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Medizinstudium: Es muss sich endlich was ändern

Sie fordern eine faire Bezahlung. Medizinstudenten im Praktischen Jahr (PJ) haben auf ihre Situation aufmerksam gemacht.
IMAGO/imageBROKER/Unai Huizi)Sie fordern eine faire Bezahlung. Medizinstudenten im Praktischen Jahr (PJ) haben vergangene Woche auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Nach mehreren Jahren theoretischer Ausbildung sollen sie im PJ lernen, das theoretische Wissen in der Praxis anzuwenden. Es ist ihre letzte große Station im Medizinstudium. Doch bei Bezahlung, Ausbildung und zahlreichen weiteren Punkten hapert es. Und das nicht erst seit heute. Seit Jahren üben Verbände wie der Landesärzteverband und der Marburger Bund Kritik. Sogar die Bundesregierung hat das Thema inzwischen im Koalitionsvertrag aufgegriffen. Und auch der Landtag hat sich nun mit einer Anhörung im Wissenschaftsausschuss mit der Verbesserung der Situation von Medizinstudenten im Praktischen Jahr befasst.
Beschwerden und Kritik gibt es seit Jahren: So ist die Vergütung, die die angehenden Ärzte im Praktischen Jahr bekommen, sehr unterschiedlich. Der Marburger Bund hat Zahlen in einer Umfrage erhoben. Danach bekommen 11 Prozent keine Geld- oder Sachleistungen, 17 Prozent erhalten eine Aufwandsentschädigung von 300 Euro monatlich. 62 Prozent zwischen 301 und 649 Euro, 8 Prozent zwischen 650 und 934 Euro. 2 Prozent liegen darüber.
Demgegenüber steht eine 40-Stunden-Woche mit Anamnese, die vom Arzt nochmals überprüft werden muss, Blutabnahme, OP-Assistenz und Versorgung unkomplizierter Wunden. Sie tragen mit dazu bei, die Versorgung in den Krankenhäusern sicherzustellen.
Aufwandsentschädigung reicht oft nicht für Lebenshaltungskosten
Die Aufwandsentschädigung reicht allerdings häufig nicht, um die Lebenshaltungskosten zu decken oder auch nur ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft zu bezahlen. Wer da nicht von den Eltern finanziell unterstützt werden kann, muss häufig noch zusätzlich jobben, machen Vertreter der Arztverbände und der Medizinstudenten deutlich.
Zum Vergleich: angehende Lehrer im Referendariat erhalten rund 1500 Euro monatlich. Studierende mit einem Dualen Studium verdienen je nach Branche durchschnittlich zwischen 700 und 1500 Euro im Monat. Allein diese Vergleichszahlen machen deutlich: eine einheitliche Aufwandsentschädigung im PJ ist überfällig. Und sie sollte sich in jedem Fall am Bafög-Höchstsatz orientieren, um auch die Lebenshaltungskosten zu decken. Dazu ist allerdings auch notwendig, dass die Krankenhäuser die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt bekommen, denn derzeit sind viele Einrichtungen finanziell unter Druck.
Doch die Bezahlung ist nur eine von vielen Baustellen im Praktischen Jahr. Eine weitere ist die Ausbildung in dieser Zeit. Die funktioniert in den Krankenhäusern unterschiedlich gut. Denn die Ärzte leisten dies zusätzlich. Mittel dafür gibt es inzwischen keine mehr. Und in den Krankenhäusern gilt: Wichtigste Aufgabe ist die Versorgung der Patienten. Dann kann die Ausbildung angehender Ärzte schon mal hinten runterfallen. Medizinstudenten berichten immer wieder davon, dass Ausbildungsstunden ausfallen.
Zu wenig Zeit für Prüfungsvorbereitung
Gleichzeitig sind die Vorgaben für Medizinstudenten im Praktischen Jahr rigide. 30 Fehltage dürfen sie in dem Jahr haben, da sind die Krankheitstage schon inbegriffen. Eine Folge: Sie kommen immer wieder auch krank zur Arbeit. Denn die meisten benötigen ihre Fehltage am Ende des PJ. Schließlich steht eine Woche danach ein Staatsexamen an. Zu Recht fordern die Studierenden deshalb auch, dass der Abstand zwischen Praktischem Jahr und Prüfungen zumindest vier Wochen betragen sollte, um sich auch entsprechend auf die Prüfungen vorzubereiten, auch wenn dies nicht allen Professoren an den Hochschulen gefällt, da die Prüfungszeiträume dann mit anderen Prüfungen zusammenfallen könnten.
Es ist gut, dass sich der Landtag nun mit den Bedingungen der angehenden Ärzte befasst und nach Lösungen sucht. Denn sonst droht die Gefahr, dass Mediziner in andere Bundesländer – Sachsen-Anhalt etwa zahlt im Praktischen Jahr mehr – abwandern oder direkt ins Ausland gehen. Die Schweiz ist von Baden-Württemberg aus nicht weit. Und das ist etwas, was das Land sich nicht leisten kann.