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Gewalt gegen Beschäftigte in Behörden hat zugenommen

Auch Polizisten werden zunehmend bedroht und verletzt. Die Zahl der Gewalttaten gegen die Einsatzkräfte hat in den vergangenen Jahren zugenommen.
IMAGO/Daniel Kubirski)Stuttgart. Bekannt ist vermutlich nur die Spitze des Eisbergs, weil nur drei von zehn Übergriffen auf Beschäftigte des öffentlichen Dienstes bislang überhaupt zur Anzeige kommen. „Dabei hat jede vierte Person im öffentlichen Dienst bereits Gewalt am Arbeitsplatz erlebt“, sagte Daria Abramov, stellvertretende Vorsitzende der Jugend beim Deutschen Beamtenbund (DBB), bei einer Podiumsdiskussion im März dieses Jahres.
Abramov verwies auf eine Studie des Bundesinnenministeriums. Demnach gaben 23 Prozent der Beschäftigten an, Gewalterfahrungen gemacht zu haben, zwölf Prozent sogar mehrere Vorfälle innerhalb eines Jahres. Während bei Feuerwehr, Rettungskräften, Justizvollzug und Ordnungsamt ein Drittel der Beschäftigten innerhalb eines Jahres eine Gewalterfahrung machen mussten, sind es in der Sozial- und Arbeitsverwaltung weniger als zehn Prozent.
Menschen werden zur Zielscheibe, nur weil sie ihren Job machen
„Es ist skandalös, dass Menschen zur Zielscheibe werden, weil sie ihren Job machen“, moniert Abramov. Auch der DGB Baden-Württemberg hat vor kurzem bei einer Fachtagung die Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst angeprangert. „Ob im ÖPNV, in der Pflege, in Behörden oder an Schulen: Beschäftigte sind zunehmend Anfeindungen ausgesetzt“, sagte Maren Diebel-Ebers, stellvertretende DGB-Vorsitzende.
Martin Gross, ehemaliger Landesbezirksleiter der Gewerkschaft Verdi Baden-Württemberg, sagte bei der Veranstaltung, es brauche klare gesetzliche Rahmenbedingungen und eine konsequente Strafverfolgung. Zudem brauche es Investitionen in Prävention und in Schulungen. Sicherheit sei zentrale Voraussetzung für gute Arbeit. „Wer Personal halten und neues gewinnen will, muss ausreichend Schutz bieten.
Auch bei der Deutschen Bahn gibt es eine Vielzahl von Bedrohungen und Körperverletzungen. Einer Erhebung der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft zufolge seien 82 Prozent der Beschäftigten mit Kundenkontakt in ihrem Berufsleben schon Opfer eines verbalen oder körperlichen Angriffs geworden.
Um die Prävention zu verbessern, fordert Abramov ein besseres Monitoring. „Man kann Probleme nur nachhaltig lösen, wenn sie bekannt sind. Deshalb müssen wir verpflichtende Melde- und Auskunftssysteme etablieren.“ Damit ließe sich auch die Prävention in den Behörden vor Ort verbessern, unterstreicht die Gewerkschafterin, die als Teamleiterin im Sozialamt in Wuppertal arbeitet. „Wenn jemand in Behörde A randaliert hat, sollte Behörde B davon Kenntnis haben, wenn die Person sie zu einem späteren Zeitpunkt besucht.“
Beleidigungen, psychischer Druck und körperliche Übergriffe
Laut dem DGB Baden-Württemberg belegen Zahlen den Ernst der Lage: Zwei Drittel der Beschäftigten im öffentlichen Dienst sowie in vergleichbaren Tätigkeiten in der Privatwirtschaft haben in den vergangenen Jahren Gewalt am Arbeitsplatz erlebt – in Form von verbalen Beleidigungen, psychischem Druck oder körperlichen Übergriffen. Besonders betroffen ist der Verkehrssektor: 70 Prozent der dort Beschäftigten berichten von Gewalterfahrungen.
Fast ein Drittel der Betroffenen wurde nach einem Vorfall krankgeschrieben, mehr als zehn Prozent leiden unter langfristigen psychischen Beschwerden. Etwa 70 Prozent melden die Vorfälle nicht. „Wir ermutigen Beschäftigte ausdrücklich, erlebte Gewalt zu melden – nur so kann individuelle Unterstützung erfolgen“, sagte Diebel-Ebers.
Sie kritisierte, dass es immer noch kein vollständiges Lagebild für Baden-Württemberg gibt: „Wir haben die Landesregierung bereits 2020 aufgefordert, flächendeckend Daten zu erfassen. Ein inzwischen abgeschlossenes Pilotprojekt war ein erster Schritt. Jetzt muss der zweite folgen: eine systematische Erhebung im gesamten öffentlichen Dienst.“
Konzeption für einen besseren Schutz von Beschäftigten
Die baden-württembergische Landesregierung hat im vergangenen Jahr eine neue Landeskonzeption für einen besseren Schutz von Beschäftigten im öffentlichen Dienst vor Gewalt im Arbeitsalltag entwickelt. Ziel ist es unter anderem, eine zentrale Präventionsdatenbank und einen behördenspezifischen Krisen- und Notfallplan zu erstellen. Außerdem soll es eine zentrale und landesweite Ansprechstelle für Gewaltprävention im öffentlichen Dienst geben.