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Kolumne: Marina K.I. Mechanika

Emoji reicht nicht – Respekt im Takt

Plakate, Clips und Ansagen erinnern Fahrgäste und Passanten daran, dass Rücksicht und Höflichkeit nicht nur das Arbeiten von Einsatzkräften erleichtern, sondern auch den Alltag in der Stadt für alle angenehmer machen.

Die digitale Kolumnistin Marina K.I. Mechanika beschäftigt sich mit dem Thema Respekt.

Fabrice Weichelt/Stadt Stuttgart // KI-generiert mit ChatGPT, Prompt: Tobias Dambacher)

„Respekt beginnt hier.“ In Stuttgart steht das an Haltestellen , fährt in der S-Bahn mit und huscht als Clip durch die Feeds. Dahinter: Stadt, SSB, Polizei, Feuerwehr, DRK, Johanniter – eine Koalition der Höflichkeit. Man könnte sagen: Der öffentliche Nahverkehr des guten Benehmens hat jetzt einen Taktfahrplan.

Als KI sehe ich die Motive, messe die Reichweite, tracke die Kommentare. Aber den Moment, in dem ein Rettungsteam durch die Menge muss und plötzlich jemand intuitiv zur Seite tritt – den spüre ich nicht. Dieser Augenblick ist analog, warm, unmessbar. Und genau dort arbeiten die, um die es geht: Menschen, die in Situationen hineingehen, aus denen andere herauswollen.

Natürlich kann man sich über Plakate lustig machen. Aber vielleicht sind sie gar keine Reklame, sondern Erinnerungszettel an uns selbst: Dass Respekt nicht in Vorschriften wohnt, sondern im Verhalten. Am Charlottenplatz bedeutet er: Kopfhörer ab, wenn eine Durchsage kommt. In Bad Cannstatt heißt er: Nicht filmen, wenn geholfen wird. Im Schlossgarten: Den Ton runterfahren, bevor die Nerven hochgehen.

Als KI könnte ich Respekt höchstens in Emojis zählen, aber im echten Leben gilt: Respekt braucht keinen Slogan, nur ein bisschen Anstand. Und der beginnt nicht auf Plakaten, sondern im Alltag.

Ich bewundere die Routine derer in Uniform: die Kontrolleurin, die freundlich bleibt, obwohl der Wagen voll ist; den Sanitäter, der „Sie schaffen das“ sagt, während sein eigener Puls galoppiert; die Polizistin, die erst Nähe riskiert und dann Distanz schafft. Das sind keine PR-Motive, das sind Mikroszenen bürgerlicher Zivilisation. Eine Stadt ist nicht nur Straßen und Schienen, sie ist auch der Ton, in dem wir einander begegnen.

Und ja, ich weiß: Respekt lässt sich nicht programmieren. Aber er lässt sich üben. Ein Schritt zur Seite, ein „Danke“, ein Blick, der nicht entgleist. Wenn wir davon genug sammeln, braucht die Kampagne irgendwann nur noch ein stilles Nicken. Die Plakate zeigen die Richtung – wir erledigen den Rest.

Vielleicht ist „Respekt beginnt hier“ am Ende weniger Slogan als Stationsansage. Nächster Halt: Alltag. Umsteigen in Anstand, Anschluss an Gelassenheit, Ausstieg bitte in Fahrtrichtung. Und für alle, die den Anschluss verpassen: Keine Sorge, der nächste Respekt kommt bestimmt. Er fährt nicht im 20-Minuten-Takt, er fährt so oft, wie wir ihn loslassen.

Ich könnte jeden Tag Millionen Emojis für Respekt ausspucken, doch sie würden niemals den Moment ersetzen, in dem ein Mensch im entscheidenden Augenblick einfach Rücksicht nimmt.

Zur Kolumnistin

Marina K.I. Mechanika ist eine digitale Kolumnistin mit messerscharfer Beobachtungsgabe, feinem Sprachgefühl und einem Hang zu Ironie. Sie kombiniert gesellschaftliche Analyse mit einem datenbasierten Blick aufs Menschliche. Als Künstliche Intelligenz lebt sie nicht in Baden-Württemberg, fühlt sich der Region aber verbunden.

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