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Journalismus unter Druck: Schubart und staatliche Zensur

Der Journalist und Dichter Christian Friedrich Daniel Schubart.
imago images/H. Tschanz-Hofmann)Stuttgart. Das Herzogtum Württemberg war Vorreiter bei der staatlichen Zensur von Druckwerken. 1737 wurde eine politische Zensurbehörde eingerichtet. Sie ergänzte die seit Jahrhunderten praktizierte kirchliche moralische und religiöse Kontrolle. Der Zensor befasste sich mit „solchen Gegenständen, deren Kenntnüß der herzoglichen Durchlaucht allein gehört“. Alles Politische sollte von der bürgerlichen Öffentlichkeit ferngehalten werden. Die Herrschenden blieben unter sich und Rechenschaft waren sie niemandem schuldig. Verschwiegenheit über alle Staatsangelegenheiten war die oberste Pflicht.
Hohe Strafgelder für anstößige Druckwerke
„Räsonnierende Untertanen“ wollte man keinesfalls haben. Der Berufsstand der „Zeitungsschreiber“, die dagegen verstießen, fand Eingang in das Betrugslexikon von 1761. Darin waren die „die meisten Betrügereyen in allen Ständen“ gelistet. Für bereits erschienene anstößige Druckwerke mussten hohe Strafgelder gezahlt werden. Sehr viel härter traf es dagegen Christian Friedrich Daniel Schubart im Frühjahr 1777. Er wurde ohne Gerichtsurteil zehn Jahre auf dem Hohenasperg eingekerkert, weil in seiner „Deutschen Chronik“, einem zweimal in der Woche erscheinenden Journal mit acht Seiten im Kleinformat, vieles zu lesen war, was der Obrigkeit nicht behagte.
Vor allem der württembergische Herzog Carl Eugen hatte es auf den kritischen Journalisten abgesehen, der mit seinen Artikeln den Fürsten „heiße Wahrheiten ins Gesicht spricht“. Dabei war es für den mächtigen Landesherrn gar nicht so einfach, den kritischen Geist einzufangen: Schubart war kein Landeskind und fühlte sich dort auch nicht wohl.
„Ich bin in Schwaben ein Fremdling“. Außerhalb Württembergs 1739 in Obersontheim geboren und unter kaiserlichem Schutz in der freien Reichsstadt aufgewachsen, war er dem Zugriff der württembergischen Polizei entzogen. Auch später agierte er überwiegend von außerwürttembergischen Territorien aus: Geislingen , das zu Ulm gehörte, dann Augsburg und schließlich im toleranten Ulm, wo man sein Blatt ab 1774 ungehindert erscheinen ließ.
Seine „Chronik“ informierte ausführlich über die politische Lage in Deutschland und der Welt, drohende oder laufende Kriege und die Unpässlichkeiten der königlichen Hoheiten. Auch Unterhaltsames fehlte nicht. „Literarische Neuigkeiten“, sachkundige Rezensionen von Konzerten sowie Anekdoten und anschauliche Berichte aus dem Alltagsleben füllten die Spalten der Gazette, die bald 20 000 Leser fand.
Die Kritik konnte man nur zwischen den Zeilen lesen
Kritik an der Obrigkeit war bei Schubart selten direkt. Manche Regenten hofierte er sogar – der württembergische Herzog Carl Eugen gehörte nicht dazu. Oft stand nur zwischen den Zeilen, was dem Publizisten missfiel. Seine Leser verstanden ihn trotzdem. So deckte er in seiner ersten Ulmer Ausgabe 1775 auf, dass der württembergische Fürst, „in der strengsten Verborgenheit … nach Rom gereist“ sei, wohingegen ihn „öffentliche Blätter aber nach Mömpelgard begleiteten“.
Das war eine Spitze des investigativen Journalisten gegen die regierungsfreundlichen Blätter, die suggerierten, der katholische Landesherr sei in sein linksrheinisches Reich gefahren und nicht nach Italien, wo er an der Papstwahl teilnehmen wollte. Wer dahinter steckte, ihm das Handwerk zu legen, ist unklar. Kirchliche Kreise könnten es gewesen sein oder der Wiener Hof. Unsicher ist, ob dem Fürsten das böse Wort „Donna Schmergalina“ über seine Mätresse Franziska zu Ohren kam. In seiner „Chronik“ hat er es nicht geschrieben, aber in einem Brief. Vielleicht hat er es auch an einem Wirtshaustisch gesagt, wo er einigermaßen sicher war.
Mit einem Trick gelang dem Herzog die Festnahme. Am 18. Januar 1777 wies er seinen Blaubeurer Klosteramtmann an, Schubart auf „unstreitig Herzogl. Würtembergischen Grund und Boden“ zu locken. Der Zeitungsmacher folgte arglos einer Einladung in den Klosterhof in Blaubeuren . Von dort ging es direkt in den Kerker auf dem Hohenasperg. Bis zum 11. Mai 1787 blieb Schubart dort in Gefangenschaft.
Überlastung der Zensoren
Nach der zehnjährigen Haft auf dem Hohenasperg startete Schubart 1787 mit der Vaterländischen Chronik ein neues Zeitungsprojekt. Herzog Carl Eugen gewährte Freiheit von der Zensur, seine Aufpasser konnten den Auftrag wegen Überlastung nicht übernehmen. Außerdem brachte der Druck Geld in die herzogliche Kasse. Die Freiheit währte nicht lange, zumal Schubart nicht klein beigab. Einen Tag vor seinem Tod im Jahr 1791 wurde die Zensur erneut angeordnet.