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Bürgermeister: Was tun gegen die Bewerberflaute?

Kleinere Gemeinden sollten bei Verwaltung und Organisation besser unterstützt werden, etwa durch mehr interkommunale Zusammenarbeit.
KI-generiert mit ChatGPT, Prompt: Andrea Trajanoska)Amtswechsel sind an sich Routine. Doch unzufriedene Wähler sorgen immer wieder für Schlagzeilen: In Bissingen an der Teck gewann ein Kandidat, der gar nicht angetreten war, dank einer freien Zeile auf dem Wahlzettel. In Alpirsbach schaffte es der ebenfalls nicht kandidierende Amtsverwalter Norbert Beck bis in die Stichwahl. Und in Volkertshausen hat nach dem Rücktritt des Bürgermeisters der frühere Amtsinhaber Alfred Mutter seinen Hut in den Ring geworfen. Der 72-Jährige will das Amt für zwei Jahre übernehmen – allerdings mit dem erklärten Ziel, die Bürgermeisterstelle ganz abzuschaffen. Sein Plan: eine Fusion mit den Nachbargemeinden, weil künftig Geld fehlt. Mit dieser Sorge steht die Gemeinde im Hegau nicht allein.
Diese Beispiele zeigen: Die Zahl junger Fachkräfte, die nachrücken, nimmt ab. Das Bewerberfeld bei Bürgermeisterwahlen wird zunehmend dünn, mehr Fachfremde gehen ins Rennen. Für viele Bürger bleibt der Idealtyp aber: männlich, ein abgeschlossenes Studium an einer der beiden Verwaltungshochschulen und mehrjährige Führungserfahrung in der Kommunalverwaltung.
Kurz vor Bewerbungsschluss keinen einzigen Interessenten
Dass das Land das potenzielle Bewerberfeld gesetzlich erweitert hat, ändert an der Bewerberflaute wenig: Das Mindestalter wurde von 25 auf 18 Jahre gesenkt, die obere Altersgrenze ganz gestrichen.
Was also tun, um geeignete Bewerber zu gewinnen? Viele Gemeinderäte versuchen, aktiv Kandidaten anzusprechen. Manche setzen auch auf Werbeagenturen. Andere nutzen die Reichweite von Funk und Fernsehen: In Achstetten im Landkreis Biberach gab es kurz vor Bewerbungsschluss keinen einzigen Interessenten. Erst ein öffentlicher Aufruf über Radio und TV brachte 19 Bewerbungen – von denen allerdings sieben ungültig waren. Der Nutzen solcher Kampagnen ist umstritten: Sie locken oft Bewerber ohne Verwaltungserfahrung an.
Ein Ansatz für mehr Bewerber wäre, das Amt wieder attraktiver zu machen. Das Bürgermeisteramt gilt längst nicht mehr als Traumjob. Weltkrisen und die sich zuspitzende Finanzschwäche vieler Kommunen lassen die Attraktivität sinken.
Das Bürgermeisteramt gilt längst nicht mehr als Traumjob
Hinzu kommen wachsende Anfeindungen gegen Mandatsträger und Konflikte mit Gemeinderäten. Der Gemeindetag sieht als Ursache auch die vielen Leistungsversprechen des Staates, die zu einem großen Teil in den Städten und Gemeinden erfüllt werden – obwohl dort Geld und Personal fehlt. Das Amt brauche bessere Rahmenbedingungen: Weniger Bürokratie, verlässlichere Finanzausstattung, klare Zuständigkeiten.
Allerdings zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Kommunen. Unterhalb von 2000 Einwohnern, so der frühere Kehler Hochschulrektor Paul Witt, fehle meist der Verwaltungsunterbau, ohne den Gestalten kaum möglich ist. Er plädiert daher nicht nur aus Kostengründen, sondern auch wegen des Bewerbermangels für freiwillige Gemeindefusionen.
Das Nachbarland Rheinland-Pfalz hat solche Zusammenschlüsse sogar mit einer Prämie gefördert; allerdings gibt es dort auch mehr als doppelt so viele Kommunen wie in Baden-Württemberg. Und doch wäre auch hier Luft zum Fusionieren: Der Südwesten liegt bei der Anzahl der Städte und Gemeinden im Bundesvergleich an vierter Stelle – in Nordrhein-Westfalen existieren gerade einmal 396 Städte und Gemeinden. Während die Zahl der Neugeborenen sinkt, bleibt die Zahl der Gemeinden im Land konstant.
Der Gemeindetag sieht in Fusionen kein Allheilmittel
Sind Fusionen also ein geeignetes Instrument gegen den Bewerbermangel? Der Gemeindetag sieht darin kein Allheilmittel. Die Identifikation mit der Gemeinde sei ein hohes Gut. Kleinere Gemeinden sollten bei Verwaltung und Organisation besser unterstützt werden, etwa durch mehr interkommunale Zusammenarbeit.
Dass die Bereitschaft, sich einer größeren Kommune anzuschließen, gering ist, zeigt sich in Volkertshausen, wo die Fusionsidee auf Widerstand stößt. Eine Initiative befürchtet, dass die Pläne außerdem geeignete Kandidaten abschrecken könnten . Und auch Witt betont, dass solche Vorhaben von allen mitgetragen werden müssen.
Vielleicht könnte eine Lösung auch ausgerechnet in der Wirtschaftskrise liegen. Gut ausgebildete Männer und Frauen haben momentan schlechte Jobaussichten. Zwar bevorzugen viele Wähler junge Fachleute aus der Verwaltung, doch auch Quereinsteiger können überzeugen – sofern sie gewählt werden. Und dann bleibt auch das Rathaus im Dorf.