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Weihnachten im Gefängnis: Die Seelsorger packen mit den Gefangenen die Geschenktüten

Weihnachten im Gefängnis: Auch hier wird der Christbaum geschmückt, die Krippe aufgebaut und es werden Geschenktütten für die Gefangenen vorbereitet.
Privat)Heilbronn. „Heiligabend: Rinderbraten mit Kartoffelknödel, Rotkohl und Bratensoße; erster Feiertag: Paprikagulasch vom Rind mit Spätzle, Blattsalat und Puddingstrudel; zweiter Feiertag: Seelachs mit Kartoffelsalat und Remoulade …“ Was wie die Speisekarte eines Restaurants anmutet, wird am 24., 25. und 26. Dezember in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Heilbronn kredenzt.
„Auch Gefangene haben das Recht, an Feierlichkeiten teilzuhaben“, sagt Anstaltsleiter Andreas Vesenmaier. „Wir versuchen, den Zauber von Weihnachten, so weit es möglich ist, hereinzuholen. Dazu gehören auch besondere Gerichte, die es nicht jeden Tag gibt.“ Gegessen werden diese aber – wie in den anderen Anstalten im Land – aus Sicherheitsgründen jeweils in den Zellen.
Bischöfe zelebrieren immer wieder die Messe in der JVA
Alle Gefangenen kommen indes zusammen bei den feierlichen Gottesdiensten in der JVA-Kirche – nicht selten ist dann auch Prominenz dabei. Immer wieder zelebrierten Bischöfe die Messe, so Vesenmaier. Für die stimmungsvolle Dekoration des Gebetsraums sorgten maßgeblich die Insassen. „Sie beginnen schon in den Tagen davor, den Christbaum zu schmücken und die Krippe aufzubauen.“ Beim Weihnachtsgottesdienst am Morgen des 24. Dezember singe dann der Gefangenenchor. „Wunderbar!“ schwärmt der Jurist, der selbst den Chor musikalisch begleitet auf Orgel und Klavier. „In diesem Moment sind wir alle gleich.“
So erlebe er viele Insassen an solchen Tagen von einer anderen Seite, berührt, emotional. „JVA bedeutet: Unter einem Dach leben und arbeiten – Feste im Jahresablauf bringen ein Stück Normalität herein.“ Alle profitierten davon, muslimische Gefangene von den christlichen Festen, christliche von den muslimischen. Auch das Zuckerfest werde gefeiert, mit Baklava und anderen Süßspeisen. „Unsere Seelsorger – darunter auch ein muslimischer – kümmern sich um jeden Gefangenen, gleich welcher Religion, gleich ob religionslos. Sie bieten außerdem interreligiöse Gebete an.“
Die Seelsorger seien es denn auch, die mit den Gefangenen Weihnachtsgeschenke packten. „Da sind Kleinigkeiten für jeden Insassen drin – Christstollen, ein kleiner Notizblock mit Kugelschreiber, eben Dinge, die man genießen und im Alltag nutzen kann.“ Überhaupt gehe es schon während der Adventszeit immer wieder gesellig zu: Die Gefangenen nähmen an Freizeitgruppen teil, Ehrenamtliche kämen zu Besuch, brächten Orangen, Gebäck und mehr mit.
In der JVA Heilbronn, die 330 Plätze hat, spiegele sich die ganze Bandbreite der Gesellschaft, beschreibt Vesenmaier. Aufgrund von Baumaßnahmen sitzen in der klassischen Langzeitstrafanstalt für Erwachsenenvollzug ab einem Jahr und drei Monaten derzeit 260 Männer von 22 bis 85 Jahren ein. Darunter manche, die zuvor noch nie von Weihnachten gehört hätten, getaufte Christen, die draußen zuvor noch nie Weihnachten gefeiert hätten, und auch jene, die das Weihnachtsfest draußen in guter Erinnerung hätten und litten, weil sie ihre Kinder dann besonders vermissten.
Die Gefangenen sollen ihre Angehörigen sehen können
Daher versuche man zur Weihnachtszeit wie auch an anderen Festtagen, so weit es geht, mehr Besuche anzubieten. „Eingesperrt sein ist schlimm. Wir erlebten ja alle während der Corona-Pandemie im Kleinen, was das bedeutet, wenn Kontakte fehlen. Die Gefangenen sollen ihre Angehörigen sehen können.“ Soziale Bindungen förderten Resozialisierung. Das komme letztlich nicht nur dem Zusammenleben innerhalb der JVA zugute, sondern auch der Gesellschaft. „Und wenn es Krisen gibt, muss man auch mal großzügiger sein, jemandem ein paar Minuten länger telefonieren lassen. In unserem Vollzug steht der Mensch im Mittelpunkt – trotz allem.“ Klar sei auch, wer gegen die Regeln verstoße, müsse mit Konsequenzen rechnen. Wer sich aber daran halte, könne an den Festen teilhaben. „So wird es auch in anderen Anstalten gehandhabt“, sagt Vesenmaier.
Zu den Besonderheiten in der Adventszeit gehöre zudem, dass auch in den Betrieben der Heilbronner Justizvollzugsanstalt Vergünstigungen gewährt würden, etwa ein doppeltes Arbeitsfrühstück. Und zwischen den Jahren, wenn die Arbeit ruht, gibt es Angebote, die die Gefangenen auf andere Gedanken im Haftalltag bringen sollen. So fänden regelmäßig unter anderem Sport- und Skatturniere statt, die zum Teil von den Inhaftierten selbst organisiert würden.
„Am 30. Dezember, auch auf Silvester zusteuernd, folgt dann noch eine Hofweihnachtsfeier“, schildert Vesenmaier. Er sei dankbar, dass der höchst engagierte Anstaltsbeirat seit Jahren dieses Fest finanziere, bei dem im Hof einige Stunden gegrillt wird. „Bei guter Musik: Ein Saxofonist kommt zu uns, der amerikanische und deutsche Weihnachtslieder spielt.“
Weihnachtsamnestie gibt es seit 1963
Seit 1963 gibt es in Baden-Württemberg die Weihnachtsamnestie. Innerhalb derer sind Mitte November 201 Gefangene entlassen worden. Die Weihnachtsamnestie umfasst dieses Jahr Strafgefangene, die sich seit mindestens 1. September 2025 in Haft befinden und deren Strafende in die Zeit vom 13. November 2025 bis 6. Januar 2026 fällt. Die Amnestie hat vor allem humanitäre Aspekte, um etwa eine Obdachlosigkeit über Weihnachten zu verhindern, wenn in Beratungsstellen und Sozialämtern zwischen den Jahren niemand zu erreichen ist.