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Warum Neophyten erfolgreich sind

Der Besenginster verbreitet sich auch in neuer Umgebung rasch.
IMAGO/Gottfried Czepluch)Konstanz. In Baden-Württemberg gewinnen gebietsfremde Pflanzenarten rasant an Bedeutung. So hat sich etwa die Asiatische Kermesbeere, einst als Ziergehölz eingeführt, in Wäldern und Gärten etabliert und verdrängt heimische Pflanzen durch dichte Bestände und massenhafte Samenproduktion.
Auch der Japanische Staudenknöterich und die Pollen-Allergie auslösende Ambrosia bereiten heimischen Akteuren Sorge, weil sie nicht nur Landschaften umgestalten, sondern auch den Gesundheits- und Pflegeaufwand erhöhen.
Das Interessante an diesen Beispielen: Arten, die sich in Baden-Württemberg durchsetzen, sind oft dieselben, die global als gebietsfremde Pflanzen auftreten, also Neophyten sind.
Europa ist ein Haupt-Exporteur gebietsfremder Pflanzen
Wissenschaftler der Universität Konstanz haben gemeinsam mit internationalen Partnern die Naturalisation – also die dauerhafte Etablierung in ursprünglich fremder Umgebung – von 3920 Gefäßpflanzen in zehn europäischen Ländern untersucht.
Ergebnis: Mehr als 16 000 Arten weltweit haben sich längst außerhalb ihrer Heimat dauerhaft etabliert – die meisten davon seit den 1950er-Jahren und vor allem in stark anthropogen geprägten Regionen: also in Gebieten, in denen der Mensch in besonderem Maß Einfluss nimmt.
Dabei zeigt sich: Pflanzen, die in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet expansiv wachsen, erobern auch fremde Ökosysteme. Im Gegensatz dazu gelingt Arten, deren Bestände daheim schrumpfen, auch nur selten eine Ansiedlung im Ausland.
Europa fungiert dabei – durch Handel, Gartenbau und Tourismus – als Hauptlieferant invasiver Gewächse. “Viele der europäischen Pflanzenarten, die sich erfolgreich in fremden Ökosystemen etablieren, sind zugleich auch Arten, die sich in ihrer Heimatregion stark ausgebreitet haben“, erklärt der Konstanzer Biologe Mark van Kleunender, der die Studie geleitet hat.
„Dementgegen gelingt Pflanzen, deren Vorkommen in ihrem heimischen Verbreitungsgebiet rückläufig ist, nur selten die Ansiedlung in fremden Gebieten.“ Die Ergebnisse der Studie sind ein Hinweis darauf, dass es dieselben Eigenschaften sein könnten, die Pflanzen in ihrer Heimat und in fremden Gebieten erfolgreich machen.
Forscher identifizieren Erfolgsfaktoren für die Ausbreitung
Welche gemeinsamen Merkmale also haben diese erfolgreichen Arten? „Im Allgemeinen handelt es sich um große, ökologisch vielseitige Generalisten, die sehr wettbewerbsfähig sind und nährstoffreiche Lebensräume bevorzugen“, fasst die Erstautorin der Studie, Rashmi Paudel, zusammen.
Vermutlich lägen beiden Vorgängen – Verdrängung wie Verbreitung – zumindest ähnliche biologische Mechanismen zugrunde. Möglicherweise mache der Selektionsdruck, der zur Verbreitung von Arten im heimischen Lebensraum führt, sie auch zu erfolgreichen Invasoren. „Ein weiterer Faktor könnte sein, dass solch verbreitete Arten häufiger aufgelesen, mitgenommen und anderswo eingeschleppt werden“, sagt Paudel.
Die Dynamik der Ausbreitung von Pflanzen in ihrem Heimatgebiet zu beobachten könne somit wertvolle Indizien dafür liefern, wie wahrscheinlich es ist, dass sie sich in neuen Gebieten ansiedeln.