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Auch die Behörden stöhnen über komplexe Steuergesetze

Ein gemeinsames Forschungsprojekt der Hochschule Ludwigsburg und dem Innenministerium legt den Schwerpunkt auf die Tätigkeiten der öffentlichen Hand und die öffentliche Aufgaben.
IMAGO/Zoonar)Stuttgart/Ludwigsburg. Für die meisten ist das Ausfüllen der jährlichen Einkommensteuererklärung eine lästige Pflicht, wenn nicht gar ein Graus. Zu unverständlich erscheint ihnen das Steuerrecht und groß die Gefahr, unwissentlich und unwillentlich Fehler zu begehen. Vielleicht ein Trost für sie: Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung geht es oft ähnlich. Denn auch die öffentliche Hand unterliegt der Steuer – und muss sogar besonders viel beachten, seit das Umsatzsteuerrecht geändert wurde.
Tanja Leibold, Professorin für Steuerrecht an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg , erläutert das Problem, das Anstoß zu einem Forschungsprojekt der Hochschule mit dem Innenministerium gab. Das neue Umsatzsteuerrecht sieht unter Umständen eine Besteuerung ab dem ersten Euro vor. „Auch wenn gar kein Betrieb gewerblicher Art vorliegt, wird die öffentliche Hand umsatzsteuerpflichtig, sobald sie im Wettbewerb steht.“
Aufwand für Steuererhebung und Ertrag stehen in keinem Verhältnis
Laut Claudia Gassner, Ministerialrätin im Innenministerium, hat man den Schwerpunkt der Forschungsarbeit auf die Tätigkeiten der öffentlichen Hand gelegt, die öffentliche Aufgaben so mit sich bringen. Also nicht wirtschaftlich ausgerichtet sind und wie in einer GmbH oder ähnlich organisiert sind. „Denn das ist der Normalfall bei öffentlichen Einrichtungen“, sagt die Leiterin der Stabsstelle Tax Compliance und Steuern. Eine wichtige Erkenntnis des Forschungsprojekts sei es, wie schwierig es oft ist, überhaupt die Besteuerungsgrundlagen zu erheben. In der Innenverwaltung gebe es rund 100 Einrichtungen. Und diese seien höchst unterschiedlich, der Tätigkeits- und Zuständigkeitsbereich eines Regierungspräsidiums beispielsweise sei „extrem vielfältig“.
Schon wenn man einen kleinen Shop im Museum betreibe oder ein Sponsoring für Öffentlichkeitsarbeit bekomme, sei es aufwendig, den steuerpflichtigen Teil herauszufiltern. „Das ist eine komplexe Sache, auch rechtlich, und sehr arbeitsintensiv – während jeder private Unternehmer die Daten viel leichter aus seiner Buchhaltung bekommt“, so Gassner. Und Fehler oder Ungenauigkeiten können unangenehme Folgen haben, erläutert Professorin Leibold am Beispiel Freibäder. Diese seien meist hoch defizitäre Zuschussbetriebe. Trotzdem könne eine Kommune dort kapitalertragsteuerpflichtig werden, wenn sie ihre Dokumentationspflicht nicht richtig erfüllt, etwa kein richtiges steuerliches Einlagenkonto führe.
„Die öffentliche Hand braucht Erleichterungen“, lautet denn auch ein weiteres Ergebnis des Forschungsprojekts. Die bestehende Überregulierung müsse abgebaut werden, sagen Leibold und Gassner unisono – und haben konkrete Vorschläge. So etwa eine Erhöhung der Grenze für die Annahme eines Betrieb gewerblicher Art, die bisher bei 45 000 Euro Jahresumsatz liegt.
Gassner plädiert zudem dafür, die Umsatz- und Gewinngrenze für die Kapitalertragsteuerpflicht im Einkommensteuergesetz stark anzuheben. „Das wäre eine spürbare Erleichterung“ und zudem „politisch wünschenswert, um den sehr belasteten Kommunen, aber auch den anderen Verwaltungen Spielraum für ihre Verwaltungsaufgaben zu geben.“ Ähnlich wie in Österreich sollten Steuerpflichtige mehr Verfahrenserleichterungen durch die Finanzverwaltung erhalten, wenn Sie wirksame interne Kontrollsysteme eingeführt haben.
Studierende halfen mit, einen Steuerführerschein zu entwickeln
Auch haben Leibold und Gassner Stellschrauben gefunden, um Verwaltungsarbeiten rechtssicher zu gestalten. Eine Datenbank wurde erprobt, die alle Verträge managen kann. Alle Landesverwaltungen können sie nutzen, so Gassner. Jetzt ist sie auch im Servicekatalog der BITBW, dem zentralen IT-Dienstleister des Landes.
Im Projekt ist mit Studierenden ein Steuerführerschein entwickelt worden: eine digitale Fortbildung, die wie ein Film abläuft. Am Schluss gibt es Kontrollfragen und ein Zertifikat. „Das ist eine Möglichkeit, viele Mitarbeitende zu schulen, gerade auch diejenigen, die sonst wenig mit dem Steuerrecht zu tun haben“, so Leibold. Das Tool soll auch den Kommunen zur Verfügung gestellt werden.
Der Unterstützung von Innenminister Thomas Strobl (CDU) ist sich Gassner sicher. Er habe das Projekt gefördert, weil es der gesamten öffentlichen Hand als Grundlagenforschung diene. Und Leibold lobt den Aufbau des Tax Compliance Managements im Ministerium als vorbildlich: Dort ist eine unabhängige Stelle dafür zuständig, die an der Hausspitze angesiedelt ist.
Wie ein Tax Compliance Management System helfen kann
Ein Compliance Management System bündelt alle Strukturen, Prozesse und Maßnahmen einer Organisation, die dazu dienen, die Einhaltung von Regelkonformität sicherzustellen. Ein internes Kontrollsystem für Steuern – das Tax Compliance Management System (TCMS) – dient dazu, gesetzliche Steuer- und Abgabepflichten frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig zu erfüllen. Es hilft, Fehler zu erkennen oder besser noch, von vorneherein zu vermeiden. So sinkt auch das Risiko von straf- und bußgeldrechtlichen Konsequenzen für juristische Personen des öffentlichen Rechts im Zug der Neuregelung der Umsatzbesteuerung. Auch lassen sich mit diesem System generell interne Abläufe verbessern.