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Krankenhausdefizite

Friedrichshafen reicht Klinik an den Bodenseekreis weiter

Der Medizin Campus Bodensee schreibt Millionenverluste. Deshalb steigt Friedrichshafen zum Jahresende aus der Trägerschaft aus. Das hat der Rat beschlossen. Der Bodenseekreis soll übernehmen, steht finanziell aber selbst mit dem Rücken zur Wand.

Friedrichshafen gibt die Trägerschaft des Medizin Campus auf. Der Kreis will nicht einspringen.

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Friedrichshafen. Die Stadt Friedrichshafen wird zum 1. Januar 2026 die Trägerschaft für den Medizin Campus Bodensee (MCB) mit den Krankenhäusern in Friedrichshafen und Tettnang aufgeben. Ziel sei die geordnete Übergabe an den Bodenseekreis. So hat es der Gemeinderat am Montag einstimmig und ohne Diskussion beschlossen. „Es geht um nicht weniger als das Überleben des MCB“, erklärte Stadtrat Pascal Salomon (CDU). Man könne die millionenschweren Defizite nicht weiter stemmen.

Klinik macht zig Millionen Euro Verluste

Seit Jahren türmen sich die Verluste des kommunalen Klinikverbunds, dessen Hauptgesellschafter Friedrichshafen ist. Nach einem Fehlbetrag von 20 Millionen Euro 2023 rechnet die Geschäftsleitung mit Defiziten von knapp 50 Millionen Euro für 2024 und 2025. Die Zeppelin-Stiftung hatte bisher das Defizit bezahlt, doch die Dividenden der Stiftungskonzerne, vor allem des Automobilzulieferers ZF Friedrichshafen, tragen nicht mal mehr die laufenden Kosten der Stiftung. „Wir haben gerade im Stiftungshaushalt eine Situation, wie wir sie nie hatten“, erklärte Oberbürgermeister Simon Blümcke (parteilos). Die Stadt könne sich die Trägerschaft des MCB nicht mehr leisten. Der Kreis müsse einspringen.

Nach Auffassung der Stadtverwaltung müsse nach Paragraf 3 des Landeskrankenhausgesetzes der Kreis die Klinikversorgung gewährleisten, falls die Stadt die Trägerschaft für beide Krankenhäuser aufgebe. Selbst zur Einstellung des Betriebs sei die Stadt berechtigt. Entziehe sich der Kreis dieser Pflicht, könne das Regierungspräsidium anordnen, dass der Landkreis die Kliniken weiterführen muss.

Im Oktober 2024 hatte Friedrichshafen öffentlich den Bodenseekreis um Gespräche zur Beteiligung gebeten. Diese blieben ohne Ergebnis, weshalb OB Blümcke, auch Chef des MCB-Aufsichtsrats, vorgeprescht ist.

Irritation beim Friedrichshafener Landratsamt

Das Landratsamt zeigt sich irritiert. Friedrichshafen plane ohne Abstimmung mit der Kreisverwaltung, die Trägerschaft an den Kreis weiterzureichen. CDU-Landrat Luca Prayon erklärte, dass man mit der Stadt und dem Kreis Ravensburg eine tragfähige Lösung für die klinische Versorgung in der Region Bodensee-Oberschwaben entwickeln wolle. Grundlegende Fragen seien aber noch offen, etwa die Gesellschaftsstruktur, Eigentumsverhältnisse, geplanten Neubauten und das medizinische Konzept. Erst wenn diese Punkte geklärt seien, kann der Kreistag eine fundierte Entscheidung treffen, so Prayon vor der Ratssitzung. Der Kreis habe erst am 24. Juni klargestellt, dass er die Trägerschaft zum 1. Januar 2026 unmöglich übernehmen könne.

Dies ließ den Gemeinderat unbeeindruckt. Dennoch gab er mit seinem Beschluss mehr als 20 Millionen Euro an Betriebskostenzuschüssen und Investitionsmittel frei, um den Betrieb vorerst zu sichern. Außerdem bleibe Friedrichshafen als größte Stadt im Bodenseekreis an der Finanzierung der Klinikversorgung über die – dann wohl steigende – Kreisumlage beteiligt.

Landkreis hat selbst kaum Geld

Für den Bodenseekreis ist die Situation vertrackt. Der Kreistag hat im Februar einen Etat beschlossen, der trotz Erhöhung der Kreisumlage um zwei auf 32 Prozent ein Defizit von 8,5 Millionen Euro einpreist. Dass der Kreis nun auch noch die hochdefizitären Krankenhäuser übernehmen soll, dürfte bei den 18 Bürgermeistern im Kreistag wenig Begeisterung hervorrufen – zumal viele Gemeinden selbst finanziell unter Druck stehen. Allerdings braucht der Bodenseekreis ein Krankenhaus als Zentralversorger. Das kann das Helios-Spital in Überlingen – ein Haus der Regelversorgung mit 170 Betten und 6800 stationären Patienten – nicht leisten. In Friedrichshafen werden fast viermal mehr Patienten behandelt. Eine Planinsolvenz, die Blümcke als Drohkulisse aufgebaut hat, wäre ein Risiko für den Weiterbetrieb des Klinikums. Sonst bliebe nur der Verkauf.

In der Nachbarschaft sind die Landkreise zuständig

Im nahen Ravensburg und Konstanz kümmern sich dagegen die Kreise schon lange um die Klinikversorgung. Die Oberschwabenkliniken (OSK) haben 2023 einen Rekordverlust von fast 32 Millionen Euro eingefahren. Auch dort hadert man mit einer verfehlten Krankenhauspolitik als Ursache für die Finanzmisere.

Hier ein Kommentar zu diesem Thema

Was sagen Gesetz und Regierungspräsidium?

Zur Pflichtträgerschaft schreibt das Landeskrankenhausgesetz vor, dass die Land- und Stadtkreise für die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Krankenhäusern zuständig sind, wenn andere das nicht leisten.

Das Regierungspräsidium Tübingen geht beim MCB noch von einer einvernehmlichen Lösung aus. Darin wolle man die Beteiligten unterstützen.

Lesen sie hier mehr über das Klinikum

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