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Expertenbeitrag: Kooperationen

Wann die interkommunale Zusammenarbeit vergaberechtsfrei ist

Angesichts zunehmend defizitärer kommunaler Haushalte rückt die interkommunale Zusammenarbeit als Instrument zur effizienteren Aufgabenbewältigung in den Fokus. Damit Kommunen die rechtlichen Spielräume einer vergaberechtsfreien Zusammenarbeit sicher ausschöpfen können, bedarf es sorgfältiger juristischer und organisatorischer Abwägungen.

Ressourcen bündeln, Kosten senken und Fachwissen teilen: Die interkommunale Zusammenarbeit bringt Vorteile.

Fotos: Imago/Imagebroker/Markus Keller, Imago/sistera, Montage: Marc Herrgoss)

Stuttgart . Die interkommunale Zusammenarbeit ermöglicht es Städten, Gemeinden und Landkreisen, Fachwissen zu teilen, Ressourcen zu bündeln und komplexe Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Mit Blick auf das Vergaberecht ist im Einzelfall zu klären, ob die Kooperation einen (dem Vergaberecht vorgelagerten, vergaberechtsfreien) staatsinternen Organisationsakt darstellt oder ob eine vergaberechtsfreie Leistungsbeziehung vorliegt.

Für Letztere hat der Gesetzgeber in Paragraf 108 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) die Voraussetzungen definiert. Nur wenn diese nicht zutreffen, unterliegt auch die interkommunale Zusammenarbeit dem Vergaberecht.

Interkommunale Kooperation als strategisches Instrument

Die interkommunale Zusammenarbeit ist Ausdruck der verfassungsrechtlich verankerten kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG. Die Zusammenarbeit kann informell oder in rechtlich verbindlichen Kooperationen erfolgen. Informelle Kooperationen dienen etwa dem Erfahrungsaustausch, während rechtlich verbindliche Modelle eine strukturierte und dauerhafte Zusammenarbeit ermöglichen. Verständigen sich Kommunen auf eine rechtlich verbindliche Zusammenarbeit, können sie diese vertraglich oder institutionalisiert ausgestalten. Eine vertragliche Zusammenarbeit bietet eine größere Flexibilität. Sie ist insbesondere dann vorteilhaft, wenn Kommunen nur eine punktuelle oder vorübergehende Zusammenarbeit anstreben. Beispielsweise bieten sich Bündelausschreibungen von Kommunen nach Paragraf 4 VgV für die gemeinsame Beschaffung von gleichartigen Leistungen an, um den Aufwand der Vorbereitung und Durchführung eines Vergabeverfahrens für die einzelne Kommune zu reduzieren und durch die gebündelte Nachfrage am Markt ggf. bessere Konditionen zu erzielen.

Rechtsform hängt von der der Zielsetzung und dem Umfang des Projekts ab

Es besteht auch die Möglichkeit einer institutionellen Zusammenarbeit durch die Gründung gemeinsamer Organisationseinheiten. Diese bietet sich vor allem für langfristige oder komplexe Projekte an, beispielsweise für den Bau und Betrieb gemeinsamer Entsorgungsanlagen (zum Beispiel für Abfälle, Abwässer und Klärschlämme). Den Kommunen stehen als Instrumente hierfür öffentlich-rechtliche Rechtsformen wie Zweckverbände und Kommunalanstalten oder privatrechtliche Gesellschaften wie die GmbH und GmbH & Co. KG zur Verfügung.

Die Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Zusammenarbeit liegt grundsätzlich bei den Kommunen selbst. Die passende Rechtsform hängt von der Zielsetzung, dem Umfang und der Dauer des Projekts und – last but not least – ggf. auch von der Möglichkeit einer vergaberechtsfreien Gestaltung ab. Gemäß Artikel 1 Absatz 6 Richtlinie 2014/24/EU werden Vereinbarungen, Beschlüsse oder andere Rechtsinstrumente, die die Übertragung von Befugnissen und Zuständigkeiten für die Ausführung öffentlicher Aufgaben zwischen öffentlichen Auftraggebern regeln und die keine Vergütung für vertragliche Leistungen vorsehen, als Angelegenheit der internen Organisation des betreffenden Mitgliedstaats betrachtet und sind als solche nicht von dieser (Vergabe-)Richtlinie berührt.

EuGH-Richter prüfen die Kompetenzen eines Zweckverbands

In diesem Sinne hat etwa der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 21.12.2016 – C-51/15 (Remondis./.Region Hannover“) im Bereich der Abfallwirtschaft entschieden, dass die Gründung eines Zweckverbands mit echter Kompetenzübertragung eine Angelegenheit der internen Organisation darstellt, wenn eine vollständige Übertragung der öffentlichen Aufgaben zur Erfüllung durch den Zweckverband erfolgt, der Zweckverband die übertragenen Aufgaben autonom erfüllen kann.

Nach Maßgabe von Artikel 12 Richtlinie 2014/24/EG in Verbindung mit Paragraf 108 GWB können auch entgeltliche Leistungsbeziehungen in der interkommunalen Zusammenarbeit vergaberechtsfrei sein. Gründen mehrere öffentliche Auftraggeber eine rechtlich selbstständige juristische Person (z.B. GmbH), die sie gemeinsam kontrollieren, können die öffentlichen Auftraggeber diese nach Maßgabe von Paragraf 108 Abs. 4 und 5 GWB vergaberechtsfrei mit der Erbringung von (entgeltlichen) Leistungen für die beteiligten öffentlichen Auftraggeber beauftragen.

Auch eine rein vertragliche interkommunale Zusammenarbeit kann bei einem kooperativen Konzept der Kommunen nach Maßgabe von Paragraf 108 Absatz 6 GWB vergaberechtsfrei sein. Das zeigen etwa die EuGH-Urteile vom 09.06.2009 – C-480/06 zur Stadtreinigung Hamburg sowie das EuGH-Urteil vom 04.06.2020 – C-429/19 (Remondis gegen den Abfallzweckverband Rhein-Mosel-Eifel). Hierbei darf sich der Beitrag der kommunalen Vertragspartner allerdings nicht auf eine bloße Erstattung von Kosten beschränken.

Bundesregierung will mehr Rechtssicherheit schaffen

Im Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge“ ( Bundestags-Drucksache 21/1934 ) sind Anpassungen an Paragraf 108 GWB vorgesehen, um die Rechtslage bei vergaberechtsfreien Leistungsbeziehungen – insbesondere bei interkommunaler Zusammenarbeit – klarer zu regeln. Dies soll mehr Rechtssicherheit schaffen, wann eine vergaberechtsfreie Leistungsbeziehung vorliegt, und wann nicht.

Beatrice Fabry , Fachanwältin für Vergaberecht und Partnerin bei Menold Bezler, Stuttgart

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