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Expertenbeitrag: Sektorenauftraggeber

Energie- und Brennstoffe ohne Ausschreibung beschaffen

Stadtwerke und andere Sektorenauftraggeber haben im Vergleich zu anderen öffentlichen Auftraggebern besondere Vorteile im Vergaberecht. Sie müssen sich bei Beschaffungsvorhaben nicht immer an das europäische Vergaberecht halten. Das kommt etwa beim Einkauf von Energie- und Brennstoffen zum Tragen. Von Holger Schröder.
Acht Tropfen mit Energiesymbolen vor Holzstapeln.

Für die Beschaffung von Energie und Brennstoffen gelten Ausnahmen vom Vergaberecht.

IMAGO / Wolfilser)

Nürnberg . Die Vergabe durch Sektorenauftraggeber unterliegt besonderen Vorschriften, weil diese Unternehmen oder Einrichtungen oft in abgeschotteten Märkten tätig sind. Dafür sind häufig staatlich vergebene Sonderrechte verantwortlich wie etwa Linienkonzessionen für den Öffentlichen Personennahverkehr auf der Straße.

So müssen Sektorenauftraggeber kein EU-Vergaberecht anwenden, wenn sie Energie oder Brennstoffe einkaufen wollen, die sie zur Energieerzeugung im Rahmen der Energieversorgung nutzen. So ist es in Paragraf 137 Absatz 1 Nummer 8 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) festgelegt. Die Ausnahmevorschrift setzt die europäische Sektorenvergaberichtlinie um. Diese verfolgt keine spezielle Liberalisierungspolitik in den betroffenen Sektoren. Sie soll hauptsächlich sicherstellen, dass auch nichtstaatliche Unternehmen mit behördlichen Sonderrechten erfasst werden.

Dieser Gedanke bildet die Grundlage für die Ausnahme, dass das Vergaberecht für Energieversorger beim Einkauf von Energie und Brennstoffen zur Energieerzeugung nicht gilt. Verträge über die Lieferung von Energie bedürfen aufgrund des ausreichenden Wettbewerbsdrucks keiner Vergaberegulierung.

Auftraggeber müssen selbst im Energiesektor tätig sein

Historisch betrachtet sollte der grenzüberschreitende Handel in der EU durch eigene Richtlinien für den Binnenmarkt Gas und Elektrizität erreicht werden. In Paragraf 137 Absatz 1 Nummer 8 werden daher zwei Beschaffungsarten unterschieden: die Beschaffung von Energie und die von Brennstoffen. Für beide gilt, dass die Beschaffung im Rahmen der Energieversorgung erfolgen muss, also von Auftraggebern, die selbst im Energiesektor tätig sind.

Bloße Netzbetreiber können sich daher nach der Rechtsprechung (so das Oberlandesgericht München im Beschluss vom 9. März 2020, Aktenzeichen: Verg 27/19) nicht auf die Ausnahmevorschrift berufen.

Diese Spruchpraxis ist allerdings umstritten, da einige Kommentatoren auch die Beschaffung von sogenannter Regelenergie durch Übertragungsnetzbetreiber ausnehmen wollen. Wie alle Ausnahmetatbestände des Paragrafen 137 GWB ist auch Nummer 8 eng auszulegen. Das bedeutet, dass nur reine Energie- oder Brennstofflieferungen den alleinigen Auftragsgegenstand darstellen dürfen (Oberlandesgericht München, siehe oben).

Wenn zusätzlich zur Energielieferung auch Bau- oder Dienstleistungen beschafft werden, greift die Ausnahme nicht mehr. Ein Beispiel hierfür ist das Energie-Contracting, bei dem neben der Energielieferung auch bauliche Maßnahmen und Dienstleistungen erbracht werden.

Ist der Vertragsgegenstand also nicht nur die Energielieferung, sondern auch der Bau und Betrieb von Kraftwerken, findet die Ausnahmevorschrift keine Anwendung.

Beschaffung von Elektrizität, Gas und Wärme

Der Begriff „Energie“ umfasst die in Paragraf 102 GWB geregelten Sektorentätigkeiten Elektrizität, Gas und Wärme. Ein Stadtwerk kann daher beispielsweise zum Zweck der Ausübung seiner Wärme-Sektorentätigkeit reine Wärmelieferverträge ohne Beachtung des EU-Vergaberechts abschließen.

Die Energiebeschaffung im Zusammenhang mit Verkehrsleistungen sowie im Bereich von Flughäfen oder Häfen fällt hingegen nicht unter die Ausnahme. Das bedeutet, dass etwa die Beschaffung von Energie oder Brennstoffen für Fahrzeuge im Verkehrssektor nicht von der vergaberechtlichen Ausnahme profitiert.

Der Bezug von Brennstoffen umfasst auch Holz oder Holzpellets

Der Bezug von „Brennstoffen“ umfasst nicht nur flüssige oder feste fossile Energieträger wie Erdöl, Kohle und Erdgas, sondern auch solche aus Biomasse, beispielsweise Holz oder Holzpellets. Der Sektorenauftraggeber muss diese Brennstoffe zwingend zur Energieerzeugung einsetzen.

Dieser einschränkende Verwendungszweck („zur Energieerzeugung“) gilt bei der anderen Beschaffungsvariante, der reinen Energiebeschaffung dagegen nicht.

Dies ergibt sich eindeutig aus der EU-Sektorenvergaberichtlinie, die den Zusatz „für die Energieerzeugung“ nur im Zusammenhang mit der Brennstoffbeschaffung vorsieht. Die Beschaffung von Brennstoffen umfasst aber nicht den Transport und die Entsorgung der bei der Verbrennung entstehenden Reststoffe (ähnlich Vergabekammer Sachsen, Beschluss vom 15. Oktober 2004, Aktenzeichen: 1/SVK/090-04).

Besondere Ausnahmen

Paragraf 137 Absatz 1 Nummer 8 im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen regelt die Ausnahme bei der Beschaffung von Energie und Brennstoffen:

„Dieser Teil [Anmerkung: gemeint ist das EU-Vergaberecht] ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Sektorenauftraggeber zum Zweck der Ausübung einer Sektorentätigkeit, wenn die Aufträge Folgendes zum Gegenstand haben: […] 8. die Beschaffung von Energie oder von Brennstoffen zur Energieerzeugung im Rahmen der Energieversorgung.“

Holger Schröder, Fachanwalt für Vergaberecht, Partner bei Rödl & Partner in Nürnberg.
Privat)

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