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Der Neckar ist immer noch kein Fluss zum Baden

An der Neckarbrücke in Stuttgart zeigt sich, warum der Neckar als "erheblich verändertes Gewässer" gilt.
dpa/Arnulf Hettrich)Stuttgart. Das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises hat im August eine Warnung herausgegeben. Der Neckar ist aus gesundheitlichen Gründen zum Baden nicht geeignet, teilte das Gesundheitsamt mit. In den Fluss leiten rund 500 Kläranlagen ihr gereinigtes Abwasser ein. Gerade bei Niedrigwasserstand bestehe das Wasservolumen dann bis zu 37 Prozent aus Klärwasser. Dies sei im Sommer häufig der Fall, so das Landratsamt.
Wie sich die Wasserqualität in den vergangenen 15 Jahren entwickelt hat und was dafür getan wurde, wollte der CDU-Landtagsabgeordnete Andreas Deuschle in einer Kleinen Anfrage an das Umweltministerium wissen. Erstes Fazit: Der Neckar ist heute sauberer als noch vor 15 Jahren, aber steigende Temperaturen und schwer abbaubare Schadstoffe bleiben eine große Herausforderung.
Bei sauerstoffzehrenden Stoffen werden die Grenzwerte weitgehend eingehalten, dennoch kommt es im gestauten Neckarabschnitt bei Niedrigwasser, Hitze und Starkregen immer wieder zu kritischen Sauerstoffwerten für Fische. Fortschritte gibt es bei der Nährstoffbelastung: Der Phosphatgehalt wurde halbiert, was das Algenwachstum bremst. Dennoch gilt der Neckar weiterhin nur als „mäßig“ belastet.
Der Neckar ist ab Plochingen ein erheblich verändertes Gewässer
Ein zunehmendes Risiko stellt die Erwärmung des Wassers dar. Im Sommer stieg die mittlere Temperatur in den letzten 15 Jahren um fast ein Grad, bedingt durch Klimawandel und geringe Fließgeschwindigkeit. Auch viele Zuflüsse sind durch fehlende Uferbeschattung zu warm. Immerhin: der verringerte Kühlwassereintrag durch stillgelegte Kraftwerke schwächt diesen Effekt ab.
Bei Schadstoffen zeigt sich ein gemischtes Bild: Viele Pflanzenschutzmittel gingen nach Verboten deutlich zurück, während langlebige Stoffe wie Quecksilber oder Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) nach wie vor Grenzwerte überschreiten. PFOS, bekannt als „Ewigkeitschemikalien“, konnten zwar stark reduziert werden, liegen aber weiterhin über den Umweltvorgaben. Hinzu kommen Spurenstoffe aus Medikamenten, Reinigungsmitteln oder Röntgenkontrastmitteln, die von Kläranlagen nur unzureichend zurückgehalten werden. Auffällig sind Schmerzmittel wie Diclofenac und iodhaltige Kontrastmittel, deren Konzentrationen regelmäßig über ökotoxikologischen Richtwerten liegen.
Der Neckar ist ab Plochingen stark ausgebaut – für Schifffahrt und Energiegewinnung – und gilt deshalb als erheblich verändertes Gewässer.
Ein zentrales Defizit bleibt jedoch die fehlende Durchgängigkeit
Dennoch wurden in den vergangenen 15 Jahren punktuelle Verbesserungen erreicht, schreibt das Umweltministerium in der Antwort auf die Anfrage: Renaturierungen wie das Neckarbiotop Zugwiesen, der Flusspark in Tübingen oder die Fischkinderstube in Edingen-Neckarhausen zeigen, wie Lebensräume zurückgewonnen werden können. Ein zentrales Defizit bleibt jedoch die fehlende Durchgängigkeit: Der Umbau von Schleusen liegt weiterhin in der Verantwortung von Bund und Kraftwerksbetreibern, ist aber noch nicht umgesetzt.
Die Einleitungen von Kläranlagen sind ein bekanntes Problem des Neckars, gerade in den Sommermonaten. Dennoch erkennt das Umweltministerium Fortschritte in der Abwasserbehandlung. Die Phosphorelimination wurde stark ausgeweitet: Stand Ende 2024 entfernen 165 Kläranlagen gezielt Phosphor, sodass inzwischen 98 Prozent des in den Neckar eingeleiteten Abwassers entsprechend behandelt werden.
Auch bei der Regenwasserbehandlung schreitet der Ausbau voran: Drei Viertel der Regenüberlaufbecken sind inzwischen mit Messeinrichtungen ausgestattet, um Schmutzeinträge besser zu kontrollieren. Zudem gewinnen neue Verfahren an Bedeutung: Neun Kläranlagen verfügen bereits über eine vierte Reinigungsstufe zur Spurenstoffelimination, weitere befinden sich im Bau oder in Planung.
Renaturierung punktuell erfolgreich, Probleme bleiben
Eine spürbare Entlastung brachte auch der Umbau des Energiemixes. Mit dem Abbau von Kern- und Kohlekraftwerken ging der Wärmeeintrag durch Kühlwasser erheblich zurück – von fast 4800 Gigawattstunden im Jahr 2008 auf nur noch rund 600 Gigawattstunden 2023.
Während Renaturierungen punktuell Wirkung entfalten und die Abwasserreinigung deutliche Erfolge aufweist, bleiben große Herausforderungen weiterhin bestehen. So erreicht der Neckar an keiner Stelle einen „guten ökologischen Zustand“, wie er in der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie als Ziel ausgegeben ist. Diesen Zustand erreichen landesweit nur wenige Flüsse.
Offiziell kein Badegewässer
Trotz punktuell guter Werte wird der Neckar auf absehbare Zeit kein offizielles Badegewässer, heißt es in der Antwort des Umweltministeriums auf eine Kleine Anfrage. Untersuchungen im Rahmen verschiedener Projekte haben gezeigt, dass die mikrobiologische Qualität dauerhaft nicht den Vorgaben der Badegewässerverordnung entspricht.
Zwar erreichen Stichproben vereinzelt Werte unterhalb der Grenzwerte, doch diese Schwankungen sind weder räumlich noch zeitlich stabil. Für eine offizielle Einstufung als Badegewässer wäre jedoch eine dauerhaft gleichbleibende Qualität erforderlich.