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Stefan Siebert: „Da hat sich eine toxische Mischung zusammengebraut“

Die Zinsen sind gekommen, die werden auch nicht wieder gehen, sagt Stefan Siebert Vorstandsvorsitzender der LBS Süd.
Achim Zweygarth)Staatsanzeiger: Herr Siebert, vor rund zwei Jahren sind die LBS Südwest und die LBS Bayern zusammengegangen. Wie geht es dem fusionierten Unternehmen?
Stefan Siebert: Wir sind als Menschen, als Kolleginnen und Kollegen aus Bayern, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gut zusammengewachsen. Es hat geholfen, dass die Sparkassen-Träger von Anfang an entschieden haben, alle vier Standorte – Mainz, Karlsruhe, München und Stuttgart – zu erhalten. Nicht die Mitarbeitenden reisen, sondern die jeweiligen Vorgesetzten. Das verschafft uns am Arbeitsmarkt Vorteile, weil wir an vier Standorten werben können.
Die Fusion hat auch dazu geführt, dass Sie unter direkter Aufsicht der Europäischen Zentralbank stehen.
Ja, das ist ein enormer zusätzlicher Aufwand. Die EZB kennt im Grunde genommen nur Großbanken. Die Benchmarks sind BNP Paribas, Santander, Deutsche Bank oder Unicredit. In Sonntagsreden wird zwar viel von Proportionalität gesprochen. Obwohl wir jetzt die größte Landesbausparkasse in Deutschland sind, sind wir dennoch im europäischen Vergleich eher klein – unsere Bilanzsumme liegt bei knapp 40 Milliarden Euro, während andere Institute im dreistelligen Bereich liegen. Deshalb haben wir zusätzlich zu den eigenen Experten viele externe Berater im Haus, weil es sich für uns nicht lohnt, eine dreistellige Zahl von Mitarbeitenden für Prüfungen aufzubauen. Das verursacht aktuell einen Kosten-Peak, den wir aber gut aushalten können.
Ziel einer Fusion ist es, Synergien zu schaffen. Welche sind das konkret?
Wir haben letztes Jahr ein gemeinsames Tarifwerk eingeführt. Wir haben Marketing aus einer Hand und weitere Vorteile. Im Moment haben wir aber eher die Herausforderung, dass der Aufwand wesentlich mehr Ressourcen frisst als etwa durch eine verkleinerte Revision oder weniger Pressesprecher eingespart werden. Die Vorteile finden sich dann auf lange Sicht. Zudem denken wir als öffentlich-rechtliche Bausparkasse – anders als eine AG, die nur ihre Shareholder im Blick hat und sofort Rendite sehen will – an unsere Stakeholder. Dazu gehören die Mitarbeitenden, die zum Beispiel an den Standorten bleiben wollen. Das bremst die Synergien etwas, aber bringt eine höhere Marktdurchdringung. Und die ist beim Bausparen das Maß der Dinge.
Wie läuft es aktuell beim Bausparen?
Wir hatten letztes Jahr mit der Einführung neuer Tarife noch einmal ein sehr gutes Jahr, obwohl sich der Markt leicht abgeschwächt hatte. Wir haben massiv Marktanteile gewonnen. Dieses Jahr merken wir, dass der Markt weiterhin schwächelt. Das liegt daran, dass die Menschen im Moment zutiefst verunsichert sind.
Was ist der Grund dafür?
Die gesamte Konstellation am Wohnungsmarkt in Deutschland hat sich zu einer, ich möchte fast sagen, toxischen Mischung zusammengebraut. 2021 war noch die beste aller Welten: Es gab so gut wie keine Zinsen, Immobilien waren das Maß der Dinge. Junge Menschen haben gedacht: Ich kaufe mir eine Wohnung, ich habe keine Zinskosten. Dann kam die Zinswende, die viel zu spät kam.
Die Europäische Zentralbank hat den Zins zu spät angehoben?
Es ist offensichtlich, dass die EZB die im Spätjahr 2021 einsetzende Inflation lange Zeit als kurzfristige Entwicklung gesehen und mit einem schnellen Rückgang gerechnet hat. Dies war aber nicht der Fall.
Jetzt liegt der EZB-Zins wieder moderat bei zwei Prozent…
Das, was die EZB an Zinsen festsetzt, ist nur ein mittelbarer Transmissionsriemen in die Baufinanzierung. Was derzeit passiert – und dafür können weder die EZB noch die Politik etwas – ist, dass sich verschiedene Effekte kumuliert haben: Covid, der Nachfrageschub danach, Tarifabschlüsse, sekundäre Effekte, dann der Krieg mit seinen Auswirkungen auf Rohstoffpreise und Lieferketten. Das alles hat zu einem Inflationsschub geführt, der wiederum eine massive Reaktion der Notenbank ausgelöst hat.
Hat der gestiegene EZB-Zins Ihr Geschäft belastet?
2022 war das beste Jahr im Bausparabsatz. Plötzlich haben die Menschen gemerkt: Der Bausparvertrag ist nicht tot, im Gegenteil, er ist die einzige Chance, sich die niedrigen Zinsen zu sichern. Die Bausparkassen hatten alle einen Sonderboom. Ab 2023 wurde aber klar: Die Zinsen sind gekommen, die werden auch nicht wieder gehen.
Weshalb nicht?
Wir haben jetzt eine normale Zinsstruktur. Die langfristigen Zinsen sind deutlich höher als die kurzfristigen, und die EZB kann nur die kurzfristigen Zinsen beeinflussen. Derzeit steigen die langfristigen Zinsen. Der Grund: In entwickelten Volkswirtschaften wächst der Kapitalbedarf der Staaten, die Bevölkerungen werden älter, die Sparfähigkeit nimmt ab.
Was ist das Haupthindernis für den Immobilienerwerb?
Das ist neben der Bürokratie die Baukosteninflation der letzten fünf, sechs Jahre. Die war doppelt so hoch wie die normale Inflation. Die Bundesbauministerin hat zu Recht gefordert, die Baukosten müssen sich halbieren. Das ist gut gemeint, aber aufgrund der Material- und Lohnkosten völlig unrealistisch, denn die werden nicht fallen.
Welche Rolle spielt die Verunsicherung der Verbraucher?
Die Vorgängerregierung hatte eine Richtung eingeschlagen, die in Teilen gescheitert ist. Dies hat viel Unsicherheit in den Markt gebracht. Etwa durch die unklare Förderkulisse. Was da gilt, wissen wir bis heute nicht. Die Menschen warten daher ab.
Viele Menschen haben das Ziel aufgegeben, Wohneigentum zu erlangen, wie Umfragen zeigen. Wie sehen Sie das?
Ich würde das bestätigen. Da spielt auch die Psychologie eine Rolle: Wenn ich täglich lese, dass der Erwerb von Wohneigentum schwierig ist, glaube ich es irgendwann. Hinzu kommt ein Mindset-Wechsel. In den Siebzigern war Bauen mit Verzicht verbunden. Damals war klar: Wir gehen jetzt einige Jahre nicht in den Urlaub. Das ist heute anders. Wenn die Politik wieder eine klare, verlässliche Förderkulisse schaffen würde, dann werden die Ersten mit dem Bauen wieder anfangen. Das kann für eine Initialzündung sorgen.
Müsste man nicht die Rahmenbedingungen so gestalten, dass die Menschen auch ohne staatliche Hilfe bauen können?
Bei den Rahmenbedingungen hat der Staat nur begrenzt Einfluss. Er könnte die Grunderwerbsteuer für Ersterwerber senken. Die Idee steckt jedoch im Länderfinanzausgleich fest. Die Gelder sind für Kinderbetreuung und andere Aufgaben verplant.
Oder das Dickicht der Bürokratie lichten…
Hier hat Landesbauministerin Razavi dicke Bretter gebohrt und Entlastungen geschaffen, die aber dem Bürger nicht unmittelbar einsichtig sind. Fachleute wissen, es wird etwas einfacher mit der Bauleitplanung. Maßnahmen wie die Streichung der Grunderwerbsteuer für den Ersterwerb würden aber auf Bauwillige viel stärker wirken. Die Menschen wollen einfach und konkret berechnen können, was sie sparen.
Zur Person
Stefan Siebert ist Vorstandsvorsitzender der LBS Süd, der größten Landesbausparkasse Deutschlands. Der Volkswirt begann seine Karriere bei der Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau und übernahm später Führungsrollen bei der Sparkasse Baden-Baden Gaggenau. 2017 kam er in den Vorstand der LBS Südwest und wurde 2023 zum Chef der aus der LBS Südwest und der LBS Bayerische Landesbausparkasse hervorgegangenen LBS Süd berufen. Der 63-Jährige aus dem badischen Kenzingen verantwortet Bereiche wie Finanzen, Unternehmensentwicklung und Bausparen.