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Berufe im öffentlichen Dienst

Gerichtsvollzieher tragen zum Rechtsfrieden zwischen Gläubiger und Schuldner bei

Beamter sein und eigenverantwortlich arbeiten – im Beruf des Gerichtsvollziehers verbindet sich die Freiheit von Selbstständigen mit der Sicherheit des öffentlichen Diensts. Die Arbeit fordert ein gutes Standing und Empathie mit den Klienten. Es geht darum, den Rechtsfrieden zwischen Gläubiger und Schuldner herzustellen.

Die Arbeit als Gerichtsvollzieher bietet einen Mix aus Selbstständigkeit und Absicherung.

dpa/ Markus Scholz)

STUTTGART. Ein hohes Maß an Selbstständigkeit und die Sicherheit, Beamter zu sein: „Das bietet sonst kein Beruf“, findet Manuel Schunger, Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht Ehingen und stellvertretender Vorsitzender des Landesverbands Baden-Württemberg des Deutschen Gerichtsvollzieher Bunds (DGVB). Das selbstständige Einrichten und Führen des Büros, die freie Arbeitsgestaltung und Zeiteinteilung, die auch Familienarbeit ermöglicht – alles Pluspunkte, die zur Sicherheit des Beamtenstatus hinzukommen.

Brückenbauer zwischen Schuldner und Gläubiger

Seit 2016 erfolgt die Ausbildung im Rahmen eines Bachelor-Studiums an der Hochschule für Rechtspflege in Schwetzingen. Gerichtsvollzieher sind „Beamte für Zustellung und Vollstreckung“. Im Bild der Öffentlichkeit steht die „Vollstreckung“ ganz eindeutig negativ im Vordergrund. „Der Gerichtsvollzieher hat einen schlechteren Ruf, als er ihn verdient“, sagt Schunger.

Aus seiner Sicht ist er „ein Brückenbauer zwischen Schuldner und Gläubiger – der Schuldner muss nur drübergehen“. Sein Job diene der „Befriedung von Gläubiger und Schuldner“ und trage damit zum Rechtsfrieden bei. „Das schönste Urteil nutzt nichts, wenn man es nicht vollstreckt“, sagt Schunger.

Da er zwischen Gläubiger und Schuldner vermittle, sollte ein Gerichtsvollzieher „nicht wie die Axt im Walde agieren“. Er schaue immer, dass der Schuldner noch leben könne. „Natürlich steckt im Wort Zwangsvollstreckung ‚Zwang‘“, so Schunger, „ich muss wissen, wann ich die Daumenschrauben anziehen muss.“

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Sein Aufgabenfeld erstreckt sich darauf, „normale“ Schulden beizutreiben, aber auch Zwangsräumungen gehören zum Alltag. „Hinter jeder Tür ist ein neues Schicksal, im positiven wie im negativen Sinn.“ Und es könne auch gefährlich werden – 2012 tötete ein Schuldner in Karlsruhe bei einer Zwangsräumung den Gerichtsvollzieher, drei weitere Menschen und sich selbst. Deshalb gehören zum Studium und zu den Fortbildungen auch Psychologie, Deeskalation und Selbstverteidigung. Meist sind die Gerichtsvollzieher zwar alleine unterwegs, aber sie können Amtshilfe bei der Polizei beantragen.

„Es stehen Schicksale hinter der Situation der Schuldner, Arbeitslosigkeit, Krankheit, aber manchmal sind die Leute einfach selber schuld“, meint Schunger. „Wenn ein Gerichtsvollzieher nur Mitleid hätte, könnte er den Beruf nicht lange ausüben.“ Aber man müsse Empathie haben. „Der Schuldner ist immer ein Mensch, und entsprechend gehe ich mit ihm um.“ Dazu kann auch der Tipp gehören, eine Schuldnerberatung aufzusuchen.

Die Klienten bilden das gesamte gesellschaftliche Spektrum ab – vom Hartz-IV-Empfänger bis zum Millionär. Die Forderungen gehen von zehn Euro bis in die Millionen, vom nicht bezahlten Strafzettel bis zu Mietschulden oder nicht beglichenen Ratenzahlungen. Das Instrumentarium des Gerichtsvollziehers folgt strikt dem rechtlichen Rahmen: Er kommt meist nach Vorankündigung, betritt eine Wohnung notfalls mit richterlicher Genehmigung und beachtet die in Deutschland hohen Standards des Schuldnerschutzes. „Auch bei einer Zwangsräumung setzen wir die Leute nicht einfach auf die Straße“, sagt Schunger. „Wir informieren das Ordnungsamt, und die Kollegen müssen sich um einen Wohnersatz kümmern.“

Gerichtsvollzieher sind das Gesicht der Justiz

Bei Zwangsvollstreckungen von Mobiliar wird dieses gepfändet oder das Auto weggenommen, dessen Raten ausstehen. Für die Vollstreckung von Geldforderungen ermittelt der Gerichtsvollzieher die Sach- und Vermögenswerte, um den Gläubiger zufriedenzustellen. Das reicht von der Vermögensauskunft, der Aufstellung von Konten, Lebensversicherungen und Bausparverträgen bis zum Verzeichnis der Einkünfte des Schuldners.

Der Gerichtsvollzieher protokolliert die Vorgänge und führt eine Akte zu jedem Verfahren. Geprüft wird er selbst vom übergeordneten Landgericht. „Es ist viel Papierkram, aber ein interessanter Mix von Büro und Außendienst“, sagt Schunger. „Wir sind gewissermaßen das Gesicht der Justiz, denn sonst gibt es ja keinen Außendienst bei der Justiz.“

Beate Mehlin

Korrektorat und freie Mitarbeiterin beim Staatsanzeiger

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