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Kommentar

Stuttgart 21 ist auf Kante genäht

Der Elan, den die neue Bahnchefin an den Tag legt, beeindruckt. Allerdings legt auch Evelyn Palla den Finger nicht in die Wunde. Denn das größte Problem von Stuttgart 21 ist nicht, dass das Bahnprojekt immer teurer und aufwendiger wird. Sondern dass der neue Hauptbahnhof für die Verkehrswende möglicherweise zu klein ist.
Große, moderne U-Bahn-Station im Bau mit Schienen und Baugeräten.

Ein schicker Bahnhof – doch gelingt mit Stuttgart 21 die Verkehrswende?

dpa/Bernd Weißbrod)

„Das beeindruckendste Bahnprojekt, das es auf der ganzen Welt gibt“, erkennt Evelyn Palla in Stuttgart 21. Da mag man der Bahnchefin vordergründig nicht widersprechen. Nicht nur finanziell, sondern auch technisch sprengt S21 alle Dimensionen. Gleichzeitig ist immer noch ungewiss, ob der neue Stuttgarter Hauptbahnhof auch hält, was er verspricht – ob also wirklich acht Gleise genügen, um die bisherigen 16 nicht nur zu ersetzen, sondern auch den Deutschlandtakt und damit die Verkehrswende zu ermöglichen.

In Sachen Kapazität wird er mit dem Zürcher Hauptbahnhof und seinen 26 Gleisen, davon 10 unterirdisch, wohl nie mithalten können, selbst wenn es gelingen sollte, das Stuttgarter Netz vollständig zu digitalisieren. Und auch andere zentrale Knoten wie der Berliner Hauptbahnhof mit seinen 14 und Hannover mit seinen 12 Gleisen dürften Stuttgart überlegen sein, sobald dort die Digitalisierung Einzug hält.

Der Ergänzungsbahnhof hätte ein Türchen offengelassen

In der Schlichtung waren ein neuntes und ein zehntes Gleis erwogen worden, ebenso ein Ergänzungsbahnhof, eine Art geschrumpfter Kopfbahnhof. Insbesondere dieser Extra-Bahnhof hätte ein Türchen offengelassen für den Fall, dass man eines Tages erkennt, dass acht Gleise eben doch nicht reichen. Doch dann hätte die Stadt ihr neues Quartier umplanen müssen, und dafür zeigte im Magistrat niemand Verständnis, egal, ob er ein grünes oder ein schwarzes Parteibuch besaß.

Man soll ja den Teufel nicht an die Wand malen. Im allerschlimmsten Fall stehen eines Tages bei Daimler und Porsche die Fließbänder still, während die Bahn einen großen Bogen um die Landeshauptstadt macht. Okay – so weit wird es hoffentlich nie kommen. Aber die Frage, warum man – den Pfaffensteigtunnel einmal eingerechnet und eine moderate Kostensteigerung draufgeschlagen – irgendetwas um die 15 Milliarden Euro dafür ausgibt, damit der neue Bahnhof lediglich 30 Prozent mehr Kapazität als der alte, das würde man sich gerne einmal erklären lassen. Zumal eine weitere Steigerung kaum möglich erscheint, will man nicht nahezu unbezahlbare weitere Gleise im Tiefbahnhof bauen oder das neue Stadtquartier untertunneln.

Die Bahn wird sich nicht ein zweites Mal auf ein solches Projekt einlassen

Doch auf diese Frage geht die Bahnchefin am Montag bei der Lenkungskreissitzung am Stuttgarter Flughafen nicht ein. Sie will nur herausfinden, warum es zuletzt bei S21 so gehakt hat, dass wieder und wieder der Eröffnungstermin verschoben werden musste . Außerdem verspricht sie, bis Mitte kommenden Jahres einen neuen Eröffnungstermin zu nennen.

Geschenkt! Denn man kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich die Bahn ein zweites Mal auf ein solches Projekt einlassen könnte. Eines, in das in erster Linie ein Städtebauprojekt ist und erst in zweiter Linie eines der Bahn. Eines, bei dem die Bahn es ist, die sämtliche Zusatzkosten trägt, die über 4,5 Milliarden Euro hinausgehen; derzeit ist man bei gut elf Milliarden Euro . Und eines, bei dem zahlreiche Vorteile davon aufgefressen werden könnten, dass dieser Hauptbahnhof auf Kante genäht ist.

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