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Ludwigsburger Digitalisierungsgespräche

Neues Digitalministerium weckt neue Hoffnungen – auch im Südwesten

Die Bundesregierung hat erstmals seit Jahrzehnten ein neues eigenständiges Ressort geschaffen. Wird das Digitalministerium die Modernisierung von Staat und Verwaltung voranbringen? Experten zogen bei einer Diskussion an der Hochschule Ludwigsburg eine erste Zwischenbilanz.
Menschen an Computern, große digitale Deutschlandkarte im Hintergrund. Text: "LUDWIGSBURG".

Umfassende Digitalisierung gilt als das Gebot der Stunde.

Foto: KI generiert mit Adobe Firefly | Montage: Herrgoss)

Ludwigsburg. Seit Mai gibt es ein neues Ministerium im Bund: Es ist das erste eigenständige neue Ressort seit Gründung des Bundesumweltministeriums vor 39 Jahren und hat bisher noch keine eigene Telefonnummer, wird aber vom Branchenverband Bitkom als „echtes Aufbruchssignal“ gelobt. So verdeutlichte Volkmar Mrass , Professor für Digitales Verwaltungsmanagement an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen (HVF) Ludwigsburg, die historische Dimension – und die hohen Erwartungen. Der Initiator der Digitalisierungsgespräche hatte fünf Experten zur Diskussion über „Gut 150 Tage neues Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung – Ein erstes Zwischenfazit“ geladen.

Nach Meinung aller Diskutanten kam die Veranstaltung genau zum richtigen Zeitpunkt – nämlich unmittelbar nach der Vorstellung der Modernisierungsagenda.

Wirtschaft ist auf die Digitalisierung der Verwaltung angewiesen

Fabian Gramling (CDU), Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Neckar-Zaber, zeigt sich zuversichtlich. Zwar sei Digitalisierung inzwischen ein Buzz-Wort der Politik. Dennoch ist er optimistisch. Die 80 Punkte, fünf Handlungsfelder und 23 Hebelprojekte der Agenda würden „sichtbaren und wahrnehmbaren Mehrwert für die Menschen bringen“, so Gramling. Mit dem Wasserstoffbeschleunigungsgesetz etwa solle künftig bis zur Produktionsgenehmigung das gesamte Verfahren digital ablaufen.

Bernd Hertweck ist Vorsitzender des Vorstands der Wüstenrot Bausparkasse. Er schilderte die Dringlichkeit gelingender Digitalisierung am Beispiel seines Unternehmens. Bis 2030 würden am Standort Kornwestheim knapp 40 Prozent altersbedingt ausscheiden. Ohne enorme Sprünge bei Automatisierung und Prozessoptimierung sei dies nicht wettzumachen. Zugleich gebe es immer mehr Vorschriften. Für Neubau seien rund 25 000 Normen einzuhalten, fünf Mal so viel wie vor 20 Jahren. Ein Abbau übertriebener Regulierung biete enormes Potenzial. Damit Bauen schneller gehe, „brauchen wir Zugriff auf alle öffentlichen Register, die es gibt, die mit uns zu tun haben.“ Optimistisch sei er, dass nun die richtigen Schritte eingeleitet wurden. Skeptisch aber, da so viel aufzuholen sei.

Verwaltungsexpertin sieht den Föderalismus als Bremselement

„Wir freuen uns, dass der Bund dem hessischen Beispiel gefolgt ist“, sagte Louisa Solonar-Unterasinger, Chief Information Officer des Landes Hessen. Dort gebe es schon seit 2024 ein eigenständiges Ministerium für Digitalisierung und Innovation. Vorher war es im Staatsministerium angesiedelt. Das sei ein wichtiger Schritt für die Bündelung der Verantwortung. Auch seien die Bundesländer durchaus für mehr Zentralisierung bereit, jedoch nur bei der Digitalisierung.

Claudia Straub gehört selbst zum Aufbaustab des neuen Bundesministeriums. Sie lobte die bisherige Zusammenarbeit mit den sechs Ressorts, aus denen das Digitalministerium seine Kompetenzen erhalten hat. „Staatsmodernisierung ist eine große Gemeinschaftsaufgabe“; das schafften die Ressorts nur zusammen, so Straub. Bausteine dafür seien unter anderem ein spürbarer Bürokratierückbau; eine bessere Rechtssetzung, die deren Vollzug bis zum Ende durchdenke, also bis zu den Kommunen; mehr bürger- und unternehmerzentrierte Serviceleistungen.

Direkt danach goss Sylvia Veit, Professorin für Verwaltungswissenschaft an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, Wasser in den Wein. Besonderheiten des deutschen Staatsaufbaus, wie der Exekutivföderalismus mit seinen fragmentierten Zuständigkeiten und der funktionalen Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern,  begrenzen ihrer Meinung nach die Chancen, rasch zu digitalen Vorzeigestaaten wie Dänemark und Estland aufzuschließen.

„Wir können nicht den großen Wurf erwarten“, so Veit. „Das ist in unserem System nicht angelegt.“

Hochschule Ludwigsburg legt den Fokus auf Digitalität

Seit 2023 bieten die Ludwigsburger Digitalisierungsgespräche „eine unabhängige Austauschmöglichkeit“, so HVF-Rektorin Iris Rauskala, für Experten aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft. Mehr als 2000 Teilnehmer hatten die bisher sieben Online-Veranstaltungen. Mit der Hochschule Kehl hat die HVF 2020 den Studiengang Digitales Verwaltungsmanagement eingerichtet. Ab März 2026 gibt es auch eine gleichnamige berufsbegleitende Weiterbildung.

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