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Interview

Göppinger Landrat Markus Möller: „Ich gebe die Aufgaben an die Kommunen zurück“

Staatsanzeiger: Herr Möller, wir befinden uns in einer Finanzkrise. Die Kommunen bekommen jetzt acht Milliarden aus dem Sondervermögen, reicht das? Wie ist die Lage in Göppingen? Möller: Die Aufteilung des Sondervermögens ist sicherlich fair. Parallel müssen wir uns die Einigung bezüglich der Finanzbeziehungen von Land und Kommunen anschauen. Ich sehe sehr oft Begriffe wie „einmalig“ […]
Mann in Anzug spricht, hebt eine Hand, neutraler Hintergrund.

Landrat Markus Möller ändert an der Kreisumlage nichts, lässt aber mehr Aufgaben durch die Kommunen erledigen.

Achim Zweygarth)

Staatsanzeiger: Herr Möller, wir befinden uns in einer Finanzkrise. Die Kommunen bekommen jetzt acht Milliarden aus dem Sondervermögen, reicht das? Wie ist die Lage in Göppingen?

Möller: Die Aufteilung des Sondervermögens ist sicherlich fair. Parallel müssen wir uns die Einigung bezüglich der Finanzbeziehungen von Land und Kommunen anschauen. Ich sehe sehr oft Begriffe wie „einmalig“ oder „rückwirkend“. Die Finanzbeziehungen zwischen Städten, Gemeinden, Landkreisen und dem Land müssen auf eine neue, stetige Grundlage gestellt werden. Im Blick auf die Finanzen haben wir Fortschritte erzielt, aber die große Aufgabe ist nicht nachhaltig gelöst: Die Landkreise sind massiv unterfinanziert.

Das klingt gut, aber wo wollen Sie ansetzen? Das Land hat keine Geldtöpfe …

Wirklich? Schauen Sie sich mal den Personalaufwuchs in den Ministerien seit 2011 an. Wir sollten auch aufhören mit den unzähligen anreizenden Systemen, Stichwort 440 Förderprogramme des Landes. Ich wünsche mir vielmehr eine stetige Finanzierung für die Aufgaben, die uns das Land und der Bund übertragen. Das betrifft Mittel aus dem Finanzausgleich und die neuen Aufgaben, die auf uns zukommen, sei es das Bundes-Teilhabegesetz oder die Ganztagsbetreuung. Vor allem benötigen wir einen Standardabbau.

Viele Kommunen, auch in Ihrem Landkreis, klagen über hohe Kreisumlagen. Ist ein weiterer Anstieg auch bei Ihnen zu befürchten? Woran liegt das?

Mir ist wichtig, dass Städte und Gemeinden lebensfähig bleiben und investieren können – zum Beispiel in Schulen, Kitas, Gehwege. Deshalb verfolge ich einen anderen Kurs. Im Haushaltsentwurf, den ich dem Kreistag vorgeschlagen habe, ist keine Erhöhung der Kreisumlage vorgesehen. Wir haben dafür ein massives Konsolidierungsprogramm gestartet, wie es das in dieser Größenordnung im Landkreis noch nicht gab. Mein Ziel ist, dass die Kreisumlage stabil bleibt, weil ich glaube, dass wir über das Prinzip der Subsidiarität Aufgaben wieder an die Kommunen zurückgeben und so eine höhere Effizienz erreichen können.

Was haben Sie denn konkret eingespart? Was bedeutet im Detail das Konsolidierungsprogramm im Kreis?

Wir haben ein massives Personal-Einsparprogramm aufgelegt. Intern nennen wir es „8 in 8“ – wir wollen acht Prozent der Stellen in acht Jahren einsparen. Vor allem geben wir auch Aufgaben zurück, während wir die Kreisumlage stabil halten oder mittelfristig senken wollen. Städte und Gemeinden sollen selbst über die Aufgabenwahrnehmung entscheiden, zum Beispiel Schulsozialarbeit, Familientreffs oder Beratungsangebote. Wir konzentrieren uns auf die Kernaufgaben des Landkreises. Das ist meine Philosophie.

Wie kommt das bei den Städten und Gemeinden an, die das dann ja selbst finanzieren müssen?

Von den Bürgermeistern erhalte ich sehr viel Zuspruch. Sie spüren, dass sie mit dem Grundsatz der Subsidiarität selbst entscheiden können: Brauche ich einen Schulsozialarbeiter wirklich oder nicht?

Ein interessanter Kurs, den kaum einer Ihrer Kollegen so einschlägt.

Aber der richtige Kurs. Am Ende entscheidet der Kreistag. Und mir war es wichtig, alle Möglichkeiten im Rahmen der Subsidiarität aufzuzeigen.

Stichwort Krankenhäuser: Es heißt, Sie streben sogar eine Privatisierung an. Was ist Ihre Strategie, gerade weil das einer der großen Kostentreiber ist?

Ich habe mich klar positioniert: Wir haben ein Flaggschiff der medizinischen Versorgung im Landkreis, und ich stehe zu kommunalen Krankenhäusern. Für mich stand eine Privatisierung nie zur Debatte.

Woher kam dann die Überlegung?

Das Landratsamt hat vor meiner Zeit, wie alle Häuser, Einsparlisten entwickelt. Ich kann nicht beurteilen, woher das kam.

Wie sind die Defizite bei den Kliniken?

Die Defizite der Krankenhäuser bringen uns an die Grenze unserer Leistungsfähigkeit. Dadurch sind wir am Ende gezwungen, freiwillige Leistungen einzustellen oder beim ÖPNV zu kürzen. In diesem Jahr ist mit dem Alb-Fils-Klinikum ein neues Krankenhaus in Betrieb gegangen. Es bildet ein Zentralkrankenhaus für den Landkreis mit medizinischer Versorgung auf höchstem Niveau. Wir werden erst nächstes Jahr sehen, wie sich der Betrieb des Krankenhauses wirtschaftlich darstellt. Wir haben eine Grenze eingezogen, was wir an Defizit leisten wollen – das ist eine klare Vorgabe an die Geschäftsführung. Dieses Jahr werden wir allerdings mit einem sehr hohen Defizit von bis zu 19 Millionen Euro abschließen.

Woran liegt das? Die Hoffnung ist ja, dass die Defizite sinken.

Prozesse müssen sich einspielen, Personal muss gefunden werden. Wir haben neue medizinische Leistungen auf hochtechnologischer Basis. Ich glaube, dass wir mit diesem Krankenhaus voll in die Reformpläne des Bundes passen und eigentlich Erfolg haben müssten. Aber die Grundfrage bleibt: Wenn die Zahlenbasis falsch ist und baden-württembergische Krankenhäuser benachteiligt werden, weil unsere Lohnkosten 20 bis 25 Prozent höher sind, dann bleibt das ein Problem. Das können wir durch Effizienzsteigerungen nicht ausgleichen.

Was ist Ihre Lösung?

Wir stehen hier vor der Frage, die über den Gesundheitsbereich hinausgeht: Welche Aufgaben hat der Staat? Welche kann er erfüllen? Und müssten wir den Menschen nicht einmal sagen, dass der Weg, dass alles grenzenlos nach oben geht, zu Ende ist?

Das sind Themen, die Sie auf kommunaler Ebene nur bedingt steuern können.

Ich sehe in Baden-Württemberg bei den Krankenhäusern kaum noch Möglichkeiten. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht mit der niedrigsten Bettenanzahl pro Einwohner.

Sie waren schon Vize-Regierungssprecher in der Landesverwaltung. Was hat Sie gereizt, Landrat zu werden?

Es ist ein Unterschied, ob Sie in einer dienenden Rolle tätig sind oder ob Sie Gestaltungsmöglichkeiten haben. Man könnte zwar sagen, in dieser finanziellen Lage gibt es als Landrat keine Gestaltungsmöglichkeiten mehr. Aber ich glaube, dass man durch eine ermöglichende Verwaltung – etwa bei Genehmigungsverfahren für die Wirtschaft – etwas Positives schaffen kann. Ich möchte den Landkreis Göppingen mit seinen fantastischen Potenzialen für Menschen und Investoren attraktiv machen. Es ist etwas Besonderes, selbst für die Entwicklung eines Landkreises verantwortlich zu sein.

Es ist auch eine andere Rolle …

Ich war immer schon gern mit Menschen zusammen. Deshalb bin ich jetzt auch viel im Landkreis unterwegs, suche den direkten Kontakt. Wenn ich in eine Halle komme und den Hausmeister sehe, gehe ich zu ihm und frage: „Hallo, wie geht es Ihnen, was beschäftigt Sie gerade?“ Es ist eine Frage, ob man den Menschen zugewandt ist oder nicht.

Zur Person

Markus Möller (rechts) erklärt im Gespräch mit Chefredakteur Rafael Binkowski im Göppinger Landratsamt, dass ihm der direkte Kontakt zu den Menschen wichtig ist.
Achim Zweygarth)

Möller wuchs in Eriskirch auf. Er ist Jurist. 2003 begann er beim Regierungspräsidium Freiburg, bis 2008 war er persönlicher Referent der Regierungspräsidenten, wechselte er zum Staatsministerium, war für Rundfunkpolitik zuständig. Dann wurde er Leiter des Referats für den Bundesrat und Europa. 2010 wurde er Vize-Regierungssprecher unter Stefan Mappus, wechselte bis 2017 ins Verkehrsministerium und wurde bis 2025 Vize-Landrat im Alb-Donaukreis. Im Juli wurde er Göppinger Landrat.

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