen können.

Per Livestream können Kommunen mit ihren Bürgern ins Gespräch kommen.

dpa-tmn | Christin Klose)

STUTTGART. Journalistin und Autorin Carline Mohr – im Netz auch bekannt als „@mohrenpost“ – leitet seit 2019 den Newsroom der SPD. Auf der All-Facebook Konferenz gab sie Einblicke hinter die Kulissen des Wahlkampfes von Bundeskanzler Olaf Scholz. Ihre Ausführungen dienen als gutes Beispiel, welche Lehren Städte und Gemeinden für die eigene Social-Media-Strategie ziehen können.

Trick 1: Relevanzkriterien beachten

Mohr und ihr Team haben die Kampagne nach den Relevanzkriterien aufgebaut, die man aus dem Einmaleins des Journalismus-Studiums kennt. Anhand dieser Kriterien wird entschieden, ob und in welchem Umfang eine Geschichte erzählt wird. Zu Beginn erklärt man dem Leser, warum man genau diese Geschichte erzählt, warum man das genau jetzt tut und was das mit dem Leben des Lesers zu tun hat.

Die Inhalte auf Social-Media-Plattformen haben sich über die letzten Jahre hinweg professionalisiert und entwickeln sich permanent weiter. User werden mit hochqualitativem Content versorgt und gleichzeitig wird der Kampf um die Aufmerksamkeit immer härter. Aber ist dieses „Getöse“ wirklich das, was die Menschen wollen? Ist es nicht viel wichtiger, die Inhalte auf die Bedürfnisse zuzuschneiden und Mehrwert zu schaffen?

Überlegen Sie sich sehr gut, mit welchen Menschen Sie kommunizieren und welche Fragen und Themen genau diese Personen interessieren bzw. sehr hohe und aktuelle Relevanz haben. Machen Sie das zum zentralen Punkt Ihrer Social Media Kommunikation. Verändern Sie vor allem die Kernaussage von „Das haben wir gemacht“ hin zu „Das haben wir für Sie – unsere Bürger – gemacht!“

Genau deshalb haben Carline Mohr und ihr Newsroom-Team fünf Relevanzkriterien aufgestellt: Listen, Explain, Feel, Do und Service – also zuhören, erklären, fühlen, handeln und helfen.

LISTEN (Zuhören)

„Listen“ gehört dabei zu Mohrs persönlicher Lieblingskategorie und wird ihrer Meinung nach noch zu oft stiefmütterlich behandelt. Es geht darum, einer „redaktionellen Gesellschaft“ gerecht zu werden – ein Begriff den Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen geprägt hat. Menschen sind es mittlerweile gewohnt, senden zu können. Jeder macht sich selbst zum Redakteur. Daher wollen sie entsprechend behandelt und eingebunden werden. Ziel war es also, Formate zu schaffen, in denen die Geschichten der Menschen im Vordergrund stehen. 

Um beim Beispiel Scholz zu bleiben, gab es neben den klassischen Formaten wie Bürgersprechstunden auch Live-Formate mit dem Kanzlerkandidaten, eine interaktive Fragerunde auf Instagram mit Karl Lauterbach und regelmässige Call-Ins – also Aufforderungen – Fragen oder Erfahrungswerte zu bestimmten Themen einzusenden. So erzählte eine Reinigungskraft sehr eindrücklich, was der Mindestlohn für sie bedeuten und verbessern würde. Auf jeden Fall eine Möglichkeit, wie Kommunen mit ihren Bürgern interagieren können.

Nutzen Sie interaktive Formate und gehen Sie ganz bewusst in den offenen Dialog mit Ihren Bürgern – über Fragerunden bei Beiträgen, in Stories oder eben als Live-Format.  Praxisbeispiel: Johannes Fridrich aus Nürtingen macht regelmäßig Live-Formate auf Facebook und Instagram.

EXPLAIN (Erklären)

In diesen Social-Media-Formaten wurden die Nutzer mit Argumenten, Fakten oder Hintergrund-Wissen versorgt. Das konnten klassische Kacheln sein, um beispielsweise das Thema Heizkosten zu erklären, oder persönliche Meinungen, warum beispielsweise Armin Laschet aus SPD-Sicht nicht Kanzler werden sollte.

Lassen Sie Mitarbeiter aus der Verwaltung, die fachlich im Thema sind Projekte oder Themen erklären – natürlich nur, so lange sich diese auch vor der Kamera wohlfühlen. Alternativ auch gerne mit Foto und passendem Text.

Besonders erfolgreich sind solche Erklärformate, wenn sie von Bürgermeister, Landrat oder vielleicht auch aus dem Gemeinderat kommen. Halten Sie sich kurz und vermeiden Sie Floskeln und sperrige Verwaltungsbegriffe. Ein ebenfalls sehr gutes Beispiel ist die aktuelle Arbeit von Robert Habeck, der immer wieder kurze Videos nutzt, um sehr verständlich und bürgernah zu erklären, was er gerade tut, um welche Probleme er weiß und wie er versucht diese zu lösen.

FEEL (Fühlen)

Hier stehen Emotionen und Unterhaltung im Vordergrund. Im klassischen Bereich wären das Angriffe auf die politischen Gegner oder auch mal pathetische Wahlkampfplakate, beim Beispiel „Scholz“ war es mit dem Titel „Liebe ist rot“. Zu den Weihnachtsfeiertagen ging es dann aber auch hier wieder um die Geschichten der Genossinnen und Genossen. Mohr und ihr Team fragten: „Habt ihr eure jeweiligen Partner:innen über die SPD kennengelernt? Erzählt uns eure Geschichte!“ Von Sprachnachrichten über Mails, von JuSo-Parties und Parteitagen – es war alles dabei. 

Lassen Sie die Bürgerinnen und Bürger ihre Stadtgeschichten erzählen – was sie lieben, warum sie hier wohnen oder auch mal was sie ärgert. So wissen die Leute, dass sie in allen Bereichen auch ernstgenommen und gehört werden – selbst wenn sich manches nicht kurzfristig verbessern oder lösen lässt. Herrenberg hat unter dem Hashtag #unterwegsinherrenberg ein ganz tolles Bürgerformat umgesetzt. Hier werden Bürger portraitiert und befragt zu Themen rund um die Stadt.

DO (Handeln)

Bei allem geht es jedoch auch immer um eines: Die Leute zum Handeln zu bewegen. Daher waren klare Aufforderungen auch ein wichtiger Teil: Bitte teilt den Inhalt. Schaltet euch im Livestream dazu. Unterstützt unsere Aktion. Abonniert diesen Kanal. Ändert euer Profilbild und unterstützt so unsere Kampagne.

SERVICE (Helfen)

Hier stand immer im Fokus, den Leuten etwas vorzubereiten und anzubieten, zum Beispiel „Wir haben das Internet leergelesen, damit ihr das nicht tun müsst und das hier sind die drei wichtigsten Artikel für euch.“ Oder das Angebot, über einen Bot immer die aktuellsten Inzidenz-Zahlen und aktuellen Corona-Regelungen zu erhalten. 

Trick 2: Facebook-Gruppen

Eine der größten Herausforderungen ist es, aus der eigenen Filter-Bubble herauszukommen und trotz Social-Media-Algorithmen neue Zielgruppen zu erreichen. Eine Möglichkeit ist es, bei Facebook aktiv auf Gruppen zuzugehen. Zunächst definierte das Team relevante Zielgruppen für Olaf Scholz und recherchierte passende Facebook Gruppen.

So schrieben Mohr und ihr Team beispielsweise die Administratoren der Gruppe „Wir sind Pflege“ an, die immerhin 73.000 Mitglieder zählt und bot ein exklusives Live-Q&A mit Olaf Scholz an. Die gute Nachricht war, dass die Administratoren sehr angetan von der Idee waren. Die „schlechte“, dass sie die Fragerunde selbst moderieren wollten. Das hieß natürlich „Kontrollverlust“ für das Team der SPD. Ihr Fazit: Durch solche Kooperationen erreicht man deutlich mehr Menschen, als man das je mit der eigenen Facebook-Seite könnte.

In jeder Stadt und Gemeinde gibt es auch mehrere Facebook-Gruppen in denen sich die Bürger austauschen. Hören Sie dort zumindest zu und greifen Themen aus den Gruppen aktiv in Social Media Beiträgen auf Ihren Profilen auf.

Alternativ können Sie natürlich auch mit den Gruppen-Administratoren in Kontakt treten und gezielte Gesprächsangebote zu relevanten Themen machen, zum Beispiel in Elterngruppen zur Kinderbetreuung oder in allgemeinen Gruppen zu Projekten mit Bürgerbeteiligung.

Trick 3: Kommentare

Das oberste Credo im Wahlkampf: Raus aus der eigenen Filterblase, um neue Menschen zu erreichen. Alle Netzwerke legen Wert auf „meaningful interations“ – ein aktiver und relevanter Austausch zum jeweiligen Thema. Das Social-Media-Team bat den Kanzlerkandidaten darum, ausgewählte Beiträge von Zeit, Spiegel oder N-TV zu kommentieren. Der Kommentar selbst kam dabei durch Likes und Kommentare etwa gleich viel Interaktion, wie auf der SPD-eigenen Seite. Aber rund 10 Prozent der Mitleser dieser Beiträge abonnierten im Anschluss die Seite von Olaf Scholz. Das Interesse war geweckt.

Zusätzlich stieg die Reichweite des Ursprungsartikels nach den Kommentaren von Scholz noch einmal um das zehn- bis zwanzigfache. Darüber hinaus aktivierte Mohr auch die SPD-Community auf Telegram, die rund 15.000 Menschen umfasst. Sie teilte dort die Facebook-Beiträge der jeweiligen News-Kanäle. Wurden die Teilnehmer dann auf den persönlichen Kommentar von Olaf Scholz aufmerksam, stiegen sie ebenfalls in die Kommentare mit ein und generierten ebenfalls zusätzliche Reichweite, Aufmerksamkeit und weitere „Meaningful Interactions“.

Im zweiten Teil „Kanzlerwahlkampf der SPD: Welche Strategien Kommunen daraus mitnehmen sollten“ geht es unter anderem um die Magie des Schwarms, um eine Community aufzubauen.

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