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Initiative gegen Rosensteinviertel

Bürgerbegehren S21: „Wir brauchen noch richtig viele Unterschriften“

Während die Stadt Stuttgart auf dem freiwerdenden Gleisvorfeld des Hauptbahnhofs bis zu 1670 Wohnungen errichten will, wollen Gegner mit einem Bürgerentscheid den Bau verhindern. Bis Mitte Oktober müssen sie 20 000 Unterschriften sammeln – noch fehlen viele.
Bahnhof mit mehreren Gleisen, Zügen und umgebenden Gebäuden in einer Stadtlandschaft.

Auf dem Gleisvorfeld am Hauptbahnhof sollen nach Fertigstellung des Tiefbahnhofs Wohnungen entstehen. Eine Initiative will das verhindern.

dpa/imageBROKER/Arnulf Hettrich)

Stuttgart. Die Gegner wollen einen Teil des Großprojekts mit einem Bürgerentscheid kippen. Dafür brauchen sie zunächst 20.000 Unterschriften für ein Bürgerbegehren. Seit Sommer wird gesammelt, doch bis Dienstag sei rund die Hälfte zusammengekommen, erklärt Hannes Rockenbauch, der aber keine konkreten Zahlen nennen möchte. „In den Sommerferien ging gar nichts. Wir brauchen noch richtig viele“, so Rockenbauch, einer der drei Vertrauenspersonen für das Begehren und Fraktionsvorsitzender, Die Linke SÖS Plus im Stuttgarter Gemeinderat.

Der Gemeinderat der Landeshauptstadt hat im Juli den Aufstellungsbeschluss für das Teilgebiet A2 des Rosensteinquartiers zwischen Hauptbahnhof und Wolframstraße gefasst. Die Bahn will die Gleise nach Inbetriebnahme des neuen Durchgangsbahnhofs zurückbauen und der Landeshauptstadt übergeben, die sie bereits erworben hat. Für die Stadt ist das eine einmalige Chance: dringend benötigter Wohnraum im Zentrum, ohne zusätzliche Flächen am Stadtrand zu versiegeln.

Rockenbauch: Gleise werden für Frischluft und Bahnhof benötigt

Die Bürgerinitiative „Bahnhof mit Zukunft“ sieht das anders. Ihr Sprecher Hannes Rockenbauch nennt drei Gründe gegen den Bau: Die Gleisflächen seien eine zentrale Frischluftschneise für Stuttgart. Der Gäubahn-Anschluss müsse dauerhaft gesichert werden. Und man brauche die Gleise für einen leistungsfähigen Bahnhof. Unterstützt wird die Initiative von BUND, Verdi, der Deutschen Umwelthilfe und weiteren Verbänden in Stuttgart. Zudem verweist der Grünen-Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel auf ein Gutachten des Passauer Rechtsprofessors Urs Kramer. Danach werden Teile der Gleise weiterhin für den Bahnverkehr gebraucht – was eine Umwidmung erschweren würde.

Dieses „Verkehrsbedürfnis“ sei trotz der Reform des Paragrafen 23 Allgemeines Eisenbahngesetz gegeben, der die Umwidmung ehemaliger Gleisflächen durch das Eisenbahnbundesamt regelt. Rockenbauch geht von vier bis sechs Gleisen aus, die weiterhin gebraucht werden – die Pläne für das Rosensteinquartier seien damit obsolet.

Die Stadt ist sich dagegen sicher, dass die Neuregelung durch den Bundestag vom Juli das Bauvorhaben ermöglicht und treibt die Planungen für das Quartier weiter voran.

OB Frank Nopper: innerstädtische Brachfläche droht

Für Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) ist der Sinn und Zweck des Bürgerbegehrens nicht nachvollziehbar: „Sollte der Aufstellungsbeschluss per Bürgerentscheid aufgehoben werden, droht eine innerstädtische Brache ohne Entwicklungsperspektive.“ Die Initiatoren des Bürgerbegehrens wollten die Flächen für den Bahnverkehr freihalten, obwohl dort keine Züge mehr fahren werden, so Nopper weiter.

Die Stadt betont die Bedeutung der Wohnungsbaupläne auf der Internetseite zum Projekt. „Die Stadt hat sich entschieden, so wenig Flächen wie möglich am Rande der Stadt zu bebauen und zu versiegeln“, heißt es dort. Mit Stuttgart Rosenstein sei es möglich, dringend benötigten Wohnraum direkt im Zentrum zu schaffen.

Rückendeckung erhält Stuttgart von einer Allianz aus IHK, Bau- und Immobilienwirtschaft sowie Haus & Grund Stuttgart. Ihr Argument: Die Wohnungsnot sei längst ein ernsthafter Standortfaktor für die Region, zudem sehen die Verbände die Entwicklung des Rosensteinviertels als Signalprojekt für zukunftsfähige Quartiersentwicklung. „Wir dürfen diese Chance nicht den Ewiggestrigen opfern, die keinen Plan für die Entwicklung des Quartiers vorweisen können“, so Ulrich Wecker, Geschäftsführer von Haus & Grund Stuttgart.

Mit „völligem Unverständnis“ reagiert der Mieterverein Stuttgart auf das „geplante vierte Bürgerbegehren gegen eine Wohnbebauung auf den Flächen von S21“. Die Wohnungsknappheit treibe die Mieten stark nach oben.

Die Gegner wollen den Schwung bis zur Deadline nutzen

Die Gegner des Vorhabens lassen das Argument Wohnraummangel nicht gelten. Für Rockenbauch steht der Erhalt der Frischluftschneisen an erster Stelle – wichtiger als Wohnungen an diesem Standort. Auch würden diese das Platzproblem nicht lösen. Bezahlbarer Wohnraum entstehe nur, wenn Leerstand beseitigt und in bereits erschlossenen Gebieten gebaut wird.

Für Rockenbauch sind die Kosten für den Bau auf dem Gleisvorfeld zu hoch. „Es gibt keinen Ort, an dem es teurer ist, damit werden die Wohnungen dort immer teuer sein.“ Das Ziel der Stadt, mietpreisgebundenen Wohnraum zu schaffen, sieht er als illusorisch an. Stuttgart fehle dafür aktuell und zukünftig das Geld.

Auch das Argument der Stadt, dass beim Rosenstein-Quartier eine Bürgerbeteiligung stattgefunden hat, lässt Rockenbauch nicht gelten. „Wer sagt, es sei genug beteiligt und diskutiert worden, übersieht, dass es nie um den Punkt ging, um den es uns geht: Dass das kein guter Bahnhof wird“.

Für die Initiative geht es jetzt in den Endspurt. Dabei sollen auch 100.000 Flyer helfen, die bald verteilt seien. Es sei nicht leicht, den „Frust aus den Bürgern rauszukitzeln“, viele fühlten sich machtlos, berichtet Rockenbauch. Nach den jüngsten Veranstaltungen sei die Stimmung aber so, „dass es richtig Spaß macht“. Diesen Schwung wollen sie bis zur Deadline für die Unterschriftensammlung am 15. Oktober nutzen.

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