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Hermann: „Im Zweifel sind Brücken wichtiger als Sporthallen“

Sanieren oder lieber noch abwarten? Viele kommunale Brücken müssen erneuert werden.
imago images/Ikon Images/Gary Waters)Stuttgart. Der Einsturz der Carolabrücke in Dresden war für Länder und Kommunen eine Warnung. „Das vermeintlich Gute an Infrastruktur ist, dass sie lange hält und man manche Sanierung schieben kann, aber irgendwann wird es gefährlich“, sagt Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Beim Kommunaltag Brückenerhaltung in Stuttgart trat er als Mahner auf: „Ich habe mir vorgenommen, dass in meiner Amtszeit keine Brücke zusammenbricht.“
Für den Minister ist der Zeitpunkt gekommen, an dem vielerorts die Sanierungen nicht mehr geschoben werden können. Denn der Zustand vieler kommunaler Bauwerke ist besorgniserregend. Das Land hat reagiert, betont Hermann. Die Landesbrücken wurden untersucht, Fördermittel für die Kommunen stehen bereit, Programme wurden angepasst. So wurde das Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) erweitert, um Brückenmodernisierungen zu unterstützen.
Die Kommunen müssen rund die Hälfte des Geldes selbst aufbringen
Für den Großteil der Brücken im Südwesten sind die Städte und Gemeinden verantwortlich. Doch vielerorts bleibt das Geld liegen. „Ich habe befürchtet, dass die vorgesehenen Fördermittel nicht reichen – jetzt sind sie noch nicht einmal ausgeschöpft“, sagt Hermann. Für ihn ist das ein Zeichen, dass die Gefahr in Gemeinderäten unterschätzt wird.
Ein Grund für die Zurückhaltung der Kommunen könnte auch an ihrer schlechten Finanzlage liegen: Trotz der Förderung müssen Städte und Gemeinden einen erheblichen Teil der Kosten selbst aufbringen. Und das in Zeiten, in denen Kitas gebaut, Schulen saniert und Haushalte zusammengehalten werden müssen. Hermann hat Verständnis – aber auch eine klare Priorität: „Wenn eine Brücke zu brechen droht, dann muss man aushalten, dass es mit der Sanierung der Sporthalle etwas länger dauert. Im Zweifel ist eine dringliche Brückensanierung alleine wegen der Gefahr wichtiger.“
Ulm hat mehr Brücken pro Kopf als Venedig
Wie groß die Herausforderung ist, zeigt sich in Ulm . Kaum eine andere Stadt in Baden-Württemberg hat so viele Brücken pro Kopf. Die Stadt liegt zwischen sieben Bergen, die Donau bildet die Grenze zu Bayern, dazu kommen zahlreiche Bäche und Zuflüsse. 240 Brücken überspannen die Wasserläufe – das sind 1,8 pro 1000 Einwohner – mehr pro Kopf als in Venedig. „Das stellt uns vor enorme Aufgaben“, sagt Baubürgermeister Tim von Winning.
Viele der Bauwerke stammen aus der Nachkriegszeit. Heute sind 33 davon so marode, dass sie in den kommenden Jahren neu gebaut werden müssen. Besonders kritisch seien die großen Brücken über Bundes- und Hauptverkehrsstraßen. „Wir konzentrieren uns auf die Bauwerke, die unser Verkehrssystem am stärksten beeinträchtigen könnten“, erklärt von Winning.
Ulm hat in den vergangenen Jahren die Abläufe angepasst: Eine eigene Abteilung für Verkehrsinfrastruktur kümmert sich um die Brücken, ein „Brückentrupp“ im Bauhof übernimmt kleinere Instandhaltungen. Zudem bewerten externe Fachleute die Bauwerke nach sogenannten Infrastrukturstörklassen. Viele kleinere Brücken sind bereits in einen guten Zustand gebracht worden.
Die Brückensanierungen kosten Ulm 280 Millionen Euro
Auch setzt Ulm auf ein neues Verfahren. „Bei einer Baumaßnahme am Bahnhofplatz in Ulm hatten wir nach 80 Tagen 800 Schreiben über Behinderungen und Nachträge. Das hat uns bewogen, das partnerschaftliche Bauen auszuprobieren.“ Dabei werden die Baupartner frühzeitig eingebunden, Innovationen und Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt und straffe Terminanforderungen gestellt. Zwar spare das Verfahren im Vergleich zum klassischen Projektablauf nicht nennenswert Geld, aber die Bauprojekte verliefen reibungsloser, erläutert von Winning.
Trotzdem bleibt die Sanierung ein Mammutprojekt. Rund 280 Millionen Euro wird die Stadt in den kommenden Jahren dafür aufbringen müssen. Unterstützung kommt vom Land über das LGVFG.