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Entscheidung der EU-Kommission

Kritik an Absenkung der EU-Schwellenwerte

Entgegen vielen Erwartungen hat die EU-Kommission beschlossen, die EU-Schwellenwerte für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen ab dem 1. Januar 2026 zu senken. Kommunalvertreter halten diese Entscheidung für falsch, da künftig mehr Vorhaben europaweit ausgeschrieben werden müssen.
Lächelnder Mann mit Brille und Anzug in einem Flur, zwei unscharfe Personen im Hintergrund.

Gerade jetzt brauchen wir einfachere und schnellere Verfahren für den Ausbau der Infrastruktur, sagt Christian Manz, der beim Gemeindetag Baden-Württemberg für das Vergaberecht zuständig ist.

Gemeindetag BW)

Brüssel/Stuttgart. Die Europäische Kommission hat beschlossen, die EU-Schwellenwerte für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen ab dem 1. Januar 2026 zu senken. Bei den Kommunen trifft diese Entscheidung auf Unverständnis. „Das ist eindeutig die falsche Richtung“, sagt Christian Manz, der beim Gemeindetag Baden-Württemberg für das Vergaberecht zuständig ist.

Denn mit der Entscheidung fallen künftig mehr Vergaben unter das EU-Vergaberecht und müssen europaweit ausgeschrieben werden. Das hat Folgen für kommunale Vergabestellen: mehr Bürokratie, längere Fristen, eine aufwendigere Dokumentation und ein höheres Risiko für Vergabeverstöße, die im schlimmsten Fall zu Nachprüfungsverfahren führen können.

Kommunale Spitzenverbände fordern höhere Schwellenwerte

Erst im März hatte der Gemeindetag zusammen mit weiteren deutschen und österreichischen kommunalen Spitzenverbänden die EU-Kommission in einem Positionspapier aufgefordert, die Schwellenwerte deutlich anzuheben. „Diese Forderung vertreten wir nach wie vor“, sagt Manz.

Allein die steigende Inflation und die Preissteigerungen der letzten Jahre insbesondere für Bauleistungen würden es Manz zufolge nahelegen, die Schwellenwerte deutlich anzuheben. In ihrem Positionspapier hatten die Kommunalvertreter gefordert, den Schwellenwert für öffentliche Bauvergaben von aktuell 5 538 000 Euro auf mindestens zehn Millionen Euro zu erhöhen. Für Liefer- und Dienstleistungen sollte er von derzeit 221 000 Euro auf mindestens 750 000 Euro angehoben werden. Manz rechnet damit, dass die Kommunen dagegen bei weiterhin steigenden Preisen und gleichzeitig niedrigeren Schwellenwerten, tendenziell mehr Aufträge europaweit ausschreiben müssen. „Der Nutzen dafür steht jedoch häufig in keinem Verhältnis zum Aufwand“, erklärt er. So räume die EU-Kommission selbst ein, dass bei EU-weiten Vergaben lediglich drei Prozent aller Angebote von Bietern aus dem EU-Ausland komme. „Einen grenzüberschreitenden Vergabemarkt gibt es wegen der oft regionalen Prägung weiter nicht“, kritisieren die Kommunalvertreter.

Kita- und Schulbau, Wohnungsbau und Klimafolgenanpassung

Besonders kritisch sieht Manz die Entscheidung der EU mit Blick auf die Herausforderungen, vor den Kommunen aktuell stehen: „Die Absenkung der Schwellenwerte kommt in Zeiten, in denen wir über einfachere und schnellere Verfahren für Infrastrukturmaßnahmen, Kita- und Schulbau, Wohnungsbau und Klimafolgenanpassung sprechen. Da müssen wir wirklich vorankommen. Umso schwerer wiegt es, dass die Anpassung der EU-Schwellenwerte jetzt in die falsche Richtung geht.“

Die Schwellenwerte werden alle zwei Jahre nach Vorgaben der Welthandelsorganisation über das öffentliche Beschaffungswesen (Agreement on Government Procurement, GPA) neu festgesetzt. Die Ermittlung ist mithin nicht das Ergebnis einer politischen Willensbildung der EU, sondern erfolgt über ein rein mathematisches Verfahren.

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