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Kammervize Stephan Weber: Ein Architekt auf Mission in Brüssel und Berlin

Seinen Berufsstand fest im Blick: Stephan Weber, freier Architekt aus Heidelberg.
Felix Kaestle)
Staatsanzeiger:
Stephan Weber:
Ich bin seit 23 Jahren in verschiedenen Bereichen der Architektenkammer Baden-Württemberg tätig. Dabei sind immer mehr Fragestellungen aufgekommen, die unsere Berufswirklichkeit betreffen und nicht mehr nur auf lokaler oder Landesebene angesiedelt sind. Maßgebliche Entscheidungen werden heute in Berlin und teilweise in Brüssel getroffen. Mit meinem Hintergrund und meiner Erfahrung sehe ich die Chance, mich für den Berufsstand einzubringen.Welche Entwicklungen in Berlin und Brüssel meinen Sie konkret?
Zum einen gibt es Themen, die mit der Dienstleistungsrichtlinie zu tun haben. Dann gibt es die europäische Richtlinie zu Nachhaltigkeitsanforderungen an Gebäude, die von der EU kommt und in Berlin umgesetzt werden muss. Ein Thema, das uns aktuell beschäftigt, ist die Gefahr, dass die losweise Vergabe bei Planungsleistungen aufgehoben und zusammengefasst wird. Das würde großen Büros und Bauträgern in die Karten spielen, kleine und mittlere Architekturbüros, wie es sie in Baden-Württemberg überwiegend gibt, hätten das Nachsehen. Es gibt also eine Vielzahl an Fragestellungen, bei denen man in Berlin einfach näher dran ist.
Sie haben auch die Digitalisierung zu Ihrem Thema gemacht. Wie wollen Sie digitales Planen mit Building Information Modeling, kurz BIM in der Architektenschaft voranbringen?
Vor allem durch Aufklärung. Ich glaube, dass wir in den Architekturbüros schon relativ weit sind. Es fehlt allerdings das Engagement in der restlichen Wertschöpfungskette. Gerade kleinere Handwerksfirmen sind da schlecht aufgestellt, aber auch öffentliche Bauherren haben teilweise Probleme. In Planungsbüros wird zwar digital gearbeitet, aber als die Baukonjunktur boomte, sind wir Planer auf 120 Prozent gefahren. Da war keine Luft, Arbeitsprozesse im Büro grundlegend zu ändern. Dafür braucht man Zeit.
Funktioniert die digitale Schnittstelle zwischen Architekten und öffentlichen Bauherren bei BIM schon?
Die Vernetzung zwischen allen Beteiligten funktioniert noch nicht so, wie sie könnte. Um sinnvoll mit BIM arbeiten zu können, müssen alle Beteiligten auf einem ähnlichen Level sein, was Hardware, Software und vor allem den Kenntnisstand angeht. Das ist im Moment noch nicht der Fall. Jeder arbeitet in dem Bereich, der für ihn gut funktioniert. Fast alle Architekturbüros, zumindest die größeren, modellieren sozusagen mit BIM light. Solange von Auftraggeberseite keine Anforderungen kommen, dass die Bauelemente oder Objekte wie etwa Decken und Wände auch attribuiert sind – das heißt, dass alle Eigenschaften wie Kosten, Geometrie, Materialien digital hinterlegt sind – macht man es auch nicht unbedingt. Wir merken aber im eigenen Büro, dass es für unsere eigene Struktur sehr wohl wertvoll ist, so zu arbeiten.
Wie wollen Sie die Vernetzung zwischen allen Beteiligten voranbringen?
Ich sehe dieses Manko im Moment auch als Chance, weil wir die Möglichkeit haben, BIM auszuprobieren, ohne dass gleich jemand prüft, ob alles korrekt gemacht wurde. Ich finde es nicht so schlimm, dass die Entwicklung etwas langsamer ist, weil sie die Chance bietet, alle mitzunehmen. Wir müssen dafür sorgen, dass ein Bewusstsein für das digitale Planen entsteht. Das ist eine wichtige Motivation für mich. Unsere Planungsprozesse und -strukturen werden sich in den nächsten Jahren fundamental ändern. Da werden ganz neue Abläufe auf uns zukommen. Im Moment weiß noch keiner so richtig, wie das aussehen wird.
Wann sind wir so weit, dass KI die ersten fünf Entwürfe übernimmt und der Architekt daraus auswählt und die Ergebnisse vertieft?
Es gibt Büros, die schon so arbeiten, aber da muss man tief in die Möglichkeiten der KI einsteigen und entsprechende Programme nutzen. Entscheidend ist immer der Prompt, also die textliche Vorgabe, die ich der KI mache. Es ist aber nicht mit fünf Entwürfen getan, sondern man muss eine Vielzahl von Varianten prüfen, um zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen. So einfach, dass man der KI sagt: „Mach mal!“, wird es hoffentlich nie sein. Der menschliche Faktor sollte immer eine Rolle spielen. Die KI arbeitet immer mit existierenden Datengrundlagen, die sie aus dem Netz fischt und aufarbeitet. Die kommen im Moment vor allem aus dem angloamerikanischen oder fernöstlichen Raum und haben mit unserer Tradition des Bauens wenig zu tun. Die Ergebnisse sind also sehr fehlerbehaftet. Aber als Ideengeber wird KI zunehmend genutzt.
Wie sehen Sie aktuell die wirtschaftliche Situation der Büros?
Die ist im Moment sehr heterogen. Büros, die im Wesentlichen im Wohnungsbau arbeiten, geht es aktuell nicht gut, weil weniger Aufträge da sind. Sie müssen sich entweder umstellen oder sind teilweise in Kurzarbeit. Büros, die breiter aufgestellt sind, haben noch immer gut zu tun. Die befürchtete breite Rezession sehe ich nicht. Im Bereich Sanierung gibt es nach wie vor einen extremen Nachholbedarf. Allerdings haben die Kommunen aktuell kein Geld mehr. In Heidelberg etwa hat das Regierungspräsidium gerade den Haushalt gestoppt. Sämtliche neue Bauvorhaben sind dort auf Eis gelegt.
Zu Ihren Zielen gehört, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Architekten zu verbessern. Was ist Ihr Gedanke dahinter?
Gutachten haben uns bestätigt, dass die aktuellen Honorare nicht mehr auskömmlich sind. Wir sind aber im Moment gezwungen, weiterhin zu diesen Honorarsätzen anzubieten, vor allem bei der öffentlichen Hand. Wenn wir nicht wirtschaftlich arbeiten können, weil die Honorare zu niedrig angesetzt sind, sind wir gezwungen, Abstriche zu machen – und das geht immer zulasten der Qualität. Deshalb setzen wir uns vehement dafür ein, dass die Überarbeitung der Honorarordnung für Architekten- und Ingenieurleistungen, die letztes Jahr kurz vor Verabschiedung durch den Bundestag war, tatsächlich beschlossen wird.
Sie kritisieren die Ästhetik der Sichtbeton-Kuben und wollen mehr Grünflächen integrieren. Muss die Architektur besser mit der Stadtumgebung korrespondieren?
Die Sichtbeton-Kuben haben durchaus ihre ästhetische Berechtigung gehabt. Jeder Stil ist ja dem Geschmack und den Anforderungen der jeweiligen Zeit und Gesellschaft geschuldet. Aber wir haben in den letzten Jahren immer stärker gemerkt, dass es über die ästhetischen Belange hinaus einige Anforderungen mehr an unsere Stadtlandschaften gibt. Zum Beispiel die Klimaanpassung. Es geht darum, angenehme Lebensbedingungen auch ohne übermäßige Gebäude-Technik zu schaffen. Wir müssen in unsere Stadt- und Gebäudeplanung eine bessere Durchlüftung in Städten und deutlich mehr Grün integrieren. Auch das wird nicht nur lokal entschieden, sondern von Europa über nationale Vorgaben geregelt.
Zur Person
Stephan Weber ist geschäftsführender Gesellschafter und Partner bei AAg Architekten in Heidelberg und zählt zu den profilierten Stimmen der deutschen Baukultur. Als Vizepräsident der Architektenkammer Baden-Württemberg setzt er sich seit Jahren für qualitätsvolle Architektur und nachhaltiges Bauen ein. Im September 2025 wurde der 66-Jährige zum Vizepräsidenten der Bundesarchitektenkammer gewählt. Weber hat ein Faible für die Digitalisierung und ist seit 2021 Mitglied im BIM-Deutschland-Beirat.